Aktuell hat Medtronic, ein großer und weltweit agierender Medizinproduktehersteller mit diversen Geschäftsbereichen, überraschend bekannt gegeben, seine Diabetes-Sparte in ein eigenständiges, börsennotiertes Unternehmen auszugliedern. Medtronic (früher Minimed) weist ja ein bereits mehr als 40-jähriges Engagement für diesen Therapiebereich auf und hat mit Beginn des 21. Jahrhunderts das erste CGM-System auf den Markt gebracht. Was sind die Gründe für die Ausgliederung nach mehr als zwanzig Jahren?
Die Pressemitteilung drückt die Hoffnung aus, dass die Ausgliederung dazu führen soll, Innovationen schneller zu entwickeln und damit das Leben von Menschen mit Diabetes weiter verbessern und gleichzeitig die Belastung durch das Diabetesmanagement zu reduzieren – die übliche Argumentation also. Aber die Entscheidung basiert wie fast immer wohl auf mehreren strategischen Überlegungen:
Medtronic will sich verstärkt auf seine margenstarken Geschäftsbereiche Herz-Kreislauf-Technologien, Neurochirurgie und minimalinvasive Chirurgie konzentrieren. Die Diabetes-Sparte erzielte im Geschäftsjahr 2025 zwar einen Umsatz von 2,76 Milliarden US-Dollar, was einem Wachstum von 10,7 % gegenüber dem Vorjahr entspricht, trug jedoch nur 4% zum operativen Gewinn bei. Durch die Abspaltung erwartet Medtronic eine Verbesserung der Brutto- und operativen Margen sowie des Gewinns pro Aktie, für den US-Markt immer ein gewichtiges Argument.
Auch die unterschiedlichen Geschäftsbereiche spielen eine Rolle, denn der Diabetes-Bereich unterscheidet sich in seiner Ausrichtung vom restlichen Unternehmen: Während Medtronic traditionell auf den Verkauf an Krankenhäuser und Kliniken fokussiert ist, richtet sich das Diabetes-Geschäft direkt an Endverbraucher, also Patienten und Ärzte. Diese Unterschiede in Vertrieb, Kundenbetreuung und Innovationszyklen erschweren Synergien mit den anderen Unternehmensbereichen.
Nach mehreren Jahren regulatorischer Herausforderungen, darunter eine FDA-Warnung im Jahr 2021 und Verzögerungen bei der Zulassung neuer Produkte, hat sich der Diabetes-Bereich erholt. Mit sechs aufeinanderfolgenden Quartalen mit zweistelligem Wachstum und einer robusten Produktpipeline sieht Medtronic nun den richtigen Zeitpunkt für die Verselbstständigung gekommen, insbesondere, um im stark umkämpften Markt für Diabetes-Technologie mit seinen Wettbewerbern Insulet, Dexcom und Abbott mithalten zu können. Als eigenständiges Unternehmen kann die neue Diabetes-Firma agiler auf Marktveränderungen reagieren, gezielter investieren und strategische Partnerschaften eingehen, wie beispielsweise die Zusammenarbeit mit Abbott zur Entwicklung eines neuen Glucosesensors.
Insgesamt zielt die Ausgliederung darauf ab, beiden Unternehmen – dem verbleibenden Medtronic und der neuen Diabetes-Firma – bessere Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Für Verschreiber und Nutzer soll sich nichts ändern, denn sämtliche Anlaufstellen, Prozesse und Kommunikationskanäle bleiben gleich. Die Trennung soll innerhalb der nächsten 18 Monate durchgeführt werden. Der Geschäftsführer der bisherigen „Business Unit“, Que Dallara, soll dann auch die Geschicke der neuen Firma leiten. Dallara geht von einer jährlichen Markteinführung eines wichtigen neuen Produktes aus.
Fazit: Schaut man sich die Entwicklung bei den CGM-Systemen in den letzten 25 Jahren an, wird deutlich, dass der frühere Marktführer längst überholt wurde von Firmen wie Abbott und Dexcom. Auch bei den Insulinpumpen haben sich andere Firmen wie Tandem und Insulet gut positionieren können. Ob diese Ausgliederung dem Geschäftsmodell von Medtronic Diabetes – oder wie immer der Name dieser Firma in Zukunft sein wird – einen entscheidenden Kick geben kann, bleibt abzuwarten.
Der angekündigte Schritt erinnert an die Ausgliederung von embecta von Becton Dickinson im Jahr 2022, was bisher jedenfalls keine richtige Erfolgsgeschichte geworden ist. Da das neue Diabetes-Unternehmen kleiner und vermutlich agiler agieren kann als bisher im Gesamtkonzern, könnte es flexibler sein darin, Strategien schneller und effizienter umzusetzen, wie z.B. die Zusammenarbeit mit Abbott bei CGM-Systemen. Es wird daher interessant sein zu beobachten, ob es zu einer Verlagerung hin zu risikofreudigeren Innovationen im Bereich der Diabetes-Technologie kommen wird. Wir werden uns das anschauen und berichten.
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