In dem Vortrag zu dem DBGL1-AID-System, das in Zusammenarbeit mit Diabeloop ausgeboten wird, stellte Bernhard Gehr aus Bad Heilbrunn zunächst die technischen Eigenschaften sowie die Handhabung dieses Systems vor (wir haben bereits darüber berichtet) und zeigte, was es an publizierten Daten dazu gibt. Seiner Einschätzung nach geht der Beginn der Nutzung relativ einfach, das System funktioniert quasi aus dem Start heraus gut. Auch funktioniert die Konnektivität der Systemkomponenten untereinander recht zuverlässig. Dieses AID-System lernt ja während der Benutzung dazu und das gute rtCGM-System trägt seinen Teil bei. Das Handset des Systems sieht aus wie Handy, nicht wie Medizingerät, was ein hohes Maß an Diskretion bietet.
Bernhard Gehr zeigte anschließend seine eigenen Glucoseverläufe mit diesem AID-System und seine positiven Kommentare dazu waren beeindruckend. Da ist es wohl zunächst merkwürdig für einen erfahrenen Patienten, die Kontrolle der Insulinzufuhr an solch ein „System“ abzugeben und es dauert einige Tage, um das notwendige Vertrauen aufzubauen: „Fallen lassen in solch eine Lösung“, nannte er das. Die Bedeutung des Diabetologen wird dadurch seiner Einschätzung nach nicht weniger werden, es wird aber sein Aufgabengebiet ändern. Die Entlastung durch das System für die Patienten ist offenbar erheblich und die Frage, wer solch AID-System bekommen solle, drehte er um: Gibt es Patienten, die es nicht nutzen sollen oder können? Passt DBGL1 bei allen Patienten?
Bei der anschließenden Diskussion ging es darum, wann ein solches AID-System von großem Nutzen sein kann, z. B. bei Arbeiten im Schichtbetrieb und unter schwierigen Alltagsbedingungen. Dieses AID-System ist aktuell nur für Nutzer ab 18 Jahren zugelassen, eine Version für Kinder ist aber im Zulassungsverfahren weit gediehen. Gerade bei dieser Nutzergruppe erwartet der Redner große Vorteile, gepaart mit einer deutlichen Entlastung der Eltern, auch durch besseren Schlaf. Bei seinen Patienten haben Jugendliche die höchsten HbA1c-Werte, auch diese Patienten sollten von der Nutzung profitieren. Dieses AID-System kann seit dem 1.3.2021 verordnet werden, wobei zwei Rezepte notwendig sind, eines für das DBGL1 selber und eines für das CGM-System. Sinnvoll ist es, bei den Rezepten auf jeweils das andere zu verweisen.
In ihrem Vortrag zu der Solo-Mikropumpe, die nun auf den Markt kommt, stellte Julia Mader aus Graz zunächst dar, was für einen Drahtseilakt Patienten im Alltag bewältigen müssen. Die Nutzung von Insulinpumpen bringt – unter Bezug auf ältere Studien – eine gewisse Verbesserung beim HbA1c, deutlich weniger Hypoglykämien und schwere Hypoglykämien. Schaut man sich die neuartigen Patchpumpen – und die Solo-Pumpe gehört im Prinzip auch in diese Gruppe – im Vergleich zu konventionellen Insulinpumpen an, weisen diese eine Reihe von Vorteilen auf: Sie sind diskreter, die Gefahr den Schlauch aus Versehen herausziehen entfällt, die Nadel zur Insulininfusion ist nicht sichtbar, es gibt weniger Okklusion, das Training zur Nutzung ist einfacher, was auch für den Wechsel der Setzstellen gilt. Die Vortragende stellte anschließend den Aufbau der Pumpe vor, die sowohl Einwegteile wie auch Teile mit einer Mehrfachverwendung enthält. Eine Bolusabgabe direkt an der Pumpe ist ohne eine Fernbedienung möglich. Die Setzstelle kann bei Wechsel eines Pumpenteils beibehalten werden und es ist auch eine Setzstelle am Arm möglich.
Bei einer Studie, die in vier Ländern in Europa durchgeführt wurde (Polen, UK, Deutschland und Österreich) wurden die Studienteilnehmer in drei Gruppen randomisiert: Eine Gruppe mit Pen-Therapie, eine mit einer anderen Patch-Pumpe (Omnipod) und eine mit dieser Mikropumpe. Die eigentliche Studie wurde von einer Follow-Up-Phase gefolgt. Pro Gruppe nahmen 30 Patienten an der Studie teil, alle hatten vorher noch keine Insulinpumpe genutzt. Als Studienergebnisse zeigte sich eine deutliche Verbesserung der glykämischen Kontrolle und der Lebensqualität, und auch die Anwenderakzeptanz hat sich deutlich verbessert.
Als positive Aspekte dieser Pumpe wären zu nennen: Sie ist klein, diskret, schlauchlos, eine Bedienung ist ohne Fernbedienung möglich und sie ist flexibel abnehmbar. Es gibt aber auch Nachteile: Die Pumpe ist nicht wasserdicht und es gibt (noch) keine Steuerungsoption über ein Smartphone.
Bei der Diskussion wurde auf die hohe Genauigkeit der Insulinabgabe der Pumpe verwiesen, die eine aktuelle Publikation belegt. Durch die Vorteile eines modularen Systems, wie es diese Pumpe darstellt, ergeben sich weniger Insulinverschwendung, ein flexibler Wechsel der Setzstellen, die Kombination mit anderen Systemen ist möglich, z.B. wenn Patienten ein anderes CGM-System nutzen wollen. Die Pumpe ist ab einem Alter von 2 Jahren zugelassen.
Im dritten und letzten Vortrag stellte Stephan Silbermann, Medical Director bei mySugr, die neue App vor, die die Insight-Insulinpumpe von Roche steuert. Unter der Headline „Von der Diabetestagebuch-App zur digitalen Insulinpumpensteuerung“ nahm er die Teilnehmer mit auf eine anschauliche Reise. Für die Entwicklung einer Idee zum optimierten Medizinprodukt wurden Nutzer von Beginn an eng in die Entwicklung eingebunden, um eine bestmögliche Unterstützung im Alltag zu erreichen. Das Ergebnis: die neue mySugr Pumpensteuerung ermöglicht eine einfache und diskrete Fernsteuerung der Insight Insulinpumpe und erleichtert die Bolus-Berechnung deutlich. Die Insulinpumpendaten werden darüber hinaus gemeinsam mit therapierelevanten Informationen wie Blutzuckerwerten und Angaben zu Mahlzeiten übersichtlich in der mySugr App an einem Ort gebündelt, was für einen schnelleren Überblick über den Therapieverlauf bei Behandlern und Patienten sorgt. Die mySugr Pumpensteuerung wird in Kürze verfügbar sein.
Zum Abschluss betonte der Moderator der Pressekonferenz, Michael Kulling von Roche Diabetes Care, dass die Reise noch lange nicht zu Ende ist, sondern weitergeht. Roche will in Deutschland offenbar mehr Aktivität im Diabetesbereich für eine optimierte Versorgung von Diabetes-Patienten zeigen – und das begrüßen wir sehr!
DiaTec weekly – Mai 14, 21
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