- Diabetes-Belastung („distress“) ist eines der häufigsten psychischen Probleme, die bei Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes auftreten und festgestellt werden. Es ist nur wenig darüber bekannt, welche Rolle die Glucosekontrolle als potenzieller Auslöser für Diabetes-Belastung spielt und ob die subjektive Wahrnehmung der Glucosekontrolle oder die objektiven glykämischen Parameter für die Erfahrung wichtiger sind. Mit der Verfügbarkeit von CGM ist dies eine relevante Frage, da die Glucosewerte nun in Echtzeit sichtbar sind. Mit einem „Präzisionsüberwachungsansatz“ wurden in dieser prospektiven Beobachtungsstudie die unabhängigen Zusammenhänge zwischen der wahrgenommenen und der gemessenen Glucosekontrolle und der alltäglichen Diabetesbelastung analysiert [1].
Mit Hilfe von n-of-1-Analysen wurden die einzelnen Faktoren, die zur Diabetes-Belastung pro Person beitragen, identifiziert und die Assoziationen dieser einzelnen Faktoren mit der psychischen Gesundheit nach einem 3-Monats-Follow-up analysiert. Die von den Nutzern wahrgenommene (Hypoglykämie/Hyperglykämie/Glukoseschwankungsbelastung) und die gemessene Güte der Glucosekontrolle (Zeit in Hypoglykämie und Hyperglykämie, CV) wurde über 17 Tage hinweg lang täglich mit einem „ecological momentary assessment (EMA)”-Ansatz mit einer speziellen EMA-App bzw. einem CGM-System erfasst. Es wurde eine gemischte Regressionsanalyse durchgeführt, wobei die tägliche Diabetesbelastung als abhängige Variable und die täglich wahrgenommenen und mit dem CGM gemessenen Messwerte der Glucosekontrolle als Zufallsfaktoren dienten. Individuelle Regressionskoeffizienten der täglichen Belastung mit wahrgenommenen und CGM-gemessenen Messwerten wurden mit dem Niveau des psychosozialen Wohlbefindens bei einer dreimonatigen Nachuntersuchung korreliert.
Es wurden die Daten von 379 Teilnehmern analysiert (50,9% Typ-1-Diabetes; 49,6% weiblich). Die wahrgenommene Glucoseschwankung (t=14,360; p<0,0001) war der stärkste Prädiktor für die tägliche Diabetesbelastung, während die CGM-basierte Glucoseschwankung keinen signifikanten Zusammenhang aufwies (t=1,070; p=0,285). Die Assoziationen zwischen den wahrgenommenen und gemessenen Glucoseparametern und der Diabetes-Belastung waren bei den einzelnen Personen ausgesprochen heterogen. Personen mit einer stärkeren Assoziation zwischen wahrgenommener Glucosekontrolle und täglicher Belastung hatten mehr depressive Symptome (β=0,32), Diabetesbelastung (β=0,39) und Hypoglykämieangst (β=0,34) bei der Nachuntersuchung (alle p<0,001). Personen mit einer stärkeren Assoziation zwischen CGM-gemessener Glucosekontrolle und täglichem Stress hatten bei der Nachuntersuchung ein höheres psychosoziales Wohlbefinden (depressive Symptome: β=-0,31; Diabetesstress: β=-0,33; Hypoglykämieangst: β=-0,27; alle p<0,001), aber auch einen höheren HbA1c-Wert (β=0,12; p<0,05). Insgesamt scheint die subjektive Wahrnehmung der Glucosekonzentration einen größeren Einfluss auf die Diabetes-Belastung zu haben, als objektive CGM-Parameter der glykämischen Kontrolle. N-of-1-Analysen zeigten, dass die CGM-gemessene und die wahrgenommene Glucosekontrolle 3 Monate später unterschiedliche Assoziationen mit der Diabetes-Belastung und dem psychosozialen Wohlbefinden aufweisen. Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die individuellen Triebkräfte der Diabetes-Belastung zu verstehen, um personalisierte Interventionen im Rahmen eines präzisen psychischen Gesundheitsansatzes zu entwickeln.
- In einer Übersichtsarbeit aus Großbritannien werden einige der beachtlichen Fortschritte beim Management von Typ-1-Diabetes vor, während und nach der Schwangerschaft beschrieben [2]. Durch die Nutzung von CGM und einer Insulinpumpentherapie gelingt es besser die Glucoseziele in der Schwangerschaft zu erreichen, selbst hybride AID-Systeme, die außerhalb einer Schwangerschaft klinisch ausgesprochen vorteilhaft sind, bieten während der Schwangerschaft möglicherweise keine zusätzlichen Vorteile. Außerhalb der Schwangerschaft sind die Vorteile bei der Verwendung von AID-Systemen Klassenspezifisch. Bislang gibt es nur ein AID-System, das CamAPS FX, mit einer soliden Evidenzbasis für die Anwendung während der Schwangerschaft, was darauf hindeutet, dass die Vorteile während der Schwangerschaft spezifisch für dieses AID-System sind. Dieses AID-System verfügt über einen schnell anpassbaren Algorithmus und niedrigere Glucoseziele mit Vorteilen für alle Glucosekategorien bei den Müttern, es ist für alle Frauen mit Typ-1-Diabetes vor und während der Schwangerschaft geeignet. Bei Frauen im gebärfähigen Alter mit Typ-2-Diabetes sind die relativen Vorteile der Anwendung von Nicht-Insulin-Pharmakotherapien im Vergleich zur Diabetestechnologie (Dipeptidylpeptidase-4-Hemmer, Glucagon-like Peptide-1-Rezeptor-Agonisten und Natrium-Glucose-Cotransporter-2-Hemmer) nicht bekannt. Trotz des dringenden Bedarfs und des potenziellen Nutzens gibt es kaum Studien zur Pharmakotherapie und zum Einsatz von Technologien bei schwangeren Frauen mit Typ-2-Diabetes.
- Kinder mit Typ-1-Diabetes und ihre Betreuer stehen vor zahlreichen Herausforderungen bei der Bewältigung der Unberechenbarkeit dieser komplexen Krankheit [3]. Obwohl das Diabetesmanagement nach wie vor eine große Belastung darstellt, haben neue Technologien einen Teil der Belastung gemildert und Kindern mit Typ-1-Diabetes ein bessere Glucosemanagement ohne Angst vor übermäßig häufigen Hypoglykämie ermöglicht. Die Verwendung von CGM allein verbessert die Ergebnisse und gilt heute als Standard für die Behandlung von Kindern mit Typ-1-Diabetes. Auch die Nutzung von AID hat sich bei Kindern ab einem Alter von 2 Jahren als sicher und wirksam erwiesen. Die Verwendung von AID verbessert nicht nur die Glucosekontrolle, sondern auch die Lebensqualität der Kinder und ihren Betreuern. Die Nutzung dieser therapeutischen Option sollte für alle Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes in Betracht gezogen werden, sofern sie verfügbar und erschwinglich sind. Die wichtigsten Daten zum Einsatz von Diabetestechnologie in der pädiatrischen Bevölkerung werden zusammenfassend dargestellt und die besonderen Probleme bei Kindern und Jugendlichen erörtert.
- Die zunehmende Inzidenz des Typ-2-Diabetes, der weltweit 90% der Diabetesfälle ausmacht, stellt ein großes Problem für die öffentlichen Gesundheitssysteme dar. Ein verbessertes Glucosemanagement verringert das Risiko von Gefäßkomplikationen und Sterblichkeit; allerdings weist nur ein kleiner Teil der Menschen mit Typ-2-Diabetes Glucosewerte auf, die innerhalb der empfohlenen Behandlungsziele liegen. In den letzten Jahren hat Diabetes-Technologie die Versorgung von Menschen mit Typ-1-Diabetes revolutioniert, und es wird immer deutlicher, dass auch Menschen mit Typ-2-Diabetes von diesen Fortschritten profitieren können. In einer weiteren Übersichtsarbeit aus Großbritannien wird der aktuelle Wissensstand über die Rolle von Technologien für Menschen mit Typ-2-Diabetes und die Belege für ihren Einsatz in der klinischen Praxis beschrieben [4]. CGM-Systeme sind auch für diese Nutzergruppe von Vorteil, unabhängig davon, ob sie mit Insulin oder ohne Insulin behandelt werden. Weitere Studiendaten sind notwendig, um die Vorteile der Nutzung von CGM-Systemen bei Menschen mit Prädiabetes (definiert als gestörte Glucosetoleranz und/oder erhöhte Nüchternglucose und/oder HbA1c-Werte zwischen 39 mmol/mol [5,7%] und 47 mmol/mol [6,4%]) zu bewerten. Der Einsatz von Insulinpumpen scheint bei Menschen mit Typ-2-Diabetes sicher und wirksam zu sein, insbesondere bei Menschen mit einem HbA1c-Wert deutlich über dem Zielwert. Erste Ergebnisse von Studien, die die Auswirkungen von AID-Systemen bei Typ-2-Diabetes untersuchen, sind vielversprechend. Es bedarf weiterer Studien um den potenziellen Nutzen der Integration evidenzbasierter Technologie in die Versorgung von Menschen mit Typ-2-Diabetes und Prädiabetes vollständig zu verstehen.
- In der nächsten Übersichtsarbeit aus Großbritannien geht es um den Einsatz von Diabetes-Technologie im Krankenhaus [5]. Ein suboptimales Glucosemanagement führt hier zu ungünstigen klinischen Ergebnissen und erhöhten finanziellen Kosten für die Gesundheitssysteme. Trotz der Verfügbarkeit von Leitlinien für das stationäre Glucosemanagement bleibt die Umsetzung aufgrund der zunehmenden Arbeitsbelastung des Klinikpersonals und der steigenden Prävalenz von Diabetes eine Herausforderung. Die Entwicklung innovativer Diabetes-Technologien, die den klinischen Arbeitsablauf unterstützen und den Bedarf an einer wirksamen und sicheren stationären Diabetesversorgung abdecken, ist da ausgesprochen hilfreich. Es gibt Evidenz dafür, dass der Einsatz von Diabetestechnologie, wie z. B. CGM und AID-Systeme das Glucosemanagement im ambulanten Bereich verbessern; über ihren potenziellen Nutzen und ihre Anwendung beim stationären Diabetesmanagement ist jedoch relativ wenig bekannt. Neue Daten aus klinischen Studien zeigen, dass Diabetestechnologien wie integrierte klinische Entscheidungsunterstützungssysteme eine sicherere und effizientere stationäre Diabetesversorgung vermitteln können. In der Publikation wird ein Überblick über die aktuellen Erkenntnisse beim Einsatz von Diabetestechnologie in der nicht-kritischen stationären Versorgung von Erwachsenen gegeben. Es werden bestehende Barrieren angesprochen, die die Einführung solcher Technologien behindern oder verzögern, sowie Strategien und Möglichkeiten, die klinische Einsatzfähigkeit stationärer Diabetestechnologie in Zukunft zu erleichtern.
- In einer weiteren Übersichtsarbeit, dieses Mal aus den USA, geht es um die Verbesserung des Lebens von Menschen mit Mukoviszidose durch den Einsatz von Diabetestechnologie [6]. Bei Menschen mit dieser Erkrankung besteht das Risiko einer Dysglykämie, die durch die fortschreitende Dysfunktion und Zerstörung der Betazellen aufgrund der exokrinen Erkrankung und Fibrose der Bauchspeicheldrüse verursacht wird. Mukoviszidosebedingter Diabetes (CFRD) ist eine besondere Form von Diabetes, die sich sowohl von Typ-1- als auch von Typ-2-Diabetes unterscheidet. Die Nutzung von Diabetestechnologie können angesichts der komplexen, systemübergreifenden Organbeteiligung und der schwierigen Gesundheitsprobleme, mit denen Menschen mit CFRD häufig konfrontiert sind, von besonderem Nutzen sein. Diese Übersicht fasst zusammen, wie CGM- und AID-Systeme das Verständnis von CFRD verbessert haben, einschließlich der Frage, wie Hyperglykämie die klinischen Ergebnisse bei Menschen mit dieser Erkrankung beeinflusst, aber auch beim Screening und der Diagnose von CFRD hilfreich sein können. Sie stellen vielversprechende Möglichkeiten zur Verbesserung der Behandlung von CFRD dar und tragen zu einer Reduktion der Belastung bei, die diese Diagnose für eine bereits medizinisch komplizierte Patientenpopulation bedeutet.
- Eine weitere Übersichtsarbeit aus den USA beleuchtet die Nutzung von Diabetes-Technologie bei Patienten mit einer fortgeschrittenen chronischen Nierenerkrankung [7]. Das Glucosemanagement bei dieser Patientengruppe ist schwierig und durch häufige Hypo- und Hyperglykämien gekennzeichnet. Laborparameter wie HbA1c, Fructosamin und glykiertes Albumin sind bei diesen mit Verzerrungen behaftet und liefern nur Informationen über die durchschnittliche Glukosebelastung. Werkseitig kalibrierte CGM-Systeme ermöglichen eine bessere Bewertung von Glukoseexkursionen und Präventivmaßnahmen bei diesen Patienten, insbesondere während und zwischen Dialysesitzungen. Darüber hinaus ermöglicht die Nutzung von AID-Systemen eine proaktive Verringerung oder den Stopp der Insulinverabreichung, was zu einem verbesserten Glucosemanagement und weniger glykämischen Schwankungen führt. Die offizielle Zulassung steht noch aus, aktuelle neue Studien, praktische Erfahrungen von Experten und klinische Leitlinien unterstützen den Einsatz von solchen Medizinprodukten bei PwD und einer fortgeschrittenen chronischen Nierenerkrankung.
Fazit: Im Sommer findet sicher jeder mal einen Nachmittag, den er oder sie mit der Lektüre dieser Publikationen in einer Fachzeitschrift verbringen möchte. Diese Publikationen liefern viele Informationen zum Thema Diabetestechnologie und den Vorteilen deren Nutzung. Ob sich der Stellenwert von Diabetestechnologie innerhalb der EASD und bei dem nun anstehenden Jahreskongress durch solch eine Serie von Publikationen verbessert, bleibt jedoch abzuwarten.
- Ehrmann D, Hermanns N, Schmitt A, Klinker L, Haak T, Kulzer B. Perceived glucose levels matter more than CGM-based data in predicting diabetes distress in type 1 or type 2 diabetes: a precision mental health approach using n-of-1 analyses. Diabetologia. 2024. Epub 20240730. doi: 10.1007/s00125-024-06239-9. PubMed PMID: 39078490.
- McLean A, Maple-Brown L, Murphy HR. Technology advances in diabetes pregnancy: right technology, right person, right time. Diabetologia. 2024. Epub 20240705. doi: 10.1007/s00125-024-06216-2. PubMed PMID: 38967667.
- Schoelwer MJ, DeBoer MD, Breton MD. Use of diabetes technology in children. Diabetologia. 2024. Epub 20240712. doi: 10.1007/s00125-024-06218-0. PubMed PMID: 38995398.
- Liarakos AL, Lim JZM, Leelarathna L, Wilmot EG. The use of technology in type 2 diabetes and prediabetes: a narrative review. Diabetologia. 2024. Epub 20240629. doi: 10.1007/s00125-024-06203-7. PubMed PMID: 38951212.
- Thabit H, Schofield J. Technology in the management of diabetes in hospitalised adults. Diabetologia. 2024. Epub 20240702. doi: 10.1007/s00125-024-06206-4. PubMed PMID: 38953925.
- Scully KJ, Marks BE, Putman MS. Advances in diabetes technology to improve the lives of people with cystic fibrosis. Diabetologia. 2024. Epub 20240712. doi: 10.1007/s00125-024-06223-3. PubMed PMID: 38995399.
- Galindo RJ, Soliman D, Chernasvvky D, Rhee CM. Diabetes technology in people with diabetes and advanced chronic kidney disease. Diabetologia. 2024. Epub 20240808. doi: 10.1007/s00125-024-06244-y. PubMed PMID: 39112642.
diatec weekly – Aug 16, 24
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