Herzlich willkommen zum diatec weekly,
was passiert, wenn man einen Stein ins Wasser wirft? Hier eine physikalisch vereinfachte Abfolge:
Der Stein fällt ins Wasser und für einen kurzen Moment durchbricht er die Oberfläche, wirbelt sie auf, verdrängt und spritzt dabei Wasser. Dann ist er weg, versunken und verschwunden aus dem Blickfeld. Aber die Wellen bleiben und kreisen hinaus, langsam und stetig tragen sie die Energie weiter, verändern das ruhige Bild und irgendwann, meist weit entfernt vom Ursprung, treffen sie auf neue Ufer oder andere Steine.
Wie der Stein, der ins Wasser fällt und für eine ganze Weile auf seine Umgebung wirkt, so wirkt auch jede einzelne Konfrontation, sei sie verbalen, physischen, strukturellen oder auch kriegerischen Ursprungs. Der 7. Oktober 2023 war der Tag, an dem die Hamas Israel angriff, brutal, gezielt und mit verheerender Gewalt durchbrach dieser Angriff das fragile Gleichgewicht einer Region, in der es ohnehin nie wirklich ruhig war. Dieser Einschlag war psychologisch tiefgreifend, sowohl für Israel als auch für die Palästinenser und deren umliegende Länder wie Jordanien, Syrien, Iran, Ägypten und den Libanon.
Alles, was daraus folgte, ist mehr als nur ein Nachhall, es sind Strömungen, die das Wasser trüben und, im Unterschied zum Stein im Wasser, beruhigt sich die Oberfläche nicht einfach wieder. Die Wellen laufen nicht aus, sondern treffen auf andere Bewegungen. Das sehen wir im Libanon, im Westjordanland, in Washington und ganz aktuell und auch schon lange, im Iran. Die Wellen, die durch diesen einen Stein entstanden sind, überlagern sich, schaukeln sich auf und drohen zum Sturm zu werden.
Inzwischen folgt ein Angriff auf den anderen mit tödlichen und zerstörenden Waffen, und jeder einzelne provoziert den nächsten. Israels gezielter Luftschlag auf iranisches Territorium ist militärisch und geopolitisch ein Wendepunkt – wenn auch gleichzeitig die Antwort auf jahrzehntelange verbale Vernichtungsfantasien des iranischen Regimes. Und jetzt haben auch noch die Amerikaner eingegriffen, zwar NUR mit einem gezielten Militärschlag auf die nuklearen Anlagen, aber auch das ist ein Stein, der seine Kreise ziehen wird. Ist man nun froh über die Tatsache, dass möglicherweise vorerst eine weitere Atommacht verhindert oder zumindest verzögert wurde? Was folgt danach?
Welche Rolle spielen wir überhaupt noch in diesem gefährlichen Zündelspiel? Gemeint ist mit uns Europa, denn offenkundig wurde weder irgendjemand informiert, geschweige denn um Rat gebeten. Wir sind mittlerweile zu einer unbedeutenden Regionalmacht degradiert worden und das ist auch kein Wunder. Dreißig Jahre lang hätten wir Zeit und Gelegenheit gehabt für direkte diplomatische Gespräche zwischen Europa, Israel und dem Iran. Es gab zwar indirekte Bemühungen zur Eindämmung iranischer Atomambitionen, die jedoch wirkungslos blieben, weil wirtschaftliche Interessen und Rüstungsexporte uns wichtiger waren als Sanktionen. Außerdem wirkt Europa wieder einmal gepalten. Die meisten Mitgliedstaaten zeigen wenig Initiative und so bleibt der europäische Beitrag diffus und begrenzt.
Es hilft wenig, nach Schuld zu suchen, im bewegten Wasser ist dies auch trügerisch. Trotzdem sollten wir nicht nur auf die Wellen starren, sondern versuchen, den Impuls zu erkennen, der sie ausgelöst hat. Alles hat seine Konsequenzen und jede Handlung führt zu einer anderen. Jeder neue Stein im Wasser verändert das Ganze und manchmal braucht es mehr Mut, keinen zu werfen, als den nächsten hinterher. Wir sollten also aufhören, Steine zu werfen. Oder höchsten kleine Steinchen!
Jeder Stein, der ins Wasser fällt, kann mit seinen Wellen und der daraus entstehenden Energie natürlich auch Positives bewirken. Gestattet uns deshalb noch ein Wort in eigener Sache, denn wir wollen nun auch ein winziges Steinchen ins Wasser werfen:
Die schrecklichen Kriege und Krisen um uns herum wecken bei vielen den Wunsch nach Hilfe. Nun können wir nicht die Länder und die Menschen dort retten, das gilt für die Ukraine ebenso wie für Israel, Gaza und den Menschen im Iran, die auch seit Jahren unter den gewaltbereiten Mullahs leiden. Aber wir können einzelne Menschen unterstützen und einer davon ist uns hier in Kalifornien begegnet.
Er heißt Leo, kommt aus Russland/Sibirien und ist ebenso ein Kriegsopfer wie die Menschen in der Ukraine. Leo ist ein fantastischer Klavierspieler! Er begann mit fünf Jahren und studierte schließlich auf dem renommierten Moskauer Tschaikowski Musik-Konservatorium. Im Herbst 2022, als junge, russische Männer, als Kanonenfutter rekrutiert wurden, entschied Leo sich zu flüchten und hat es tatsächlich über die Türkei und Mexiko in die USA geschafft und erhielt, noch unter Präsident Biden, unbegrenztes Asyl.
Hier in San Diego wird Leo von unseren Freunden Elaine und Doug Muchmore unterstützt. Sie haben einen Steinway-Flügel im Wohnzimmer stehen und Leo übt dort seit über einem Jahr. Nun hat er tatsächlich die Aufnahmeprüfung auf die renommierte Cleveland Musik-Akademie geschafft und beginnt im August mit dem Studium als Stipendiat. Für Unterricht und Unterkunft ist gesorgt, aber Leo hat weder Einkünfte noch Reserven und es gibt auch keine Familie mehr, die ihn unterstützt. Nur ein kleiner Kreis von Freunden und Förderern engagiert sich und kümmert sich um Fundraising, unter anderem eben wir.
Damit Ihr Euch ein Bild von Leos Talent machen können, ist hier kurzes Video eines Stückes von Rachmaninoff, das er am vergangenen Samstag erstmalig vor einem kleinen Kreis gespielt hat. Außerdem ist hier ein Schreiben von unseren Freunden, beide sind Ärzte und Doug ist auch Diabetologe.
Wenn dieses Projekt Euch anspricht und Ihr Leo unterstützen wollen, würden wir uns sehr über eine Spende in seinem Namen freuen. Die Bankverbindung für den Trust (Treuhandfond) in den USA ist:
Leo Pravskii Irrevocable Trust:
Bank Routing Number: 121000248
Account Number: 8905483940
Account Type: Checking Account at Wells Fargo Bank
Nun sind Überweisungen in die USA nicht einfach, deshalb würden wir ebenfalls Spenden entgegennehmen und direkt auf das Treuhandkonto weiterleiten. Unsere deutsche Bankverbindung ist:
IBAN: DE04300606010004531344
Swift: DAAEDEDDXXX
Apotheker und Ärztebank
Bitte in diesem Fall unbedingt den Verwendungszweck angeben: Spende für den Leo Pravskii Trust.
Vielen herzlichen Dank! Nun zu den Themen der Woche und weil in den vergangenen Tagen die Diabeteswelt nach Chicago geblickt hat, weil dort der amerikanische Diabeteskongress ADA stattgefunden hat, haben wir natürlich mit gleich zwei Artikeln erste News dazu: Einmal zum aktuellen Stand bei Vertex zur Beta-Cell-Ersatztherapie und ein zweiter zu einer spannenden Pro-Con Diskussion zum Thema CGM für alle. Zuvor aber gibt es einen Artikel zum Abfall, der bei der Diabetestherapie anfällt, Auf geht’s!
Pen-Nadeln, Lanzetten, Blutzuckerteststreifen, Sensoren, Pflaster, Verpackungen, leere Insulinampullen und Batterien aus Insulinpumpen oder CGM-Systemen – Menschen mit Diabetes produzieren täglich medizinischen Abfall. Was in der Einzelanwendung klein wirkt, summiert sich weltweit zu einer beachtlichen Müllmenge. Ein aktueller Artikel im renommierten Journal Diabetes Care hat sich detaillierter mit dem Thema beschäftigt:
Im „Olymp“ angekommen – Diabetes und Abfall
David Klonoff und weitere bekannte US-Diabetologen haben aktuell in Diabetes Care einen Artikel zur Menge des Abfalls publiziert, der bei Verwendung von üblichen Medizinprodukten im Alltag anfällt [1]. In einer Studie wurden 49 erwachsene Diabetes-Patienten gebeten, akribisch zu notieren, welche Produkte sie an welchem Tag verwendet haben.
Das amerikanische pharmazeutische Unternehmen Vertex Pharmaceuticals sucht einen Weg zur Heilung von Typ-1 Diabetes und setzt dafür auf eine innovative Stammzellen-Therapie, die das Fehlen der insulinproduzierenden Beta‑Zellen bei Menschen mit Typ‑1‑Diabetes direkt adressiert. Das Hauptprojekt, Zimislecel (ehemals VX‑880), basiert auf humanen, allogenen Stammzellen, die zu vollständig differenzierten Langerhans‑Inselzellen entwickelt werden und Insulin produzieren können. Nun wurden beim ADA in Chicago aktuelle Forschungsergebnisse vorgestellt:
Gibt es einen Durchbruch bei der Beta-Zell-Ersatztherapie?
Michael Rickels von der University of Pennsylvania stellte auf der diesjährigen ADA-Jahrestagung die Einjahres-Follow-up-Daten der FORWARD-Studie zur Inselzelltherapie Zimislecel (ehemals VX-880) vor. Die Ergebnisse wurden zeitgleich in der renommierten Fachzeitschrift New England Journal of Medicine veröffentlicht. Entwickelt wurde die Therapie von Vertex Pharmaceuticals mit Sitz in Boston. Zimislecel basiert auf aus Stammzellen gewonnenen, insulinproduzierenden Beta-Zellen und richtet sich an Menschen mit Typ-1-Diabetes, die unter einer eingeschränkten Hypoglykämie-Wahrnehmung leiden und innerhalb eines Jahres mindestens zwei schwere hypoglykämische Ereignisse (SHEs) erlitten haben. Die Therapie erfordert eine standardmäßige Immunsuppression.
Letzter Beitrag: Bei der ADA-Jahrestagung 2025 wurde eine der spannendsten Fragen der modernen Diabetestechnologie hitzig diskutiert: Sollten Systeme für das kontinuierliche Glucosemonitoring (CGM) für alle frei verfügbar sein, auch ohne ärztliche Verordnung? In einem voll besetzten Vortragssaal standen sich zwei US-amerikanische Diabetologen gegenüber: Diana Isaacs sprach sich klar für den rezeptfreien Zugang („over the counter“, OTC) aus, während David Ahn deutliche Bedenken anmeldete: CGM für alle? Diskussion über rezeptfreien Zugang beim ADA 2025
In den USA sind bereits zwei rezeptfreie CGM-Systeme für Erwachsene ohne Insulintherapie auf dem Markt: Stelo von Dexcom (seit August 2024) und Lingo von Abbott (seit September 2024). Damit haben erstmals auch Menschen mit Prädiabetes oder ohne Diabetes Zugang zu CGM – eine potenziell riesige Nutzergruppe, die jedoch häufig nicht im Umgang mit Glukosedaten geschult ist.
Das Bild der Woche
Was macht das Reh auf der Straße? könnte man fragen.
Doch die Frage ließe sich auch umgekehrt stellen:
Was macht die Straße dort, wo das Reh von einem zum anderen Waldstück queren will?
Das Foto haben wir bei LinkedIn bei Eckehard von Hirschhausen entdeckt und ausgeliehen.
Zum Schluss noch wie immer das Letzte
Ein neuer Ernährungstrend macht derzeit die Runde: 30 verschiedene Gemüse pro Woche sollen es sein – mindestens, wenn es nach führenden Mikrobiom-Forschern geht. Was nach einer Challenge für ambitionierte Hobbyköche klingt, basiert auf einer soliden wissenschaftlichen Grundlage und kann überraschend einfach und lecker in den Alltag integriert werden.
Warum 30 verschiedene Gemüse pro Woche? Die Empfehlung stammt aus der US-amerikanischen American Gut Study, einer der weltweit größten Studien zum menschlichen Mikrobiom zur Untersuchung des menschlichen Mikrobioms. Die Studie wurde 2012 unter der Leitung von Rob Knight, einem Mikrobiom-Forscher an der University of California San Diego (UCSD), ins Leben gerufen, um besser zu verstehen, wie Ernährung, Lebensstil, Umwelt und Gesundheit mit der Vielfalt der Mikroorganismen im menschlichen Darm bzw. dem Mikrobiom zusammenhängen.
Das Ergebnis der als groß angelegtes Bürgerforschungsprojekt war eindeutig: Menschen, die wöchentlich 30 oder mehr unterschiedliche pflanzliche Lebensmittel zu sich nahmen, verfügten über eine deutlich größere Vielfalt an Darmbakterien – ein zentraler Indikator für ein gesundes Mikrobiom. Und ein gesundes Mikrobiom wiederum steht in engem Zusammenhang mit einem starken Immunsystem, besserer Verdauung, stabiler Stimmung, niedrigerem Entzündungslevel und sogar mentaler Gesundheit.
Je vielfältiger also die pflanzliche Kost, desto vielfältiger die Mikroben im Darm – und das ist gut so. Trotzdem – so viel Gemüse, kann man das überhaupt schaffen in einer Woche? Die gute Nachricht ist, alle pflanzlichen Lebensmittel zählen, also: Frisches Gemüse wie Brokkoli, Spinat, Zucchini; alle Blattgemüse und Kräuter; Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen und Kichererbsen, Pilze, Wurzeln und Knollen, z. B. Karotten, Pastinaken, Rote Bete; Sprossen und Keimlinge; Fermentiertes Gemüse wie Sauerkraut und Kimchi; Seealgen und sogar getrocknete Pflanzen wie Tees aus echten grünen Pflanzenteilen, außerdem jede Art von Vollkorngetreide.
So könnte eine Woche mit 30+ Gemüse aussehen: Montag zum Frühstück Haferflocken mit Apfel, Leinsamen und Zimt; mittags einen Linsensalat mit Rucola, Karotten, Koriander, Zitronensaft und abends eine Gemüsepfanne mit Brokkoli, Paprika (rot, gelb), Zucchini, Knoblauch – macht schon mal mehr als 10 verschiedene Pflanzen. Am Dienstag dann zum Frühstück einen Smoothie mit Spinat, Banane, Blaubeeren und Minze, mittags ein Kichererbsen-Curry mit Tomaten, Auberginen, Zwiebeln und zum Abend einen Rote-Bete-Salat mit Feldsalat, Walnüssen und einem Apfel – macht weitere 10 Pflanzen.
So geht es weiter – mit Bohnen, Sauerkraut, Kimchi, Petersilie, Salbei, Quinoa, Edamame, Kohlrabi, Mangold … die Vielfalt wächst fast wie von selbst, wenn man offen ist für neue Kombinationen. Der 30-Gemüse-Trend ist keine Diät im klassischen Sinne, sondern ein Aufruf zur Vielfalt. Statt auf Kalorien oder Fett zu achten, geht es um das große Ganze: die Förderung unserer Darmgesundheit durch bunte, pflanzliche Vielfalt. Wer abwechslungsreich isst, trainiert sein Immunsystem, beugt Krankheiten vor – und entdeckt ganz nebenbei neue Geschmäcker.
Fazit: Vielfalt statt Verzicht und die Gesundheit ist doch immer noch das Wichtigste, oder?
Wichtig ist auch, dass der Sommer endlich in voller Pracht ausgebrochen ist, zumindest in Deutschland. Hier in San Diego ist es nach wie vor eher ein wenig kühler, weil der riesige Pazifik noch seine morgendlichen und abendlichen Nebelbänke aufs Festland schickt.
Dazu fällt uns ganz zum Schluss noch ein schöner Satz ein, der von dem französischen Mathematiker, Physiker, Literat und Philosoph Blaise Pascal (1623-1662) stammt:
„Das ganze Meer verändert sich, wenn ein Stein hineingeworfen wird.“
Das wars für die Woche. Wie immer grüßen herzlich,
Dieser Artikel erscheint als Teil des wöchentlichen Letters zu hochaktuellen Entwicklungen im Bereich Diabetes Technologie. Nutzen Sie das nebenstehende Formular um sich für den diatec weekly Newsletter anzumelden!
Mit freundlichen Grüßen