Verglichen wurde bei der Sechs-monatigen Studie die glykämische Kontrolle bei insgesamt 82 Patienten (mittleres Alter 40 Jahre, mittlere Diabetesdauer 18 Jahre; HbA1c-Ausgangswert ≥8%). Während der Studie nutzten 36 Patienten das AID-System, 39 Patienten führten eine Therapie mit mehreren täglichen Insulininjektionen plus intermittierend gescanntem kontinuierlichen Glucosemonitoring (iscCGM) durch. Alle Patienten waren vor Beginn der Studie auf einer „Pentherapie mit iscCGM“ und wurden zufällig einer der beiden Gruppen zugewiesen. Hier die Ergebnisse:
Es wurde ein signifikanter Unterschied von 1,4% bei der Verbesserung im HbA1c in beiden Gruppen beobachtet (P<0,0001), mit mittleren HbA1c-Werten von 7,3% in der AID-Gruppe und 8,9% in der Kontrollgruppe bei Studienende. Dabei betrug die Verbesserung bei den Patienten mit AID nach der sechsmonatigen Studienphase 1,5% im Vergleich zum Ausgangswert, während Patienten in der Kontrollgruppe eine 0,2%ige Verbesserung aufwiesen. Die mittleren Sensorglukosewerte betrugen 152 mg/dl für die AID-Gruppe gegenüber 195 mg/dl in der Kontrollgruppe (P<0,0001; bei ca. 9 Scans pro Tag). Entsprechend erreichten 10 von 36 Studienteilnehmern in der AID-Gruppe (27,8 %) nach 6 Monaten einen HbA1c-Wert <7,0 %, während in der Kontrollgruppe kein Patient dieses Ziel erreichte.
Die Zeit im Zielbereich (TiR) betrug bei den Studienteilnehmern der AID-Gruppe 70,6% (Ausgangswert 36%), verglichen mit 43,6% bei den Patienten in der Kontrollgruppe (P<0,0001) (Ausgangswert 43%), ein Unterschied von 6,6 Stunden pro Tag. 53% der Patienten in der AID-Gruppe erreichten eine TiR >70% verglichen mit nur 7% in der Kontrollgruppe. Die im niedrigen Glucosebereich verbrachte Zeit unterschied sich nicht signifikant zwischen den Gruppen, wobei beide nur 2,6% der Zeit bei Werten <70 mg/dL lagen und <1% unter 54 mg/dL. Höhere Glucosewerte, d.h. >180 mg/dL bzw. 250 mg/dL, wurden allerdings bei AID-Nutzung in 26,7% und 6,6% der Zeit gegenüber 53,8% und 22,5% in der Kontrollgruppe beobachtet.
Während der 6-monatigen Studienphase traten keine schwerwiegenden hypoglykämischen oder diabetischen Ketoazidose-Ereignisse auf. Die tägliche Insulindosis unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen. Beim Studienende war die Patientenzufriedenheit bei denjenigen in der AID-Gruppe deutlich höher als bei denen in der Kontrollgruppe (P=0,0003 für die Differenz im Diabetes Treatment Satisfaction Questionnaire). Dies ist deshalb beachtlich, weil bei dem in dieser Studie verwendeten AID-System der Aufwand für die Kalibration des CGM-Systems pro Tag recht hoch war. Die Patienten in der AID-Gruppe nutzten das System in 95,8% der Zeit als solches. Das CGM-System wurde in der Kontrollgruppe in 87,3% der Zeit verwendet.
Fazit: Üblicherweise fallen einem beim Einsatz von moderner Technologie erstmal junge, technisch versierte Patienten mit Typ-1-Diabetes ein, die ja zum Teil ihre AID-System sogar selbst „bauen“. Patienten mit einer unbefriedigenden Güte der Glucosekontrolle – aus welchem Grund auch immer -dagegen erstmal eher nicht. Nur sprechen aber sowohl die klinische Erfahrung als auch die Ergebnisse der entsprechenden Studien bei der Nutzung von AID-Systemen eine ganz andere Sprache. Der Einsatz von AID-Systemen führt zu solchen Verbesserungen in der Glucosekontrolle vor allem bei „Problempatienten“, dass dies erstmal alle anderen Aspekte überdeckt.
Der Ausgangs-HbA1c-Wert scheint kein gutes Ausgangskriterium für die Nutzung eines AID-Systems zu sein, vor allem, wenn er durch häufige Hypos „erkauft“ wird. Ob ein stufenweiser Ansatz, d.h. zunächst die Nutzung einer Sensor-unterstützten Insulinpumpe, gefolgt von einem AID-System, sinnvoll ist, ist zumindest die Diskussion darüber wert. Vielleicht sollten AID-Systeme auch schon in frühen Stadien des Typ-1-Diabetes-Behandlungspfads in Betracht gezogen werden. Das Ausmaß der erreichten Verbesserung der Glucosekontrolle sollte sich in langfristige Vorteile im Hinblick auf ein verringertes Risiko bei der Entwicklung von diabetesbedingten Komplikationen übersetzen. Es gibt wohl auch erste Hinweise von gesundheitsökonomischen Analysen in dieser Richtung.
Diese Studie wurde vom Hersteller des AID-Systems gesponsert. In anderen Studien mit AID-Systemen wurden vielfach Patienten mit deutlich besseren Ausgangs-HbA1c-Werten eingeschlossen, was erklärt, warum in diesen Studien eine geringere Verbesserung in der glykämischen Kontrolle beobachtet werden konnte.
In diese Studie wurde kein dritter Studienarms eingeschlossen, d.h. der Einsatz einer konventionellen Insulinpumpentherapie, da frühere Studien hiermit nur relativ geringe inkrementelle Vorteile gezeigt haben. In einem Editorial zu der Publikation wird ebenfalls auf die Bedeutung der Vergleichsgruppe verwiesen und darauf, dass frühere Studien mit AID-Systemen Verbesserungen beim HbA1c im Bereich von „nur“ 0,2% bis 0,5% im Vergleich zu der jeweiligen Kontrollgruppe gezeigt haben.
Eine andere Frage ist, ob sich Verbesserungen in der Glucosekontrolle etc. auch in den PROMS (= Fragebögen zur Lebensqualität) abbildet. In dieser Studie wurde die Lebensqualität ja nicht deutlich besser, ein Grund dafür kann sein, dass bei dieser Studie noch das Guardian 3-CGM-System verwendet wurde und viele Menschen mit Typ-1-Diabetes ungern kalibrieren. Bei dem neuen Guardian 4-CGM-System ist die Akzeptanz wohl höher.
Die Autoren der Publikation stellen die Hypothese auf, dass einige der Verhaltensweisen, die mit einem erhöhten HbA1c-Ausgangswert verbunden sind, auch dazu beigetragen haben könnten, dass zumindest ein gewisser (wenn auch nicht großer) Prozentsatz der Studienteilnehmer mit den AID-System den Zielwert 7% erreicht haben. Dazu gehören versäumte oder verspätete Boli, mehr Fehler bei der Kohlenhydrat-Abschätzung oder ausgeprägtere Ängste vor Hypoglykämien.
- Choudhary P, Kolassa R, Keuthage W, Kroeger J, Thivolet C, Evans M, et al. Advanced hybrid closed loop therapy versus conventional treatment in adults with type 1 diabetes (ADAPT): a randomised controlled study. Lancet Diabetes Endocrinol. 2022. Epub 20220901. doi: 10.1016/S2213-8587(22)00212-1. PubMed PMID: 36058207.
DiaTec weekly – September 16, 22
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Hallo,
nach meinem Medizinstudium war ich auch so ein „Problempatient“ mit einem HbA1c von 8,4%. Mein Diadoc schaffte es aber, mich dann binnen 3 Monaten um 1% abzusenken, dabei war das häufige intermittierende Scannen nur ein Baustein. Er machte mich nun auf diese Studie aufmerksam (leider haben wir beide nur das Abstract).
Wenn man sich dieses näher ansieht , stellt man fest, daß es drei deutsche Diabetologen mit langjähriger Erfahrung nicht schaffen 40 zufällig ausgewählte T1D , die bereits scannten, nicht „in den Griff bekamen“. Sie (die Kontrollgruppe) hatten einen durchschnittlichen HbA1c von 9 % und nach 6 Monaten in exzellenter diabetologischer Betreuung noch immer 8,9%. Das finden wir beide völlig unplausibel !! Es wäre gut, wenn sie dazu mal einen Kommentar abgeben würden. Die Meinung, dass Solche „Problempatienten“ eher von einem AID profitieren, scheint uns verfrüht. Der obige Hinweis auf den Sponsor, der immer etwas erwartet, ist evt. hilfreich.