Die Idee hinter glucosesensitiven Insulinen ist, dass Insulin automatisch freigesetzt wird, wenn die Blutglucosekonzentration bei Patienten mit Diabetes ansteigt und die Freisetzung gestoppt wird, wenn die Glucosekonzentration wieder auf normale Werte absinkt, z.B. als Folge der vorhergehenden Insulinfreisetzung. Der Nutzer ist damit sowohl vor Hyper- als auch vor Hypoglykämien geschützt – ohne die ständige psychische Belastung, den Glucoseverlauf überwachen zu müssen. Diese Idee, die ja bestechend attraktiv ist, ist auch nicht neu, es gibt bereits diverse Patente dazu. Nichtsdestoweniger ist eine Umsetzung in ein einsetzbares Produkt trotz vielfältiger Bemühungen bislang nicht geglückt, denn: Der Teufel steckt wie immer auch hier im Detail.
Novo scheint mit seinem Projekt, welches sich bereits in Phase I der klinischen Entwicklung befindet, etwas voraus zu sein. Der dänische Konzern hat bereits im Jahr 2018 die Firma Zivlo übernommen, ein in Bristol ansässiges Biotech-Unternehmen, das sich auf glukosebindende Moleküle konzentriert. Lilly hatte bisher kein Smart Insulin in der klinischen Entwicklung und scheint diese Lücke aber nun durch die Übernahme von Protomer schließen zu wollen. Die Entwicklungsarbeit von Promotor wurde langjährig durch die amerikanische Patientenorganisation JDRF unterstützt. Der Vorteil für Promoter ist, dass Lilly die Ressourcen und das Know-How hat, um solch eine Entwicklung durch den klinischen Entwicklungsprozess zu bringen und zu einem zugelassenen Produkt zu machen.
Promoter, ein in Pasadena, USA, ansässiges Biotech-Unternehmen, entwickelt Peptid- und Proteintherapeutika der nächsten Generation, die molekulare Aktivatoren im Körper erkennen und darauf reagieren können. Diese Firma hat für Aufsehen gesorgt, als es den „Diabetes Innovation Challenge Preis 2018“ für seine Arbeit an einem glucosereaktiven Insulin gewann. Auf ihrer Website zeigt Protomer eine Welt, in der Diabetes-Patienten eine exzellente Glucosekontrolle haben, ohne die ständige Überwachung von externen Geräten.
Smart Insulin wird auch als die „nächste Grenze“ bezeichnet, was darauf hindeutet, dass diese Akquisition ein wichtiger Bestandteil der Entwicklungspipeline von neuen Medikamenten bei Lilly werden könnte. Dabei hat Lilly schon im Jahr 2016 die Firma Glycostasis gekauft, ebenfalls ein Start-up-Unternehmen, welches an einem bidirektionalen, auf Antikörpern basierenden intelligenten Insulin arbeitet. Allerdings listet Lilly keine klinischen Studien mit dieser Technologie auf entsprechenden Seiten im Internet auf.
Smart Insulin ist also ein Feld mit vielen potenziellen Wettbewerbern, aber keinem klaren Spitzenreiter. Bis vor kurzem hatte Merck mit MK-2640 den am weitesten fortgeschrittenen Pipeline-Kandidaten. Eine Phase-1-Studie wurde schon im August 2016 abgeschlossen, aber die Arbeit an diesem Wirkstoff wurde im zweiten Quartal 2017 offenbar eingestellt. Ende 2020 kündigte Novo Nordisk eine erste klinische Phase-1-Studie mit einem Smart Insulin bei 68 Probanden an. Dieser Kandidat, mit der Bezeichnung NNC0363-0845, stammt vermutlich aus der im August 2018 erfolgten Übernahme von Ziylo, Die Studie wurde im Juni 2021 abgeschlossen, die Ergebnisse wurden aber noch nicht auf einem wissenschaftlichen Kongress präsentiert.
Fazit: Es gilt abzuwarten, welcher der beiden Ansätze (oder auch beide), im Endeffekt erfolgreich sein wird. Interessant ist zu sehen, wie die Investition einer Patientenorganisation eine solche Entwicklung vorantreibt, in Deutschland ist dies kaum vorstellbar. Die Idee eines Startups in Kooperation mit einem großen Insulinherstellers könnte hoffentlich perspektivisch neue Therapieoptionen für Patienten mit Diabetes ermöglichen. Neben den genannten gibt es eine Reihe weiterer kleinerer Startup-Unternehmen, bei denen sich Entwicklungen noch in der präklinischen Phase befinden. Trotz dieser positiven Entwicklungen gilt es vorsichtig zu sein. Angesichts der enormen Herausforderungen, die in der Vergangenheit die erfolgreiche Entwicklung von Smart Insulinen nicht haben erfolgreich werden lassen, dazu zählt vor allem das hohe Hypoglykämierisiko. In Anbetracht des Potenzials dieser Entwicklung, die das Leben von Diabetes-Patienten enorm verändern würde, wird dass das erste Unternehmen mit einem erfolgreichen Produkt auf den Markt zweifellos ein „Shooting Star“ werden.
DiaTec weekly – September 10, 21
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