Die Zeit außerhalb des TiR (70-180 mg/dl) reflektiert primär die Zeit in einer Hyperglykämie, d.h. ein Patient mit einem HbA1c von 8,0% und einer TiR von 50% hat über 47% des Tages eine Glykämie oberhalb von 180 mg/dl auf und nur 3% unterhalb von 70 mg/dl. Die Korrelation der TiR mit anderen CGM-Parametern, aber auch dem HbA1c ist wie zu erwarten hoch. Beck zeigte hierzu verschiedene Graphiken, die diese Beziehung belegen. Die Beziehung zwischen der TiR und dem HbA1c wird deutlich enger, wenn die individuellen Glykolisierungsraten berücksichtigt werden. Vom HbA1c ist ja seit den Tagen der DCCT-Studie (sie wurde im September 1993 im New England Journal of Medicine publiziert) bekannt, wie das Risiko von Retinopathie, Nephropathie und Neuropathie mit einer schlechteren Glucosekontrolle ansteigt. Die Frage ist nun, ist die Beziehung zwischen der TiR und solchen Komplikationen auch so eng wie beim HbA1c?
Der Redner selbst hat zu dieser Frage in einer Reihe von Publikationen Position bezogen, auch durch Auswertung von Blutglucosemesswerten aus der DCCT-Studie. Demnach steigt das Risiko einer Retinopathie deutlich an, je niedriger die TiR ist, die Beziehung ist recht gut vergleichbar mit der beim HbA1c. Ein im Sommer dieses Jahrs veröffentlichter Übersichtsartikel fasst die Ergebnisse verschiedener „Validierungsstudien“ zu der Korrelation des TiR mit den Komplikationen zusammen, wobei diese Studien eben überwiegend Querschnittsstudien sind und keine Langzeitstudien. Viele dieser Auswertungen von recht großen Patientenpopulationen stammen aus China. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse argumentierte der Redner, dass die aktuellen Daten ausreichen, um den TiR als klinisch relevanten Parameter im Zusammenhang mit Diabeteskomplikationen zu betrachten, obwohl es keine gezielte Langzeitstudie dazu gibt – und vermutlich auch nie geben wird.
Er stützte seine Betrachtungsweise weniger auf Daten, die die TiR direkt mit langfristigen Ergebnissen bei den Komplikationen in Verbindung bringen, sondern auf die enge Korrelation zwischen der TiR und dem HbA1c-Wert sowie der Assoziation zwischen dem HbA1c-Wert und den Diabeteskomplikationen. Wenn A (die Zeit im Zielbereich, TiR) mit B (HbA1c) assoziiert ist und B (HbA1c) mit C (Diabeteskomplikationen), dann ist A (TiR) auch mit C (Diabeteskomplikationen) assoziiert. Basierend auf dieser Logik ist die TiR ein klinisch sinnvoller Parameter.
Fazit: In der anschließenden Diskussion unterstützten andere Teilnehmer diese Betrachtungsweise und argumentierten, dass die aktuellen Daten ausreichen, um die Verwendung von TiR in der klinischen Praxis, bei regulatorischen Aspekten und in klinischen Studien zu rechtfertigen. Ein erheblicher Pferdefuß stellt hierbei die nicht gegebene Vergleichbarkeit der Messergebnisse verschiedener CGM-Systeme dar. Solange allein durch den Wechsel von einem Hersteller zu einem Anderen, klinisch relevante Unterschiede in der ermittelten TiR (und anderen CGM-Parametern) gibt, gibt es hier noch klaren Diskussionsbedarf. Die angestrebte Standardisierung bei der Beurteilung von CGM-Messsystemen ist leider noch nicht in der Praxis angekommen.
DiaTec weekly – Dezember 3, 21
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