Das Diabetes Center Bern (DCB) richtet jährlich einen international ausgerichteten Wettbewerb aus, bei dem sowohl ein technologisches System oder Gerät für das Diabetes-Management als auch eine digitale Anwendung prämiert werden. Der Gewinner der Kategorie „Digital Diabetes“ ist Spotlight-AQ aus Großbritannien, dies wurde im November 2023 verkündet. Der Preis ist ein Gewinn von 100.000 Dollar plus Sachleistungen wie z.B. ein Businesscoaching. Weil in jedem Jahr eine Vielzahl von Applikationen für diesen Wettbewerb eingehen und sich die „Macher“ beim DCB viel Mühe bei der Auswahl geben, bedeutet dies Prämierung eine deutliche Anerkennung.
Spotlight-AQ ist eine KI-gestützte webbasierte infografische Bewertungsplattform, die es Ärzten ermöglicht, neben den körperlichen Gesundheitsbedürfnissen auch sichere, evidenzbasierte psychosoziale und therapiebezogene Ressourcen auszuwählen. Das Outcome der Nutzung ist, dass der ärztliche Routinebesuch bei allen Menschen mit Diabetes im Ablauf strukturierter abläuft und damit ihnen das Gefühl gibt, gehört zu werden. Gleichzeitig soll der Einsatz Burnout bei Klinikern verhindern und psychologischen Kontext für eine maßgeschneiderte Diabetes-Versorgung bereitstellen und die Interaktion zwischen Patienten und medizinischen Fachkräften auf der Grundlage biomedizinischer, psychologischer und sozialer Parameter verbessern.
Die Patienten füllen über ihr Mobiltelefon oder Tablet eine präklinische Bewertung aus, was im Durchschnitt drei Minuten dauert. Dies führt zu einem Datendiagramm, das ihre dringendsten Gesundheitsprobleme darstellt. Dieses Diagramm wird dem Arzt über die elektronische Patientenakte zur Verfügung gestellt, um seine klinische Routineversorgung durch differenziertere Bedürfnisse zu ergänzen und die notwendigen Ressourcen bereitzustellen. Diese Informationen sind über die Spotlight-AQ-Bibliothek sofort verfügbar, um Lösungen und eine patientenzentrierte Gesundheitsversorgung zu bieten. Sobald sich Patient und Arzt auf ein Vorgehen geeinigt haben, steht dieser abgestimmte Versorgungsplan beiden Parteien sofort zur Verfügung, was für Klarheit und Kontinuität bei weiteren Visiten sorgt.
Die treibende Kraft hinter der Entwicklung von Spotlight-AQ heißt Katharine Barnard-Kelly. Katharine ist eine Psychologin aus Fareham/GB und puscht diese Plattform bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Ihrer Vorstellung nach kann diese Plattform eine wichtige Rolle im Rahmen der bestehenden Gesundheitssysteme und -strukturen spielen. Ob und in welchem Ausmaß mit den verwendeten Fragen alle psychischen Aspekte sowie die Lebensqualität adäquat erfasst werden, kann kritisch angemerkt werden, die psychometrische Validierung ist bislang nur bedingt überzeugend.
In geeignet angelegten Machbarkeits- und Validierungsstudien führte die Nutzung dieser Plattform zu einer Verbesserung in der Glucosekontrolle (= Absenkung im HbA1c) und bei psychosozialen Parametern. An einer zulassungsrelevanten multizentrischen, sechsmonatigen RCT nahmen 49 Teilnehmer teil, davon hatten 31 einen Typ-1-Diabetes (T1D) und 18 einen Typ-2-Diabetes (T2D). In den präklinischen Fragebögen war die „psychische Belastung“ das am häufigsten genannte Anliegen der Teilnehmer mit T1D (n=27; 87 %) und T2D (n=18; 100 %), gefolgt von „mehr Fähigkeiten erwerben“, „bessere Unterstützung“ und „diabetesbezogene Behandlungsfragen“. Eine andere zulassungsrelevante Studie mit 100 Teilnehmern mit T1D oder T2D zeigte Verbesserungen bei HbA1c (um 6 mmol/l), eine signifikante Verringerung beim Burnout der Gesundheitsdienstleistung sowie verbesserte psychosoziale Ergebnisse.
Die Dauer der Visiten war bei den Teilnehmern in der Interventionsgruppe um bis zu sechs Minuten verkürzt, während sich in der Kontrollgruppe bei fünfzehn- und dreißigminütigen Besuchen keine Veränderung ergab. Außerdem verbesserte sich der HbA1c-Wert in der Interventionsgruppe um 0,5% und es wurden mäßige Verbesserungen bei den psychosozialen Ergebnissen beobachtet. Die Ärzte berichteten über eine verbesserte Kommunikation und eine stärkere Konzentration bei den Patientenbesuchen. Eine Evaluierung der Nutzung dieser Software unter Alltagsbedingungen in Primärversorgungspraxen in Großbritannien zeigte Verbesserungen sowohl bei der Diabetes-Belastung als auch beim HbA1c-Wert (um 14 mmol/l), wiederum ohne Verlängerung der Visitendauer. Aktuell läuft eine Zulassungsstudie in den USA, finanziert von der JDRF. An dieser Studie nehmen Jugendliche, Eltern und junge Erwachsene mit Diabetes teil.
Fazit: Ansätze wie dieser sollen eine standardisierte Versorgung bei chronischen Erkrankungen ermöglichen. Es wird insbesondere darum gehen zu schauen, wie sich solche Lösungen im klinischen Umfeld bewähren und wie sie sich in den klinischen Arbeitsablauf einfügen. Im Kontext mit der Etablierung von virtuellen Diabetes-Kliniken werden sich solche Ansätze in den nächsten Jahren vermutlich häufiger im Alltag der Patientenversorgung wiederfinden, als wir uns dies heute vorstellen können. Der „Erfolg“ wird sehr davon abhängen, wie das „Businessmodell“ aussieht – wer ist bereit für die Nutzung einer solche Plattform zu bezahlen? Hier gilt es an der Vermarktungsstrategie und dem darunterliegenden Business Case zu arbeiten. Möglicherweise ist das grundlegende Problem, für das diese Plattform eine Lösung anbietet, in den verschiedenen Ländern/Gesundheitssystemen deutlich unterschiedlich ausgeprägt, was wiederum die Annahme der Lösung massiv beeinflussen wird.
diatec weekly – Januar 12, 24
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