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Einer der führenden Hersteller von Injektions- und Infusionssystemen für die Insulintherapie hat während des diesjährigen ATTD ein neues AID-System angekündigt: Unter dem Namen mylife Loop ist dieses System für die automatisierte Insulindosierung eine Kooperation des Schweizer Unternehmens Ypsomed als Pumpenhersteller, der britischen Firma CamDiab Ltd für den Algorithmus und der US-Firma Dexcom für das kontinuierliche Glucosemonitoring. Alle 3 Loop-Komponenten (Insulinpumpe, Sensor und Algorithmus) haben bereits eine CE-Markierung und sind seit kurzem in Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern eingeführt. Wir wollten mehr dazu wissen und haben deshalb bei Ypsomed nachgefragt. Unsere Interview-PartnerInnen waren Sabine Carstensen, Medical Managerin & Training Lead sowie Dirk Scherff als Geschäftsführer, beide Ypsomed DACH.
Für wen ist das Loopen geeignet?
Sabine Carstensen: „Es gibt zahlreiche Studien in denen die Wirksamkeit von AID-Systemen, hauptsächlich bei Menschen mit Diabetes mellits Typ-1 (DMT1), zunehmend auch für solche mit einen Typ-2 untersucht wurden.
Die Ergebnisse folgen immer den gleichen Mustern. Die AID-Systeme sind sicher in der Anwendung, es kommt zu einer Reduzierung des HbA1c bei gleichzeitig geringerer Glukose-Variabilität und Erhöhung der Zeit im Zielbereich (Time in Range), ohne dabei das Risiko für Hypoglykämien zu verstärken. Darüber hinaus gibt es Daten die zeigen, dass nicht nur, aber auch die diabetesbezogene Lebensqualität zunimmt und der Aufwand für das Therapiemanagement abnimmt.
So empfiehlt auch die Amerikanische Gesellschaft der Endokrinologen in einer, bereits im letzten Jahr erschienen Clinical Practice Guideline (1) den Einsatz von AID Systemen für alle Menschen mit DMT1, vor allem aber mit suboptimaler Glykämie, starken Glukoseschwankungen, Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung oder auch für Personen, die aufgrund der Angst vor Hypoglykämien zu hohe Glukoseverläufe forcieren oder akzeptieren. Eine ähnlich lautende Empfehlung wurde, ebenfalls im letzten Jahr, von einer Expertengruppe für Mittel und Osteuropa ausgesprochen (2).
Inzwischen sind mehrere AID-Systeme im Markt eingeführt, aber dennoch nicht für alle Menschen mit Diabetes mellitus einsetzbar.
Limitationen gibt es auf Seiten der CGM-Systeme. Hier gibt es von der Zulassung her Altersbeschränkungen und sie sind nicht freigegeben für schwere Erkrankungen bzw. wenn Interferenzen vorliegen, wie z.B. unter medikamentöser Behandlung im Rahmen von Krebstherapien. Darüber hinaus ist Vorsicht geboten, wenn widerholt besondere Situationen vorkommen in denen das CGM-System keine zuverlässigen Werte liefert und auch der Algorithmus nicht hinterher kommt, wie z.B. hochdosierte Cortison-Stoßtherapie.
Einschränkungen für den Einsatz von AID-Systemen gibt es zudem bei den zugelassenen Indikationsgebieten der AID-Systeme. Die meisten haben hier Einschränkungen für Kleinkinder oder sind sogar erst im erwachsenen Alter einsetzbar, Schwangerschaft und Dialysepflicht stellen meist ebenso Kontraindikationen dar. Für den Einsatz bei Menschen mit Typ-2-Diabetes steht bisher noch kein CE markiertes AID-System zur Verfügung.
Mit der Einführung des mylife Loop, bestehend aus der mylife YpsoPump, mylife CamAPS FX und dem Dexcom G6 Sensor, der auch eine CE-Markierung für Kleinkinder ab 2 Jahren und für schwangere Frauen mit DMT1 hat, ist die Gruppe derer, die von einem AID-System profitieren können, deutlich größer geworden.“
Was genau ist der mylife Loop? Was sind seine Komponenten und wie arbeiten sie zusammen?
Dirk Scherff: „Der mylife Loop ist Teil unseres mylife Loop Programms, welches das Leben von Menschen mit Diabetes erleichtern soll. Dabei verfolgen wir konsequent einen Smartphone-basierten Ansatz, welchen wir natürlich auch mit unserem Loop weiter ausbauen: Mit der mylife CamAPS FX App ist es dem Anwender möglich, ein selbstlernendes System zur automatisierten Insulindosierung auf dem eigenen Smartphone zu nutzen. Neben der Android-Applikation brauchen die Nutzer dann noch unsere mylife YpsoPump sowie das Dexcom G6-System. Die Glukosewerte des Dexcom G6 werden an die mylife CamAPS FX-App gesendet, wo der Algorithmus alle 8-12 Minuten die notwendige Insulinabgabe berechnet, die dann über die mylife YpsoPump abgegeben wird. Die Verbindung läuft rein via Bluetooth – eine Internetverbindung ist nur zur initialen Erstellung eines Accounts notwendig.“
Was genau macht mylife CamAPS FX so besonders?
Dirk Scherff: „Einerseits natürlich die diskrete und komfortable Nutzung über das eigene Smartphone, was zeitgemäß und komfortabel ist sowie eine diskrete Steuerung der Therapie ermöglicht. Andererseits ist der Einstieg in unser System auch ausgesprochen einfach: Als Startparameter benötigt der Algorithmus nur das Körpergewicht, die Tagesgesamtinsulindosis der letzten 5 Tage im Durchschnitt sowie das Kohlenhydrat-Insulin-Verhältnis. Darauf basierend berechnet der Algorithmus die nötige Insulinabgabe und passt diese eigenständig an. Besonders stolz sind wir auf die Tatsache, ein AID-System bieten zu können, welches sowohl für Kinder ab 2 Jahre als auch für Schwangere zugelassen ist!“
Seit wann ist das System in Deutschland erhältlich und wie kommt man zum System?
Dirk Scherff: „Seit Anfang Mai 2022 ist mylife CamAPS FX in Deutschland auf dem Markt. Wie bei allen AID-Systemen erfolgt die Verschreibung über den Arzt und eine Auslieferung über uns direkt oder den Fachhandel. Falls der Nutzer noch kein Dexcom G6 trägt, muss hierfür ein Rezept bei Dexcom Deutschland eingereicht werden. Sobald alles bewilligt ist, wird der Nutzer von uns auf die mylife YpsoPump geschult und absolviert ein online Training auf mylife CamAPS FX im CamDiab-Trainingsportal mit Unterstützung unserer zertifizierten Mitarbeiter*innen. Und dann kann es in Absprache mit dem behandelnden Arzt auch schon losgehen!“
Nun nutzen ja die ersten Patienten bereits den mylife Loop. Wie ist das erste Feedback?
Dirk Scherff: „Wir freuen uns sehr darüber, dass wir bisher ausschließlich positives Feedback erhalten haben! Es ist schön zu hören, dass Patienten in ihrem Alltag mit Diabetes ein Stück weniger über das Therapiemanagement nachdenken müssen, da der Algorithmus hilft, sie im Zielbereich zu halten. Vor allem Eltern von Kindern mit Diabetes berichten uns glücklich, endlich wieder entspannt durchschlafen zu können.
Auf Social Media und insbesondere auf Instagram berichten auch unsere mylife-Testimonials schon ausführlich über ihre Erfahrungen mit dem mylife Loop. Dabei haben wir eine bunt gemischte Truppe: Charli (23, @diabetosaurusnamedholly) hat bereits vorher die mylife YpsoPump genutzt und ist mit 4 Jahren Diabetesdauer noch relativ frisch dabei. Beate (31, @beate_putzt_diabetesblog) hingegen trägt seit über 20 Jahren Pumpe, war seit mehreren Jahren im DIY-Loop unterwegs und wollte endlich wieder ein System mit Garantie und Kundensupport. Und Susanne (60, @diagranny) war ebenfalls AndroidAPS-Nutzerin, aber vom Programmierungsaufwand genervt – außerdem möchte sie zeigen, dass man mylife CamAPS FX in jedem Alter nutzen kann. Zudem gibt es ein spannendes Interview mit Kathi Schanz auf ihrem Kanal „Diabeteswelt“ auf YouTube, in welchem wir beide live zusammen ihren mylife Loop starten. Reinschauen lohnt sich hier also!“
Wie ist der bisherige Outcome der Therapie mit mylife Loop aus medizinischer Sicht einzuschätzen?
Sabine Carstensen: „CamAPS FX ist ein hervorragend untersuchter Algorithmus. Die Studienlage zu den unterschiedlichen Indikationsbereichen hat eine hohe Leistungsfähigkeit des Algorithmus bei einfacher Handhabung erwarten lassen. Dies bekommen wir auch so aus dem Markt zurückgemeldet. Seit der Markteinführung wurde der mylife Loop bereits zahlreich bei Klein- und Vorschulkindern sowie auch Menschen in allen anderen Altersgruppen eingesetzt. Ebenso wurden die ersten AID-Therapien bei schwangeren Frauen begonnen. Das Feedback der Anwender und Therapeuten ist durchgehend positiv. Die mylife YpsoPump ist klein, handlich und einfach zu bedienen. Der Dexcom G6 Sensor wird als bewährt und zuverlässig beschrieben. Besonders hervorgehoben werden der schnelle und einfache Start in den Automodus, die intuitive, aber auch diskrete Handhabung der mylife CamAPS FX App und die gute therapeutische Leistungs- und Lernfähigkeit des Algorithmus.“
Fazit von Lutz Heinemann
Zur Einordnung von mylife Loop in die AID-Landschaft fällt auf, dass dies eines der wenigen europäischen AID-Systeme ist, was grundsätzlich begrüßenswert ist. Die europäischen Standards z.B. beim Datenschutz sind einfach besser als dies bei den amerikanischen der Fall ist. Wünschenswert sind nun Studien, die unter Beteiligung von bekannten Zentren in verschiedenen europäischen Ländern durchgeführt werden, um den Anforderungen der europäischen Gesundheitssysteme gerecht zu werden.
Aus wissenschaftlicher Sicht möchte ich den verwendeten Algorithmus hervorheben, der mit einer ganzen Reihe von hochrangig publizierten Studien der Arbeitsgruppe um Roman Hovorka aus Cambridge evaluiert wurde. Die Studien haben klinisch relevante Fragen adressiert und wurden nicht vorrangig zur Zulassung der AID-Systeme durchgeführt. Auch wurden sie als randomisierte, kontrollierte Studien durchgeführt, was bei Studien mit vielen anderen AID-Systemen nicht unbedingt der Fall gewesen ist.
1American Association of Clinical Endocrinology Clinical Practice Guideline: The Use of Advanced Technology in the Management of Persons with Diabetes Mellitus
2Hybrid Closed-Loop Systems for the Treatment of Type 1 Diabetes: A Collaborative, Expert Group Position Statement for Clinical Use in Central and Eastern Europe
diatec weekly – Juli 8, 22
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