hier sind wir wieder und melden uns zurück von einem spannenden Meeting zum Thema Diabetes-Technologie in San Francisco und einer anschließenden wunderschönen Fahrt durch die sagenhaften Landschaften im Westen der Vereinigten Staaten.
Aber wohin man hier auch blickt, alles wird beherrscht durch die nun anstehende Wahl für die nächste Präsidentschaft. Prognosen übertreffen sich täglich mit ihren Vorhersagen, ob es „He“ oder „She“ sein wird, der oder die in den nächsten vier Jahren die Geschicke des Landes bestimmen werden und die entsprechenden Begründungen dazu machen sprachlos: „Er“ kann sich nahezu alles leisten, was außerhalb normaler moralischer Zumutbarkeiten liegt, schließlich kennt man ihn ja und erwartet nichts anderes von ihm, während bei „Ihr“ Zweifel aufkommen, ob sie das Zeug dazu hat, über die richtigen Strategien verfügt, es überhaupt kann. Schließlich hätte sie doch alles auch schon in den vier Jahren ihrer Vizepräsidentschaft erledigen können, oder?
Mit Zweifel in der Politik leben wir. Vorbei die Zeiten des uneingeschränkten Vertrauens in unsere Würdenträger, bei denen wir einfach davon ausgegangen sind, dass sie die nötigen Utensilien für die Reise in die Zukunft schon kennen würden. Heute (ver-)zweifeln viele von uns, an der Welt und an sich selbst. Wir wählen lieber das, was wir kennen, als eine unsichere Entscheidung zu treffen, hierin liegt auch einer der Trümpfe Trumps.
Fast noch mehr Aufmerksamkeit erhält aktuell aber jemand, der gar nicht zur Wahl steht, sich aber intensiv für einen der Kandidaten einsetzt und man fragt sich unweigerlich: Warum eigentlich? Elon Musk, Ingenieur, Investor, Milliardär und Nerd, Unternehmer und sicherlich eine der schillerndsten Persönlichkeiten unserer Zeit, tut quasi alles dafür, dass Trump der nächste Präsident der USA wird. Er nutzt dazu hemmungslos seine Social Media-Kanäle und gibt eine Menge Geld aus, 1 Mio. Dollar am Tag für Menschen, die eine Petition unterschreiben. Gut, er kann sich das auch leisten.
Musk scheint alles Mögliche zu sein, eines ist er sicher nicht: Ein Zweifler. Musk handelt – und das quasi ununterbrochen. Als unermüdlicher Visionär treibt er Technologien voran, um eine nachhaltige und fortschrittliche Zukunft zu gestalten. Mit SpaceX hat er im Alleingang ein Raketenprogramm aufgebaut, um den Weltraum zu erkunden – nicht mal die NASA hat das geschafft. Als die Welt noch über den Sinn von E-Mobilität diskutiert hat, brachte er Tesla auf den Markt und mit SolarCity will er die Energiewende fördern. Mit „Neuralink“ und „The Boring Company“ zeigt er uns, wie Technologien unser tägliches Leben verändern und von seinem Internet-Satellitenprogramm Starlink profitieren nicht nur die Ukrainer seit dem russischen Überfall, sondern seit Neustem auch wir, wenn wir in den Parks unterwegs sind und nun Empfang im Van haben.
Elon Musk und seine Projekte haben einen enormen Einfluss auf die Art und Weise, wie wir über die Zukunft der Menschheit denken, sei es auf der Erde oder darüber hinaus. Er entwickelt Produkte, die so faszinierend sind, dass jederfrau sie haben will, auch wenn sie das vorher noch gar nicht wusste. Für die Umsetzung seiner Ideen beschäftigt er die Besten ihrer Zunft und lässt sich von Rückschlägen nicht entmutigen. Nun engagiert er sich also politisch für mehr unternehmerische Freiheit und weniger staatliche Regulierung. Musk will Bedingungen schaffen, in denen Unternehmer schneller agieren und neue Technologien vorantreiben können, ohne in komplexe Genehmigungsprozesse verwickelt zu werden. Genau das scheint ihm Trump zu garantieren.
Ist so jemand nicht gefährlich? fragt der Zweifler in uns. Ein Mann, der womöglich das Potential hat, die Welt so zu verändern, dass wir sie am Ende nicht mehr wiedererkennen? Man muss ihn nicht mögen, aber man sollte ihn fürchten, denn noch ist nicht klar, wohin das alles führen wird. Hat Technologie tatsächlich das Potential, die Probleme unserer Zeit zu lösen – oder schafft sie nur neue Probleme? Ist es an der Zeit, zu handeln – oder zu zweifeln?
Fragen wir mal, was Nietzsche dazu meinte: „Wenn ihr handeln wollt, müsst ihr die Tür zum Zweifel verschließen.“ Soso. Handeln setzt aber Selbstbewusstsein voraus und den unerschütterlichen Glauben daran, dass die Richtung, die wir einschlagen wollen, auch die richtige ist, vor allem, wenn wir das Ergebnis noch nicht überblicken können. Gleichzeitig kann Zweifeln durchaus wertvoll sein, um kritisch zu denken, Alternativen zu prüfen und neue Perspektiven zu gewinnen. Zweifeln schützt uns davor, vorschnelle Entscheidungen zu treffen und Irrtümern zu unterliegen. Wenn wir aber beides wollen, handeln und gleichzeitig zweifeln, sind wir gelähmt, fühlen uns verunsichert und verlieren das Ziel aus dem Auge. Der Zweifel wird zur Blockade unseres Handelns, eine Situation, die uns allen zurzeit aus unserem politischen Alltag recht vertraut vorkommen dürfte und sicher Teil der aktuellen Schockstarre ist.
Trotzdem stehen wir besonders in Extremsituationen immer wieder an der Schwelle zwischen Handeln und Zweifeln. Der Moment der Entscheidung verlangt, alle Bedenken zur Seite zu schieben und die Konsequenzen zu akzeptieren, eine beachtliche Herausforderung in unserer heutigen Gesellschaft, die Fehler hart verurteilt und auf Perfektion fixiert ist. Fehler machen gehört aber zum Prozess des Lernens und Wachsens dazu.
Nietzsches Aufforderung, die Tür zum Zweifel zu schließen, ist deshalb auch kein Plädoyer für blindes Handeln, sondern als Mahnung zur Klarheit und Entschiedenheit zu verstehen. Zweifeln ist und bleibt wichtig, solange er nicht dominiert und das Handeln unterbindet. In diesem Sinne ist Zweifel durchaus angebracht, um die Welt nicht den Spielern zu überlassen.
Nächste Woche entscheiden die Amerikaner, ob sie ihr Land den gnadenlos Handelnden überlassen wollen – oder doch lieber denjenigen mit angebrachtem Zweifel im Herzen. Wir machen aus unseren Herzen keine Mördergrube und drücken sehr deutlich die Daumen für „Sie“
Bevor wir nun zu den Themen der Woche kommen, möchten wir Sie herzlich zur diesjährigen Umfrage des dt-report einladen. Der dt-report ist mehr als nur eine Umfrage, sondern vielmehr eine wesentliche Informationsquelle zu Diabetes-Technologie für Politik, Gesundheitsdienstleister und Unternehmen, die sich der Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Diabetes verschrieben haben. Die Teilnahme an der Umfrage ermöglicht es, Einfluss auf die zukünftige politische Agenda zu nehmen sowie die Forschungsschwerpunkte von Unternehmen mitzugestalten. Die Umfrage findet im Zeitraum vom 1.November bis 15.Dezember statt. Hier die beiden Links für Diabetes-Teams und Menschen mit Diabetes:
Nun zu den Themen der Woche. Wir starten mit einem ausführlichen Bericht über das diesjährige Diabetes Technology Meeting in San Francisco mit drei einzelnen Beiträgen und haben neue Ergebnisse zur Frage des Monats. Auf geht’s!
Erstmals seit dem Ende der Pandemie fand das amerikanische Diabetes-Technologie Meeting wieder als Präsenzveranstaltung in der Bay Area südlich von San Francisco statt. DTM, so das Kürzel, ist eine Konferenz für Spezialisten aus Akademie und Firmen und zog Teilnehmer aus dem nordamerikanischen Kontinents ebenso an wie solche aus Europa und Asien. Interessanterweise waren auch Vertreter der großen Tech-Companies vertreten, die residieren aber auch rund um die Bay herum. Deren Interesse am Thema Diabetes scheint jedenfalls offensichtlich und auch wenn sich noch niemand sich konkret dazu äußerte, was man dort vorbereitet, wir dürfen sicher gespannt sein:
News vom DTM in San Francisco
Es war ein weiter Bogen, den David Klonoff bei seinem bereits 24. Diabetes Technology Meeting gespannt hat und er hat sicher damit ein weiteres Mal den richtigen Riecher bewiesen, denn in den vergangenen zwei Dekaden gab es eindrucksvolle Entwicklungen in der Diabetes-Technologie. Neben zahlreichen innovativen Projekten wurde aus unterschiedlichen Perspektiven vorgestellt, wie der Einsatz von Technologien die Diabetesversorgung transformieren kann mit dem Ziel, das Management individueller Gesundheitsdaten effizienter zu gestalten und gleichzeitig die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Aaron Kowalski, charismatischer CEO der amerikanischen Stiftung Breakthrough T1D (ehemals JDRF) eröffnete den ersten Tag des DTM mit einem Überblick zu aktuellen Forschungsprojekten, die von dieser Stiftung gefördert werden. Ganz vorne mit dabei:
Zelltherapien mit Immunsuppression
Die amerikanische Stiftung „Breakthrough T1D (ehemals JDRF)“ hat reichlich Geld und das erklärte Ziel, mit einer Vielzahl von Forschungsprojekten Durchbrüche bei Typ-1-Diabetes zu beschleunigen. Dr. Aaron Kowalski zeigte beim DTM aktuelle Forschungsinitiativen in drei Bereichen: Prävention, bessere Behandlungsmöglichkeiten und Heilung von Diabetes. Besonders Letzteres scheint durch hochmoderne Zelltherapien und aus Stammzellen gewonnene Inselzellen wieder wahrscheinlicher geworden zu sein. Diese Ansätze haben das Potenzial, auch bei Patienten mit manifestem Typ-1-Diabetes wieder einen normalen Glucosespiegel herzustellen. Nichtsdestoweniger bleibt die Notwendigkeit einer chronischen Immunsuppression herausfordernd.
Ein Megathema beim DTM war natürlich Künstliche Intelligenz, die erfolgreich bei Prädiabetes eingesetzt werden könnte. Die Vorhersagemodelle sind ziemlich genau, werden aber (noch) nicht eingesetzt, weil es Herausforderungen bei der Implementierung und Regulierung gibt:
KI bei Prädiabetes
Dr. Nestoras Mathioudakis von der Johns Hopkins University zeigte einen Überblick über KI-Anwendungen bei Menschen mit Prädiabetes. Die Vorhersagemodelle für Prädiabetes (n=42) und Typ-2-Diabetes (n=28) waren ziemlich genau, insbesondere lag der durchschnittliche C-Wert für diagnostische Modelle zur Vorhersage von Prädiabetes bei 0,8 und der durchschnittliche C-Wert für prognostische Modelle bei 0,74.
Können wir bei den schnellen technologischen Entwicklungen noch die ausschließliche Idee des Goldstandards randomisierter kontrollierter Studien (RCTs) aufrechterhalten? RCTs sind teuer, zeitintensiv, kompliziert in der Durchführung und exklusiv. Patienten mit Diabetes leben aber in der wirklichen Welt, mit wirklichen Problemen und wirklichen Tagesabläufen.
Diese Patienten sammeln bereits mit Hilfe von AID- und CGM-Systemen sehr viele Daten, die genutzt werden könnten, um Evidenz nachzuweisen (oder auch nicht) und somit eine schnellere und sichere Forschung zu ermöglichen und um innovative Produkte rascher und effektiver zu ermöglichen. Prof. Julia Mader aus Graz, Austria, hielt ein spannendes
Plädoyer für Real World Studien (RWD).
RWD sind gerechter, bilden besser die Wirklichkeit ab und ermöglichen Zugriff auf Daten von jedem, der Zugang erhält. Sie helfen in der Schulung des Schulungspersonals, zeigen die Schwächen von Produkten beim Einsatz in der Nutzung durch Patienten auf und tragen dazu bei, die klinische Versorgung zu verbessern, so Julia Mader. Sie wies in ihrem viel beachteten Vortrag auf die Einschränkungen von RCTs hin, die sich insbesondere bei speziellen Populationen immer wieder stellen, z.B. bei der Berücksichtigung der Bedürfnisse von Schwangeren, Kindern oder älteren Patienten mit mehreren Komorbiditäten. Diese Nutzergruppen werden meistens nicht in RCTs eingeschlossen. RCTs sind zwar der Goldstandard, lassen aber häufig genug die Komplexitäten der realen Welt außer Acht, was zu einer Lücke in den Belegen für diese Populationen führt.
Es gibt aktuelle Ergebnisse zur Frage des Monats von dia·link, die sich aktuellen politischen, versorgungs- oder behandlungsbezogenen Diabetesthemen widmet. Wie die dia·link-Community die jeweilige Frage beantwortet hat, können Sie jeweils im Folgemonat in Ihrem Newsbereich einsehen. Hier kommen die Ergebnisse zur:
Frage des Monats September
Seit dem 1. Januar 2021 besteht für jede in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Person ein Anspruch auf die elektronische Patientenakte (ePA). Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hat die Einführung einer ergänzenden elektronischen Patientenakte für Diabetespatienten (eDA) initiiert. Diese Maßnahme zielt darauf ab, das Krankheitsbild des Diabetes mellitus in adäquater Weise abzubilden.
Zum Schluss noch wie immer das Letzte
Seit Sommer läuft eine Informationskampagne der Krankenkassen, um alle Versicherten schriftlich auf die Einführung der ePA hinzuweisen. Am 15. Januar 2025 ist es in zunächst ausgewählten Regionen der Fall, ab Mitte Februar dann deutschlandweit. Wer die ePA nicht will, kann Widerspruch einlegen – und der ist bislang recht gering ausgefallen. Die Techniker meldet eine Widerspruchsrate im niedrigen einstelligen Prozentbereich, die Barmer spricht von nur wenigen Widersprüchen und die DAK nennt eine Widerspruchsrate von 1%.
Es gibt sie also kaum, die befürchteten Vorbehalte der Versicherten in Deutschland gegen eine Patientenakte, die Gesundheitsdaten wie Diagnosen, Laborbefunde und Medikationspläne speichert, Doppeluntersuchungen verringert und Wechselwirkungen von Medikamenten frühzeitig erkennt und so einen schnellen Zugang für berechtigte Gesundheitsdienstleister ermöglicht.
Worüber wurde dann eigentlich jahrelang diskutiert? Anders gefragt, wo genau lagen die Hürden und Bedenken, die zu einer mehr als 20-jährigen Verzögerung geführt haben? Erste Diskussionen gab es bereits 2003 im Rahmen des damaligen „Gesundheitsmodernisierungsgesetzes“, das damals eine der ersten Maßnahmen sein sollte, um das deutsche Gesundheitssystem digital zu vernetzen. Ab 2015 erfolgten erste kleine Pilotprojekte mit dem Aufbau der Telematikinfrastruktur und das E-Health-Gesetz legte schließlich die Basis für konkrete Anwendungen, z.B. Notfalldatenmanagement und Medikationsplan. Die ePA blieb jedoch weiterhin freiwillig und optional, was dazu führte, dass nur wenige Versicherte sie nutzten. Das blieb auch im Januar 2021 so, als die ePA offiziell an den Start ging, aber nach wie vor eine freiwillige Option für alle gesetzlich Versicherten blieb. Als nur wenige Versicherte eine ePA beantragt haben, wurde das mangelnde Interesse auf Datenschutzbedenken zurückgeführt.
Das scheint aber nun beileibe nicht der Fall zu sein, sonst hätten ja wohl deutlich mehr Versicherte Widerspruch eingelegt. Im Gegenteil zeigt die Geschichte der ePA die Herausforderungen, vor denen das deutsche Gesundheitssystem bei der Digitalisierung stand und immer noch steht. Die Menschen in Deutschland zeigen jedenfalls eindrucksvoll, dass Ihnen eine gute Informationsstruktur in den verschiedenen Sektoren im Gesundheitswesen wichtiger ist als die ewigen datenschutzrechtlichen Bedenken. Natürlich bleibt eine solide digitale Infrastruktur wichtig, das sollte auch nach der verpflichtenden Einführung weiter diskutiert werden. Aber gut ist doch, dass sie endlich kommt und hoffentlich weitere Türen öffnet für eine digitale Transformation im Gesundheitswesen. Schließlich wollen wir alle doch auch in Zukunft noch eine gute Versorgung gesichert wissen, nicht wahr?
Das wars für heute. Wir hoffen, Ihnen hat der weekly gefallen, schreiben Sie uns gerne. Nun ist schon November und mit Riesenschritten kommt die Weihnachtszeit auf uns zu. Wir werden hier nächste Woche zittern und bangen und rund um die Uhr CNN schauen und die Auszählungen verfolgen. Drücken Sie bitte mit uns sämtliche Daumen.
Ein schönes Wochenende wünschen
Dieser Artikel erscheint als Teil des wöchentlichen Letters zu hochaktuellen Entwicklungen im Bereich Diabetes Technologie. Nutzen Sie das nebenstehende Formular um sich für den diatec weekly Newsletter anzumelden!
Mit freundlichen Grüßen