Othmar Moser (Universität Bayreuth und Medizinische Universität Graz) präsentierte beim ATTD-Kongress im März Handlungsempfehlungen zum Einsatz von AID-Systemen bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes (T1D). Grundlage war die von ihm maßgeblich mitverfasste Stellungnahme der EASD und ISPAD zum Thema (siehe PDF und grafisches Abstract).
Der Redner wies darauf hin, dass viele Menschen mit T1D und insbesondere Kinder und ihre Betreuungspersonen aus Angst vor Hypo- und Hyperglykämien auf körperliche Aktivität verzichten. Dabei entstehen sportassoziierte Hypoglykämien in erster Linie nicht durch die Bewegung selbst, sondern durch in unpassender Dosierung exogen zugeführtes Insulin.
Entscheidend sei daher eine situationsgerechte Anpassung der Glucose- und Insulintherapie vor und während der Belastung. Die beste Unterstützung hierfür bieten automatisierte Insulin-Dosierungssysteme (AID). Wichtig sei es jedoch, das jeweils passende AID-System für die individuellen Bedürfnisse und das Sportprogramm des Kindes auszuwählen – inklusive optimaler Systemeinstellungen, die das Verhalten des Systems bei körperlicher Aktivität zuverlässig regulieren.
Ziel der Empfehlungen ist es, Kinder mit T1D zu befähigen, sich angstfrei und selbstbewusst zu bewegen, ihre Lebensqualität zu steigern und langfristig Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern.
Moser stellte in einem ersten Schritt die Blutglucose-Reaktionen auf verschiedene Trainingsintensitäten vor, um die Schwierigkeit einer einheitlichen Lösung für alle Situationen aufzuzeigen:
- Niedrige bis moderate Intensität senkt in der Regel den Blutglucosekonzentration.
- Hochintensives Intervalltraining (HIIT) kann die Blutglucosekonzentration stabil halten, wobei jedoch erhebliche Schwankungen möglich sind.
- Hochintensives Training erhöht häufig die Blutglucosekonzentration.
Die Insulindosierungsstrategien sollten diesen Trends entsprechen, um während und nach dem Training ein optimales Blutglucosemanagement zu gewährleisten. Beispielsweise kann die Aktivierung des „Boost“-Modus bei dem CamAPS FX-System oder die Senkung des Glucosezielwerts vor dem Training helfen, erwartete Glucose Änderungen auszugleichen.
Vor dem Training sind die Empfehlungen für geplante oder ungeplante körperliche Betätigung:
Für geplante körperliche Betätigung empfiehlt die Stellungnahme Folgendes:
- Festlegung eines höheren Glucosezielwerts ein bis zwei Stunden vor HIIT und Training mit geringer bis mittlerer Intensität;
- Beibehaltung oder Senkung der Glucosezielwerte für hochintensives Training; und
- Reduzierung der prandialen Bolusinsulindosis um 25–33%, wenn das Training innerhalb von zwei Stunden nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit stattfindet, um einer Hypoglykämie vorzubeugen.
Für ungeplantes Training wird empfohlen:
- Anhebung der Blutglucosezielwerte zu Beginn der Aktivität bei HIIT und bei körperlicher Betätigung mit geringer bis mittlerer Intensität;
- Einnahme von 10–20 Gramm schnell wirksamen Kohlenhydraten, wenn die Blutglucosekonzentration unter 126 mg/dl liegt; und
- Beibehaltung oder Senkung der Blutglucose-Zielwerte bei körperlicher Betätigung mit hoher Intensität.
Moser hob mehrere Anpassungen hervor, die während des Trainings als Reaktion auf die Anzeige der Echtzeit-Überwachung des Glucoseverlaufes mit einem CGM-System vorgenommen werden sollten:
- Bei einem raschen Glucoseabfall zusätzliche Kohlenhydrate konsumieren.
- Bei einem langsamen Glucoseabfall weniger Kohlenhydrate konsumieren.
- Bei steigenden Glucosewerten sollte der aktuelle Glucosezielwert beibehalten werden, und speziell für CamAPS FX sollte die Aktivierung des „Boost“-Modus in Betracht gezogen werden.
- Unabhängig von der Art der körperlichen Aktivität empfiehlt die Stellungnahme, auf nüchternen Magen zu trainieren und die CGM-Trends genau zu überwachen, wobei bei einem Glucoseabfall unter 126 mg/dl kleine Korrekturen mit schnell wirksamen Kohlenhydraten vorgenommen werden sollten.
Konkret wird Folgendes empfohlen:
- Drei bis sechs Gramm Kohlenhydrate bei einem horizontalen Trendpfeil;
- Sechs bis neun Gramm bei einem leicht abfallenden Trendpfeil;
- Neun bis 12 Gramm bei einem abfallenden Trendpfeil und
- 12 bis 20 Gramm bei zwei oder mehr abfallenden Trendpfeilen.
Die Stellungnahme warnt jedoch vor einer übermäßigen Zufuhr, um Überkorrekturen durch das AID-System zu vermeiden, die zu einer unbeabsichtigten systeminduzierten Hypoglykämie führen können.
Für viele extreme, kontaktintensive und wasserbasierte Sportarten sind spezielle Strategien zur Glucosekontrolle erforderlich. Obwohl bisher nur begrenzte Erkenntnisse zu diesen Überlegungen vorliegen, empfahl der Redner, die Stellungnahme als Leitfaden für persönliche Anpassungen zu verwenden, um eine maximale Leistung bei maximaler Sicherheit zu erzielen.
Die Stellungnahme enthält auch maßgeschneiderte Empfehlungen für verschiedene Szenarien für sechs verschiedene AID-Systeme (iLet von Beta Bionics, CamAPS FX von CamDiab, DBLG1 von Diabeloop, Omnipod 5 von Insulet, MiniMed 780G von Medtronic und t:slim X2 mit Control-IQ von Tandem):
- vor vs. während körperlicher Aktivität;
- geplante vs. ungeplante körperliche Aktivität; und
- Glucosetrends während körperlicher Aktivität.
Zum Abschluss gab der Vortragende einen kurzen Überblick über das für CamAPS FX-Anwender erstellte Diagramm für die Nutzung bei körperlicher Aktivität und empfahl den Diabetes-Teams, in ihren Praxen Ausdrucke für alle sechs Systeme bereitzustellen, um neue Pumpenanwender bei der sicheren Bewältigung körperlicher Aktivitäten zu unterstützen.
Fazit: Gut nutzbare Handlungsempfehlungen! Ein Zitat vom Redner ist gut: „Die AID-Systeme laufen super – solange man nichts isst und keinen Sport macht.“
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