Um diese Frage zu beantworten, wurde eine Literatursuche durchgeführt, die randomisierte und kontrollierte Studien identifizierte, bei denen entweder CSII verglichen wurde mit einer multiplen Applikation von Insulin mit Spritze oder Pen (MDI) – oder CGM mit Selbstmessung der Blutglucosekonzentration (SMBG) bei erwachsenen Patienten mit Typ-1-Diabetes. Aus den gefundenen Studien wurde in einem aufwändigen Prozess die gewünschten Daten extrahiert und analysiert, um den individuellen und den Gesamtbehandlungseffekt berechnen zu können. Hier die Ergebnisse:
Die Nutzung eines CGM-Systems ist im Vergleich mit SMBG mit einer signifikanten Verbesserung in der Glucosekontrolle assoziiert [Cohen‘s d -0,62 (95% Konfidenzintervall (CI) -0,79 bis -0,45)], dies gilt allerdings auch für den Vergleich von CSII mit MDI [-0,44 (95% CI -0,67 bis -0,22)]. Das Auftreten von schweren Hypoglykämien wird durch CGM im Vergleich mit SMBG ebenfalls signifikant reduziert, dies gilt allerdings nicht für CSII im Vergleich zu MDI. Das Risiko für das Auftreten von diabetischen Ketoazidosen ist höher bei Verwendung von CSII im Vergleich zu MDI. Sowohl die Nutzung von CSII wie auch die von CGM reduzieren die Standardabweichung der Glucosekonzentration, d.h. die Höhe der Schwankungsbreite der Glykämie im Vergleich zu MDI und SMBG.
Diese Analyse zeigt, dass sowohl CGM wie auch CSII Interventionen sind, die den Nutzern klare Vorteile bringen im Vergleich zu den „konventionellen” Ansätzen SMBG und MDI. Dabei sind diese Aussagen auf die Patientengruppe und den Zusammenhang beschränkt, in dem sie untersucht wurden. Die Autoren folgern aus den Daten, dass die Nutzung eines CGM-Systems einen größeren positiven Effekt auf die glykämische Variabilität und das reduzierte Auftreten von schweren Hypoglykämien haben kann als CSII, wenn diese zu MDI und SMBG hinzugefügt wird, regen aber die Durchführung einer Kopf-an-Kopf-Studie an, welche – unter Einbeziehung von Patient Reported Outcomes (PROs) – diese Ergebnisse weiter beleuchtet.
Fazit: Ein ernsthaftes Problem solcher Auswertungen ist, dass hier Studien, die im Kontext von recht unterschiedlichen Gesundheitssystemen durchgeführt werden (bei denen es wichtige Unterschiede gibt, s.u.), zusammengefasst werden. Dies läuft der generellen Fragestellung zwar nicht zuwider, weshalb diese Auswertung als ausgesprochen hilfreich zu sehen ist, muss aber bei der Interpretation der Ergebnisse bedacht werden. Eine weitere und in diesem Zusammengang ausgesprochen kritische Frage ist die nach der Schulung der Patienten. Bei dem hier verfolgten Ansatz wird davon ausgegangen, es reicht nur ein Gerät dem Patienten anzuhängen und nicht wie und mit welcher Vorgehensweise dieser sein Therapieziel erreicht, deshalb hat der Aspekt der Schulung in dieser Analyse keine Rolle gespielt. Dabei sollte doch diese Frage im Vordergrund stehen, d.h. die Entscheidung welches der beiden Systeme zuerst verendet wird, durch eine gemeinsame Entscheidung des Nutzers mit seinem Therapeuten erfolgen.
Interessant ist auch die Frage, was die medizinischen Fachgesellschaften empfehlen, hier also die DDG? Die Praxisempfehlungen der DDG, die sich auf das Glucosemonitoring beziehen (es gibt keine entsprechende für Insulinpumpen), machen keine Aussagen zum therapeutischen Einsatz. Die evidenzbasierte Leitlinie für die Therapie von Patienten mit Typ-1-Diabetes, die erst vor relativ kurzer Zeit aktualisiert wurde, aber bedingt durch den dabei verfolgten Ansatz zur Berücksichtigung der Literatur, der aktuellen Kenntnislage immer um einige Jahre hinterherhinkt, sagt auch eher wenig in der einen oder anderen Richtung aus.
Der Blickwinkel von Kostenträgern in Deutschland kann ein deutlich anderer sein. Hier stehen die Kosten im Vordergrund: „Wir haben doch schon die Kosten für das Eine übernommen, warum sollen wir nun auch die für das Andere tragen? Zeigen Sie uns doch erstmal, welche Vorteile dies für Sie bringt…“.
In einem gewissen Ausmaß ist die ganze hier behandelte Fragestellung aber bereits überholt, denn die Systeme zur automatisierten Insulindosierung (AID) nutzen ja sowohl ein CGM-System wie auch eine Insulinpumpe in Kombination mit einem entsprechenden Algorithmus. Auch für die optimale und sichere Nutzung von AID-Systemen ist eine Schulung notwendig, auch wenn dies auf den ersten Blick (unter anderem mancher Hersteller) als nicht mehr notwendig erscheinen mag.
Wenn Sie die Diskussion in eine andere Richtung, auf ein anderes Niveau heben wollen, dann könnte man auch die Frage stellen: Sollte jeder Patient Zugang zu solchen technischen Therapieoptionen bekommen? Oder nur diejenigen, die nachweislich sinnvoll damit umgehen können, weil sie bereits eine gute oder zumindest akzeptable Glucosekontrolle erreicht haben? Oder diejenigen, die eine schlechte Glucosekontrolle aufweisen, bei denen der Einsatz solcher Medizinprodukte dann die größte Verbesserung bewirken kann? Was kann und soll sich unser Gesundheitssystem leisten? Alles für alle? Die starke Zunahme der Kosten führt schon jetzt zu einer Blockadehaltung der Krankenkassen bei der Genehmigung von solchen Medizinprodukten, daher ist dies eine hochrelevante Diskussion zu solchen Fragestellungen!
DiaTec weekly – September 24, 21
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