Die Insulin-only-Version wurde bereits 2023 in den USA zugelassen, eine dual-hormonelle Variante mit zusätzlichem Glucagon befindet sich in der klinischen Entwicklung. Beim ATTD zeigte Steven Russell von der US-Startup-Firma Beta Bionics Alltagsdaten mit diesem AID-System und betonte zunächst, dass glykämische Ergebnisse mit anderen Diabetes-Technologien stark mit dem Nutzungsverhalten der Anwender korrelieren. So sind z.B. häufigere tägliche Blutglucoseselbstmessungen oder Scans mit CGM-Systemen mit einer stärkeren Verbesserung der Glucosekontrolle verknüpft. Bei einer für die Zulassung wichtigen klinischen Studie mit dem iLet-AID-System zeigten sich sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern keine Korrelation zwischen der Häufigkeit der Benutzereingriffe und den erzielten glykämischen Ergebnissen:
Der R2-Korrelationskoeffizient zwischen GMI und der durchschnittlichen Anzahl der täglichen Entsperrvorgänge (die Häufigkeit, mit der ein Benutzer mit dem System interagiert) betrug 0,001 bei Erwachsenen (n=218) und 0,002 bei Kindern (n=112). Es gab auch keine Korrelation zwischen der Zeit <54 mg/dL und der Benutzerbeteiligung (R2=0,001 für Erwachsene und R2=0,005 für Kinder).
Da bei diesem AID-System alle Entscheidungen zur Insulindosierung automatisiert erfolgen, wurden nun beim ATTD erste Ergebnisse einer Analyse präsentiert, die zeigen, ob eine fehlende Korrelation zwischen den glykämischen Ergebnissen und der Benutzerbeteiligung auch bei Nutzung unter Alltagsbedingungen Bestand hat. Dafür wurden die Interaktionen mit dem Gerät z.B. zur Protokollierung von Mahlzeiten oder andere Benutzereingaben, z.B. Entsperren durch Wischen, als Hinweise ausgewertet. Die Teilnehmer der Analyse wurde in drei Kohorten eingeteilt: 1. geringe Nutzung von ≤4 täglichen Wischbewegungen, 2. mittlere Nutzung mit 4-10 täglichen Wischbewegungen und 3. hohe Nutzung mit ≥10 täglichen Wischbewegungen. Nutzer mit geringer Nutzung hatten im Durchschnitt zwei tägliche Wischbewegungen. Alle verwendeten das AID-Systeme mindestens drei Wochen lang.
Ausgewertet wurden die Praxisdaten von Nutzern im ersten Jahr der kommerziellen Verfügbarkeit dieses AID-Systems seit der Markteinführung in den USA im Mai 2023. Zu Studienbeginn hatte die Kohorte (n=3.300) einen Gesamt-HbA1c-Wert von 8,5%, im Vergleich zu einem durchschnittlichen GMI von 7,3% bei Nutzung des AID-Systems, was einem Rückgang von 1,2% entspricht. Diese Verbesserung in der Glucosekontrolle war größer als die durchschnittliche Verbesserung des HbA1c-Wertes von 0,5% im Vergleich zur Standardversorgung, der in der Zulassungsstudie beobachtet wurde. Dies ist wohl in erster Linie auf die ausgeprägte Verbesserung im HbA1c bei Menschen mit hohem Ausgangswerten zurückzuführen. Die Hypoglykämieraten waren ebenfalls niedrig (n=2.741), was die Ergebnisse der Zulassungsstudie widerspiegelt. Die mediane Zeit unterhalb des Zielbereichs betrug 1,6% (im Vergleich zu 1,8% in der Zulassungsstudie), und die mediane Zeit <54 mg/dL 0,3%, wie in der Zulassungsstudie.
Die Gruppe der Erwachsenen mit geringer Nutzungsintensität des AID-Systems wies den höchsten HbA1c-Ausgangswert (9,0%) auf, verzeichnete jedoch auch die größte HbA1c-Reduzierung, um einen mittleren HbA1c von 7,3% zu erreichen. Bei den mittelstarken Nutzern kam es ebenfalls zu einer HbA1c-Reduzierung (von 8,3% auf 7,2%), während bei den stark engagierten Nutzern ein Rückgang von 8,0% auf 7,2% zu verzeichnen war. Die tägliche Entsperrfrequenz korrelierte nicht mit dem glykämischen Index (R2=0,010), was darauf hindeutet, dass häufige Interaktion nicht für verbesserte glykämische Ergebnisse erforderlich sind. Vergleichbare Ergebnisse wurden bei pädiatrischen Nutzern unabhängig von der Beteiligung beobachtet: Nutzer mit geringer Beteiligung erzielten die größte Reduktion von 9,6% auf 7,7% (-1,9%), diejenigen mit hoher Beteiligung, die von einem niedrigeren Ausgangswert ausgingen, verzeichneten eine Reduktion um 1,4% und erreichten einen HbA1c-Wert von 7,6%. Wie bei den Erwachsenen korrelierte die Entsperrfrequenz nicht mit dem GMI (R²=0,006). Sowohl Nutzer mit geringer als auch mit hoher Interaktion wiesen eine geringe Zeit mit Glucosewerten <54 mg/dL auf (0,2%), was deutlich unter dem Ziel von 1,0% liegt.
Beta Bionics stellte auch erstmals finanzielle Daten vor und informierte über den aktuellen Stand seiner Diabetes-Technologie-Pipeline. Bei seinem Börsengang wurden 206 Mio. USD eingenommen und ein Wachstum von 125% im Vergleich zum Vorjahr erreicht. Das Unternehmen verfügt über eine etablierte Kundenbasis, berechnet als alle neuen Patientenstarts über einen gleitenden Vierjahreszeitraum, von 15.298 Nutzern, mit 4.084 neuen Patientenstarts in 2024. Von diesen neuen Nutzern wechselten etwa 70% von MDI zu AID, mehr als 20% sind Patienten mit Typ-2-Diabetes. Die Firma weist einen Nettoumsatz von 20,4 Millionen US-Dollar auf, was ein Anstieg von 145% im Vergleich zu 8,4 Millionen US-Dollar im vierten Quartal 2023 bedeutet.
Die aktuellste Produktgeneration dieses AID-Systems verfügt nun über einen Farbbildschirm mit einem helleren Display. Die Integration des AID-Systems mit dem FreeStyle Libre 3 Plus-CG-System von Abbott ist nun auch auf dem Markt, es wird wohl primär über Apotheken vertrieben, so wie das Omnipod 5-System von Insulet und die Mobi-Pumpe von Tandem. Beta Bionics will sein AID-System auch in Form einer Patch-Pumpe bis zum Jahresende 2027 auf den Markt bringen. Diese Pumpe soll aus einem wiederverwendbaren Transmitter bestehen, der bis zu zwei Jahre hält und mit einem 3-Tage-Einwegpflaster kommen soll.
Der Entwicklung der bihormonellen Pumpe, die sowohl Glucagon als auch Insulin abgibt, geht wohl weiter voran, denn mindestens eine präklinische und eine klinische Zulassungsstudie sind dafür geplant, bevor Gerät und der Algorithmus zur Zulassung eingereicht werden. Beta Bionics hat entsprechende Lieferverträge für eine pumpenkompatible Glucagon-Formulierung mit Xeris abgeschlossen.
Fazit: Dieser kleine Neueinsteiger in das AID-System-Geschäft scheint sich in dem umkämpften US-Markt behaupten zu können. Mal schauen, wann dieses AID-System auch in Europa auf den Markt kommt.
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