Zur aktualisierten Leitlinie der Europäischen Arzneimittel-Agentur wurde nun in Diabetologia eine Kommentierung publiziert [1], denn seit 2012 hat sich die Diabetesversorgung tiefgreifend verändert. Dazu zählen u.a. die Einführung von ultra-lang wirkenden Basal-Insulinen und ultra-schnell wirkenden Bolus-Insulinen, darüber hinaus gilt es, insbesondere die technologischen Entwicklungen in diesem Bereich zu nennen: CGM- und AID-Systeme, die das Erreichen einer guten Glucosekontrolle wesentlich erleichtern und die Belastung für Menschen mit Diabetes verringern.
Solche Veränderungen hat es in anderen Indikationsgebieten ebenfalls gegeben, daher wurde eine Überarbeitung der Leitlinie in Zusammenarbeit mit allen Interessengruppen als notwendig erachtet. Dieser Prozess beginnt mit der Erstellung eines Konzeptpapiers, in dem alle Elemente, die eine Überarbeitung erforderlich machen, aufgezählt werden. Dieses Konzeptpapier wurde bereits im Jahr 2016 (also vor 8 Jahren!) zur öffentlichen Konsultation verschickt, so dass entsprechende Interessengruppen ihre Kommentare formulieren konnten. Anschließend wurde 2018 eine Entwurfsfassung der Leitlinie über einen Zeitraum von sechs Monaten zur öffentlichen Konsultation zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2022 veröffentlichte die EMA einen Kommentar, in dem sie um zusätzliche Daten aus Bestätigungsstudien für neue Diabetologie-Arzneimittel zur Behandlung von Menschen mit Typ-2-Diabetes bat. Diese Beschreibung veranschaulicht, wie langwierig und komplex die Erfassung der Beiträge externer Interessengruppen für die Überarbeitung ist, um sicherzustellen, dass die überarbeitete Leitlinie sowohl für möglichst viele wichtige Interessengruppen in diesem Bereich relevant ist als auch von diesen unterstützt wird.
Im Folgenden wird nur auf die Aktualisierungen eingegangen, die im Kontext mit Diabetes-Technologie stehen. Der HbA1c-Wert wird nach wie vor als der am besten geeignete primäre Endpunkt für die Messung der allgemeinen, langfristigen Glucosekontrolle bei Menschen mit Diabetes bei klinische Studien angesehen, da er sich als Surrogatmarker für langfristige mikro- und makrovaskuläre Komplikationen bewährt hat. Der Behandlungseffekt soll auf dem Unterschied im HbA1c-Wert zwischen dem Ausgangswert und dem am Ende der Studie zwischen der Prüfsubstanz und einer Kontrollbehandlung basieren. Es wird jedoch deutlich darauf hingewiesen, dass andere Endpunkte, insbesondere die Häufigkeit des Auftretens von Hypoglykämien, bei der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses neuer Wirkstoffe äußerst wichtig sind.
In diesem Zusammenhang befürwortet die Leitlinie eindeutig den Einsatz von CGM in klinischen Studien, sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern. Dadurch können gezielt hypoglykämische Ereignisse erfasst werden, wobei die Definitionen von Hypoglykämien in den Studienprotokollen standardisiert erfolgen soll, beispielsweise unter Verwendung der von der International „Hypoglycaemia Study Group“ veröffentlichten Klassifikation. Der Schwerpunkt der Evidenzbildung soll auf randomisierten klinischen Studien liegen, dabei wird der Wert von einarmigen Studien und Beobachtungsstudien sowie auf andere Datentypen, einschließlich Längsschnittdaten, auch anerkannt. Die neue Leitlinie erkennt an, dass Menschen, die mit Typ-1-Diabetes leben, von zusätzlichen Therapien zu Insulin profitieren können, um die glykämische Kontrolle zu verbessern und/oder das Risiko einer Hypoglykämie zu verringern. Der bevorzugte primäre Überlegenheitsendpunkt in Bestätigungsstudien für solche Behandlungsoptionen sollte die Veränderung des HbA1c-Wertes gegenüber dem Ausgangswert sein, und es muss nachgewiesen werden, dass eine HbA1c-Senkung nicht mit einem unannehmbar erhöhten Hypoglykämierisiko einhergeht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Gewährleistung der Sicherheit und Wirksamkeit krankheitsmodifizierender Behandlungen, was bedeutet, dass Studien von ausreichender Länge durchgeführt werden sollten.
Ein anderer Teil der Leitlinie befasst sich mit den Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit Produkten mit höheren Insulinkonzentrationen. Im Wesentlichen werfen hochdosierte Insuline und fixe Kombinationen von Insulin mit injizierbaren Nicht-Insulinen Bedenken hinsichtlich möglicher Medikationsfehler auf. Daher sollten sie vorzugsweise in vorgefüllten Pens hergestellt werden. Die vorgefüllten Pens sollten sich automatisch an die Stärke anpassen, und es sollte keine Dosisumstellung oder Neuberechnung erforderlich sein, wenn zwischen der Standardstärke (100 U/ml) und Insulinprodukten mit höherer Stärke oder festen Kombinationen gewechselt wird. Dies entspricht dem Grundgedanken, die benötigte Insulindosis zu wählen und so eine Über- oder Unterdosierung mit Insulin zu vermeiden.
Fazit: Es ist beachtlich, wie viel Aufwand – vor allem in zeitlicher Hinsicht – hinter der Aktualisierung einer solchen Leitlinie steckt. In Anbetracht der raschen Veränderung der Diabetestherapie in den letzten beiden Jahrzehnten und der hohen Wahrscheinlichkeit, dass die Entwicklungsgeschwindigkeit beibehalten wird, stellt sich die Frage, wie Themen wie Künstliche Intelligenz, virtuelle Diabetes-Kliniken und Clinical Decision Support-Systeme mit der neuen Leitlinie zu handhaben sind.
- Van der Schueren B, Vrijlandt P, Thomson A, Janssen H, Dunder K. New guideline of the European Medicines Agency (EMA) on the clinical investigation of medicinal products in the treatment and prevention of diabetes mellitus. Diabetologia. 2024. doi: 10.1007/s00125-024-06162-z.
diatec weekly – Aug 23, 24
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