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„Wenn ein Land über Verteidigung nachdenkt, darf es sich nicht fragen, was es tun soll, sondern wozu es fähig ist.“ Dies ist einer dieser klugen Sätze, über die man stolpert und die einen noch lange beschäftigen. Zurzeit wird viel über Verteidigung und Aufrüstung diskutiert und fast immer geschieht dies im Zusammenhang mit Waffenproduktionen und Gleichschaltung europäischer Interessen. Doch der Satz trifft auch den Kern der sicherheitspolitischen Debatte in Deutschland im Jahr 2025. Seit der von Olaf Scholz ausgerufenen „Zeitenwende“ im Februar 2022 hat sich zwar einiges verändert, aber die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit bleibt tief.
Nun hat Deutschland seine Ambitionen erhöht: Die Ausgaben für Verteidigung sollen steigen, sogar auf bis zu 3,5% des Bruttosozialprodukts, und unsere Bundeswehr, zwar immer noch mit 265 Tsd. Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber des Landes, soll bis zur nächsten Bundestagswahl 2029 wieder voll einsatzbereit sein. Das klingt beruhigend, aber noch ist die Realität ernüchternd:
Das mit der großen Zeitenwende angekündigt Sondervermögen in Höhe von 100 Mrd. Euro ist längst aufgebraucht, aber viele Mängel konnten nicht behoben werden. Die Einsatzbereitschaft der Truppe liegt bei etwa der Hälfte der Kapazitäten – wie auch immer man das ermittelt. Es mangelt jedenfalls an moderner Ausrüstung, vor allem bei der Luftabwehr und in der Artillerie. Panzer gibt es auch nicht genügend, deshalb sollen zu den existierenden 300 weitere 105 Kampfpanzer vom Typ Leopard hinzukommen, so plant es der Verteidigungsminister Boris Pistorius. Die noch von seiner Vorgängerin Christine Lamprecht georderten 35 Kampfflugzeuge vom Typ F-35A werden erst ab dem kommenden Jahr geliefert, die Kosten dafür belaufen sich auf etwa 10 Milliarden Euro, für die Flugzeuge. Hinzu kommt die zugehörige Ausrüstung wie Ersatzteile, Infrastrukturmaßnahmen und natürlich Zeit – für die Ausbildung. Irgendwer sollte die Dinger schließlich auch fliegen können.
Das bringt uns zur Manpower und auch die lässt zu wünschen übrig: Aktuell zählt unsere Bundesverteidigung etwa 182 Tsd. Soldaten und ist damit ein gutes Stück weit entfernt von den angestrebten 200 Tsd. Auch für die von der NATO geforderten sieben zusätzlichen Brigaden fehlen rund 40 Tsd. Soldaten – wo sollen die so schnell herkommen? Seit Aussetzung der Wehrpflicht 2011 gelingt es nicht mehr, genügend qualifiziertes Personal zu gewinnen. Überalterung in der Truppe, Nachwuchsmangel und hohe Fluktuation tun ihr Übriges und selbst im zivilen Bereich wie IT, Logistik und Technik fehlen Fachkräfte. Die Aktienkurse deutscher Waffenschmieden wie der Düsseldorfer Konzern Rheinmetall oder Hensoldt gehen zwar durch die Decke, aber komplexe Systeme wie Panzer und Luftabwehrraketen bauen sich nicht innerhalb weniger Wochen.
Zu diesem Dilemma gesellen sich generelle strukturelle Herausforderungen, die vielfältig, historisch gewachsen und tief in politischen, organisatorischen und kulturellen Faktoren verwurzelt sind. Eine jahrzehntelange Unterfinanzierung der Bundeswehr, gepaart mit einer nahezu beispiellosen Trägheit der Bürokratie und einer nicht vorhandenen Strategie, wohin der Laden sich überhaupt entwickeln soll, machen es extrem schwierig, aus der Truppe eine moderne und einsatzfähige Verteidigungsstreitkraft zu gestalten. Verteidigungsminister Boris Pistorius strebt zwar eine umfassende Reform der Bundeswehr an, um sie „kriegstüchtig“ zu machen. Doch die Umsetzung ist komplex, und es fehlt nach wie vor an klaren Konzepten für eine effektive Modernisierung.
Wozu also sind wir fähig? Wozu wollen wir überhaupt fähig sein? So lautet die wohl wichtigere Frage, für die wir zunächst einmal eine Antwort finden sollten. Die aktuelle Diskrepanz zwischen politischen Zielen und tatsächlichen Fähigkeiten ist gefährlich, denn Verteidigung erfordert nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch eine ehrliche Bestandsaufnahme der eigenen Stärken und Schwächen. Bei allen genannten Problemen kommt nämlich noch ein gewichtiges hinzu: In der deutschen Öffentlichkeit gibt es nach wie vor eine weit verbreitete Skepsis gegenüber militärischer Stärke und Verteidigungsausgaben. Das erschwert politische Entscheidungsprozesse ebenso wie die Nachwuchsgewinnung. Deutschland hat sich lange als Friedensmacht verstanden – wie wollen wir dieses Bild neu justieren? Wollen wir eine Armee, die verteidigt oder gar eine, die abschreckt? Und was bedeutet das alles für unsere Rolle in Europa und der Welt?
Diese Fragen gehören in die Mitte der Gesellschaft und nicht in die Schubladen der Verteidigungsetats. Und sie sind allemal drängender als die nächste Aufregung über amerikanische Strafzölle. Wozu ein Land fähig ist, wenn es mit dem Rücken an der Wand steht, zeigt uns gerade die Ukraine mit ihrem Husarenstück! In einer beispiellos mutigen, kreativen und perfekt orchestrierten Aktion konnte der Kriegstreiber empfindlich getroffen werden – ohne Hilfe von außen, ohne weitere Panzer, ohne Taurus. Die Ukraine hat damit gezeigt, wozu sie fähig ist!
Die Themen der Woche, wir sind nach der DDG-Frühjahrstagung und finden die Ausbeute zu unseren Themenbereichen moderat. Es gibt aber noch viele weitere News aus dem Markt und das haben wir als erstes etwas zu Medtronic Diabetes, die nun ihren eigenen Weg gehen wollen oder sollen. Othmar Moser hat Handlungsempfehlungen zum Einsatz von AID bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes aufgestellt und zum Schluss geht es um die Frage, was eigentlich genau Prädiabetes ist? Auf geht’s!
Wir erinnern uns: Am 30. Mai 2001 wurde die Übernahme von MiniMed Inc. durch Medtronic bekannt gegeben, für einen Gesamtwert von 3,28 Milliarden US-Dollar. MiniMed war zu dem Zeitpunkt einer der führenden Hersteller von Insulinpumpen und der ersten CGM-Systeme! Diese Akquise ermöglichte es deshalb Medtronic, seine Präsenz im Bereich der Diabetesbehandlung erheblich zu erweitern und MiniMeds Expertise in der Entwicklung fortschrittlicher Insulinpumpen und kontinuierlicher Glucoseüberwachungssysteme zu nutzen. Nun heißt es:
The way back – Medtronic Diabetes geht eigene Wege!
Aktuell hat Medtronic, ein großer und weltweit agierender Medizinproduktehersteller mit diversen Geschäftsbereichen, überraschend bekannt gegeben, seine Diabetes-Sparte in ein eigenständiges, börsennotiertes Unternehmen auszugliedern. Medtronic (früher Minimed) weist ja ein bereits mehr als 40-jähriges Engagement für diesen Therapiebereich auf und hat mit Beginn des 21. Jahrhunderts das erste CGM-System auf den Markt gebracht. Was sind die Gründe für die Ausgliederung nach mehr als zwanzig Jahren?
Alle diatec-Teilnehmer kennen ihn gut, der er ist regelmäßiger Referent für seinen Themenschwerpunkt bei uns: Othmar Moser ist ein österreichischer Sportwissenschaftler und Experte für Bewegung und Stoffwechsel mit besonderem Fokus auf Typ-1-Diabetes. Er ist Professor an der Universität Bayreuth und leitet dort die Abteilung für „Exercise Physiology and Metabolism“ am Institut für Sportwissenschaft. Zudem ist er als Senior Researcher an der Medizinischen Universität Graz tätig. Basierend auf der von ihm maßgeblich entwickelter Stellungnahme der EASD/ISPAD zum Thema stellte er nun vor:
Handlungsempfehlungen zum Einsatz von AID bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes.
Othmar Moser (Universität Bayreuth und Medizinische Universität Graz) präsentierte beim ATTD-Kongress im März Handlungsempfehlungen zum Einsatz von AID-Systemen bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes (T1D). Grundlage war die von ihm maßgeblich mitverfasste Stellungnahme der EASD und ISPAD zum Thema
Was ist eigentlich Prädiabetes? Eine genaue Definition spricht von Diabetes in einem Frühstadium, in dem der Blutglucosespiegel zwar erhöht, aber noch nicht hoch genug ist, um als Diabetes diagnostiziert zu werden. Trotzdem ist dies ein Warnsignal des Körpers, aber ein tückisches, weil die Betroffene davon meistens nichts merken. Prädiabetes ist keine harmlose Vorstufe, sondern ein ernstzunehmender Risikozustand, deshalb lohnt es sich, hier nochmal genauer hinzuschauen:
Neudefinition von Prädiabetes und Einsatz von CGM zur Früherkennung
Der bekannte Diabetologe Viral Shah von der Indiana University in Indianapolis stellte beim ATTD-Kongress die gängige Verwendung des Begriffs „Prädiabetes“ infrage und plädierte stattdessen für ein dreistufiges Konzept, um die progressive Natur der Stoffwechselstörung Typ-2-Diabetes (T2D) differenzierter abzubilden. Seiner Auffassung nach wird durch den Begriff „Prädiabetes“ das Kontinuum der Glucoseregulation nicht adäquat dargestellt. Vielmehr verharmlost die Bezeichnung die Risiken: Prädiabetes sei nicht lediglich ein Risikozustand, sondern eine eigenständige Erkrankung mit klinischer Relevanz.
Viel Platz bleibt ihm nicht, dem schlafenden Eisbären. Das Bild zeigt uns auf eindringliche Weise
die Erderwärmung und selbst ein so kräftiges Tier wird dem nichts entgegensetzen können.
Wie also wollen wir mit der Welt umgehen, die uns trägt?
Zum Schluss noch wie immer das Letzte
Die Geschichte ist herzzerreißend und wirkt zunächst einmal unverständlich: Ein siebenjähriges koreanisches Mädchen läuft fröhlich durch einen Garten, sieht ihre Mutter und ruft: „Wo warst Du denn? Ich hab‘ Dich vermisst!“ Die Mutter, ausgestattet mit schwerer Augmented Reality Brille und speziellen technisch anmutenden Handschuhen, streckt dem Kind ihre Arme entgegen und weint laut schluchzend. Das Mädchen steht direkt vor ihr, es blickt sie an und es stellt Fragen, aber die Mutter kann eine letzte Distanz nicht überwinden. Sie will ihr Kind umarmen und kann es nicht.
Schnell wird klar – hier stimmt etwas nicht. Die Szene entstammt einer virtuellen Realität, erstellt aus einer Kombination aus VR-Technologie, Motion-Capture und KI, denn das Kind ist zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits seit vier Jahren tot. Die Mutter interagiert mit einem Avatar, der Stimme, Aussehen und Bewegungen mit Hilfe von Fotos, Videos und Tonaufnahmen der Tochter nachahmt und so ein nahezu realistisches Abbild geschaffen hat. Aufgenommen wurde dies bereits vor einigen Jahren und weltweit bekannt durch eine Dokumentation in einem südkoreanischen Fernsehsender.
Lässt sich ein alter Traum der Menschheit realisieren? Können wir perspektivisch mit Hilfe von KI und einer Kombination aus VR-Technologie und Motion-Capture unsere Toten ein letztes Mal treffen, mit ihnen sprechen, sie vielleicht sogar berühren? Und ist diese Art von Trauerbewältigung tröstlich oder belastend? Vielleicht bietet sie die Möglichkeit, sich endgültig von einem Verstorbenen zu verabschieden, vielleicht hilft sie dabei, Erinnerungen ein letztes Mal aufleben zu lassen. Vielleicht wird aber auch der Trauerprozess verzögert oder die Realität verdrängt.
Inzwischen bieten verschiedene Startups bereits die Möglichkeit an, Verstorbene mithilfe von KI und AR ein letztes Mal zu sehen oder mit ihnen zu interagieren, so beispielsweise das Startup „You, only virtual“. Auf der Plattform lässt sich ein virtueller Avatar eines Verstorbenen erstellen, mit dem es sich über verschiedene Plattformen sprechen lässt. Eines der bekannteren Beispiele ist ein Mann namens Joshua Barbeau, der nach dem Tod seiner Verlobten einen Chatbot erstellte und nun regelmäßig „mit ihr“ kommuniziert.
Ob und wie man solche Technologien nutzen möchte, bleibt jedoch eine persönliche Entscheidung, bei der die ethischen und psychologischen Implikationen berücksichtigt werden sollten. In der berühmt gewordenen südkoreanischen Szene reagierte die Mutter zutiefst emotional und bricht fast zusammen, als sie ihr virtuelles Kind noch einmal gefühlt lebensecht sieht. Im Nachgang gab sie allerdings in Interviews an, dass ihr diese Szene dabei geholfen habe, sich endgültig zu verabschieden und löste eine weltweite Diskussion über die ethischen und psychologischen Implikationen solcher Technologien aus.
Wer die Szene noch nicht gesehen hat, hier ist sie abrufbar, aber Vorsicht bitte, es ist nicht einfach zu ertragen, das zu sehen.
Das wars für die Woche. Schon ist wieder Juni, der Sommer zieht langsam ein und damit die schönen langen Abende. Genießen Sie die, wenn das Wetter es erlaubt, mit abendlichen Radtouren und Spaziergängen und bleiben Sie entspannt.
Es grüßen herzlich,
Dieser Artikel erscheint als Teil des wöchentlichen Letters zu hochaktuellen Entwicklungen im Bereich Diabetes Technologie. Nutzen Sie das nebenstehende Formular um sich für den diatec weekly Newsletter anzumelden!
Mit freundlichen Grüßen