In einer Publikation in der US-Fachzeitschrift „Diabetes Technology & Therapeutics“ (DTT) wurde das virtuelle (!) kontinuierliche Glucosemonitoring (CGM) auf die Daten der Diabetes-Kontroll- und Komplikationsstudie (DCCT) von 1993 angewendet [1]. Die seinerzeit bedeutende Studie hat belegt, dass die Bedeutung von intensiver Glucosekontrolle die Häufigkeit des Auftretens von diabetes-assoziierten Folgeerkrankungen reduziert:
- Das Risiko für diabetische Retinopathie um 76%,
- Die Entwicklung einer Nephropathie um 50%,
- Die Häufigkeit einer Neuropathie um 60%.
Neben HbA1c-Messungen wurden auch vierteljährliche Blutglucoseprofile erfasst. Boris Kovatchev und seine Co-Autoren von der University of Virginia nutzten die Daten dieser klassischen Studie nun zur Evaluierung der Bedeutung der Güte der Glucosekontrolle, wenn diese mit einem CGM-System erfasst worden wäre. Bei der Analyse verknüpften sie ein CGM-Profil mit einer Glucosekurve für jeden DCCT-Teilnehmer. Dazu wurde auch die Variabilität der glykämischen Kontrolle modelliert und der HbA1c-Wert geschätzt. Die erhaltenen Modelle ermöglichen auch die Identifizierung von CGM-„Motiven“.
Die aus virtuellen CGM-Daten über 14 Tage vor jeder HbA1c-Messung berechnete Zeit im Zielbereich (TIR; 70-180 mg/dL) reproduzierte die beobachteten Unterschiede in der glykämischen Kontrolle zwischen der intensiv und der konventionell behandelten DCCT-Gruppe, wobei die TIR in diesen beiden Gruppen im Allgemeinen >60 % bzw. <40 % betrug. Diese im wahrsten Sinne des Wortes retrospektive Analyse unter Verwendung einer mehrstufigen „machine-learning“-Prozedur zeigt, dass CGM-Messungen über 14 Tage hinweg das Auftreten von mikrovaskulären Diabetes-Komplikationen ähnlich gut vorhersagen können wie der HbA1c-Wert: Die TIR hängt signifikant mit dem Risiko der Entwicklung oder des Fortschreitens von Retinopathie, Nephropathie und Neuropathie zusammen (alle P-Werte <0,0001). Poisson-Regressionen zeigten, dass die TIR Retinopathie und Mikroalbuminurie ähnlich wie die ursprünglichen glykierten Hämoglobindaten vorhersagte.
Fazit: Was man mit Mathematik alles so machen kann? Es ist spannend zu sehen, wie die Ergebnisse alter klinischer Studien erneut analysiert werden können. Ein Ergebnis der DCCT war, dass das Risiko für Hypoglykämien bei einer besseren Glucosekontrolle erhöht war, mit Nutzung von CGM wird dieses Risiko jedoch signifikant reduziert.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass die Erfassung von CGM-Daten über 14 Tage hinweg mikrovaskuläre Diabetes-Komplikationen ähnlich gut vorhersagt wie der HbA1c-Wert. Diese innovative Analyse unterstreicht das Potenzial von CGM-basierten Messwerten. Insbesondere ist dies die Zeit im Zielbereich als Prädiktor für das Auftreten von Diabetes-Komplikationen. Die Verwendung von aktuellen datenwissenschaftlichen Techniken zur Erstellung virtueller CGM-Profile aus dem DCCT-Datensatz unterstützen die Ergebnisse einer breiteren Anwendung von CGM-Messwerten in der klinischen Praxis und bekräftigen ihren Wert für das Diabetes-Management und die Forschung.
- Kovatchev BP, Lobo B, Fabris C, Ganji M, El Fathi A, Breton MD, et al. The Virtual DCCT: Adding Continuous Glucose Monitoring to a Landmark Clinical Trial for Prediction of Microvascular Complications. Diabetes Technology & Therapeutics. 2025. doi: 10.1089/dia.2024.0404.
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