Amys Meeting findet alljährlich in einer wunderbaren Umgebung statt und hat etwa 130 Teilnehmer, mehr als die Hälfte lebt mit Typ-1-Diabetes und fast alle vertreten irgendeine der einschlägigen Organisationen, auch dedoc war vor Ort. Das Programm wird weitgehend von Patienten bestritten, was jedoch bei einigen eher zu einer Selbstdarstellung und weniger zu Innovationen führte, die sie eigentlich vorantreiben wollen. Daher wurden auch eher wenige reale Neuigkeiten und Daten vorgestellt und es gab in diesem Jahr auch weniger Sponsoren (Dexcom, Lilly Diabetes, embecta, Omnipod und MannKind). Dabei ist DiabetesMine ein gutes Meeting, um interessante Menschen zu treffen und neue Aspekte kennenzulernen.
Einer der beeindruckendsten Vorträge wurde von Adam Brown gehalten. Adam hat vor einigen Jahren ein lesenswertes Buch zum Leben mit Diabetes und zur Therapie bei Menschen mit Typ-1-Diabetes geschrieben und dabei besonders auf die vielfältigen Probleme, die damit im Alltag einhergehen, gehalten. Als ehemaliger Mitarbeiter von Kelly Close ist Adam heute Psychologe in einer eigenen Praxis in San Francisco. Mit Jonglier-Einlagen lockerte er seine Präsentation in unterhaltsamer Weise auf und zeigte damit, dass diese Übungen in Disziplin und Kontrolle eine gute Analogie für die Anforderungen bedeuten, die Typ-1-Diabetes für die betroffenen Menschen ist.
Adam fokussierte auf die nach wie vor vorhandenen Mängel der Diabetes-Technologie und -Versorgung, insbesondere im Hinblick auf potenziell unerwünschte Ergebnisse und Daten, die er als „Landminen“ bezeichnet. Sie wirken sich nachteilig auf die psychische Gesundheit aus, wobei es nicht reicht, nur klinisch dagegen vorzugehen. Sein Ansatz ist, Patienten dabei zu helfen, ihre Fähigkeiten im Umgang mit Diabetes zu verbessern. Er beschrieb das Diabetes-Management als ein Portfolio von Teilzeitjobs, und die Technologie müsse den Kontext in ihre Berichte einbeziehen, um positivere Verhaltensweisen zu fördern.
Adam plädierte auch für eine Neuausrichtung der Diabetes-Technologie, um „Lichtblicke“ und nicht nur „Landminen“ hervorzuheben. Diabetes-Technologie sollte Lob aussprechen können und Kontext und Feedback generieren, z.B. durch Benachrichtigungen, damit Nutzer besser verstehen, welche Verhaltensweisen zu wünschenswerten Ergebnissen führen. Positive Verstärkung von Erfolgen ermöglicht es, schrittweise verbesserte Managementfähigkeiten zu entwickeln. Da es Hunderte von Fähigkeiten gibt, die für die Behandlung von Diabetes erforderlich sind, sollten Technologien auch die notwendigen Werkzeuge bereitstellen, um diese Fähigkeiten schrittweise durch positive und negative Erfahrungen aufzubauen. Adam wies auch darauf hin, dass viele psychische Probleme dadurch entstehen können, dass Menschen mit Diabetes unter Druck gesetzt werden, weil ihr „Diabetes angeblich unter Kontrolle sein sollte“. Die Verfügbarkeit von Insulinpumpen und CGM vermitteln die „Illusion“ von Kontrolle, während eine echte „Kontrolle“ über den Glucoseverlauf eines Menschen nicht realistisch ist. Man sollte sich grundsätzlich von dem Mythos verabschieden, dass Diabetes „kontrolliert“ werden kann. Sein Plädoyer war deshalb, dass Diabetes-Technologie einen komplexeren, einfühlsameren Ansatz verfolgen sollte, um Menschen mit Diabetes dabei zu helfen, die notwendigen Fähigkeiten zu erlernen, ohne ihre psychische Gesundheit zu verschlechtern.
Interessant war die kritische Präsentation und Diskussion zu der Rolle von einmal wöchentlich zu verabreichenden Insulinen. Robert Thomas von der Universität in San Diego reflektierte dazu, wie diese neuen Insuline einzigartige Vorteile, aber auch unterschiedliche Risiken mit sich bringen. Awiqli von Novo Nordisk weist eine Halbwertszeit von 7,3 Tagen und Insulin Efsitora Alfa von Lilly eine von bis zu 17 Tagen auf. Diese langen Wirkdauern der Insuline helfen bei der Abdeckung des basalen Insulinbedarfs, erhöhen aber auch das Risiko von Hypoglykämien bei einer Überdosierung. In einem solchen Fall wäre das Risiko nicht nur für Tage, sondern für bis zu mehrere Wochen erhöht. Bei einer Sitzung der Zulassungsbehörden in den USA zu Awiqli im Mai dieses Jahres wurde das bei einer klinischen Studie (ONWARDS 6) beobachtete erhöhte Risiko von Hypoglykämien bei Patienten mit Typ-1-Diabetes als so hoch eingestuft, dass es die Vorteile bei der Verbesserung der Glucosekontrolle und der Lebensqualität überwiegt. Der Redner betonte, dass Insulin nicht bei allen Patienten gleich wirkt und dass, wie bei inhaliertem Insulin, einmal wöchentlich verabreichtes Insulin wirksam sein kann, wenn es von der richtigen Patientengruppe verwendet wird. So kann es besonders für Patienten von Vorteil sein, die ein erhöhtes Risiko für diabetische Ketoazidosen (DKA) aufweisen sowie für Patienten mit Behinderungen und falls deren Lebensstil die Nutzung von AID-Systemen erschwert, z.B. in bestimmten Berufen. Thomas betonte, dass diese Therapien gut erforscht und entwickelt werden sollten, um den Bevölkerungsgruppen zu dienen, für die sie geeignet sind. Wenn einmal wöchentlich verabreichtes Insulin das DKA-Risiko senkt, kann dies dabei helfen, Therapieoptionen wie SGLT-2-Inhibitoren für entsprechende Patienten zu nutzen.
Fazit: Auf die Frage nach den Auswirkungen hormoneller Veränderungen auf den Insulinbedarf bei Frauen im Rahmen ihres Zyklus antwortete der Redner, dass diese hormonelle Variabilität in zukünftigen Forschungsstudien berücksichtigt werden sollte. Variablen wie Schlafstörungen und Menstruationszyklen zeigen, warum nur 50% des Insulins langwirkend sein sollte, da es Situationen geben kann, bei denen im Laufe einer Woche Dosisänderungen vorgenommen werden müssen.
Für Patienten mit Typ-1-Diabetes die an Verbesserungen ihrer Therapie interessiert sind und selbst an neuen Konzepten „schrauben“, ist dies ein spannendes Meeting, bei dem sie viele Gleichgesinnte treffen können.
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