In einer aktuellen Publikation mit Kommentar dazu in Nature Medicine berichten Daly et al., von der Arbeitsgruppe von Roman Hovorka aus Cambridge, über die Ergebnisse einer klinischen Studie, die zeigt, dass ein AID-System (Dexcom G6, Android Smart-Phone mit CamAPS und eine Dana-RS-Insulinpumpe) bei Patienten mit Typ-2-Diabetes sicher und wirksam ist [1, 2]. An dieser Studie nahmen 26 erwachsene Patienten mit einer Insulintherapie teil, die eine schlechte Glucosekontrolle aufwiesen (mittlerer HbA1c-Ausgangswert 9,0%). Die Studie hatte ein Crossover-Design, d.h. die Teilnehmer verwendeten 8 Wochen lang das AID-System und 8 Wochen lang die vor der Studie verwendete Insulinverabreichungsmethode, dabei wurde die Reihenfolge durch eine Randomisierung festgelegt. Damit dient jeder Teilnehmer als seine eigene Kontrolle, was die Möglichkeit von Störfaktoren, die die Studienergebnisse beeinflussen, minimiert.
Die erreichte Verbesserung der Glucosekontrolle mit dem AID-System war erheblich: Die Zeit im Zielbereich (70-180 mg/dl), gemessen mit einem CGM-System, das für den Kontrollzeitraum verblindet war, lag bei Verwendung des AID-Systems bei 66% im Vergleich zu 32% in der Kontrollphase, ein Unterschied, der einer Verringerung der Zeit >180 mg/dl von 8,4 Stunden pro Tag entspricht. Diese Reduzierung in der Hyperglykämie führte zu einer Absenkung des HbA1c-Wertes von 9,1% bei Studienbeginn auf 7,2% am Ende der ersten Phase. Bei Studienbeginn traten nur wenige Hypoglykämien auf (was bei einer solchen Population nicht unerwartet ist), so dass die Fähigkeit des AID-Systems, Hypoglykämien zu reduzieren, nicht bewertet werden kann.
Das Ausmaß der Verbesserung der Time-in-Range ist größer als das, was in Studien mit AID-Systemen bei Patienten mit Typ-1-Diabetes beobachtet wurde, mit Verbesserungen im Bereich von 9-14% im Vergleich zu den Kontrollen. Dieser Unterschied lässt sich möglicherweise auf die schlechtere Ausgangslage zurückführen (je schlechter die Ausgangskontrolle, desto mehr Raum für Verbesserungen) und darauf, dass die Teilnehmer während des Kontrollzeitraums kein rtCGM als Teil des Diabetesmanagements verwendeten. Aber auch nach Berücksichtigung eines CGM-Effekts wäre der Beitrag des AID-Systems zu den Ergebnissen dieser Studie immer noch erheblich.
Eine Herausforderung für AID-Systeme besteht darin, dass der Wirkungseintritt von subkutan verabreichtem Insulin im Vergleich zur physiologischen Insulinabgabe langsam ist. Daher reagiert das AID-System bei einer Mahlzeit möglicherweise zu spät, um eine postprandiale Hyperglykämie zu verhindern. Aus diesem Grunde werden die Benutzer der meisten AID-Systeme darin geschult, die Mahlzeit anzukündigen und entweder Informationen über die Anzahl der zu verzehrenden Kohlenhydrate oder die Größe der Mahlzeit in das System einzugeben, damit frühzeitig ein Insulinbolus verabreicht werden kann, um den postprandialen Glukoseanstieg zu minimieren. Solche Systeme werden als „hybride Regelkreise“ bezeichnet. Im Gegensatz dazu erforderte ein vollständig geschlossene AID-System, wie es in dieser Studie verwendet wurde, keine Ankündigung der Mahlzeiten oder Abschätzung des Kohlenhydratgehaltes, daher sind die Ergebnisse der Studie noch beeindruckender. Nichtsdestoweniger kam es immer noch zu einer durchschnittlichen Hyperglykämie von 8 Stunden pro Tag. Hier gibt es, auch durch Einsatz von weiteren Medikamenten, noch Raum zur Optimierung. Bei der Studie erfolgte keine engmaschige Überwachung des Körpergewichtes, dessen Zunahme ein erhebliches Problem bei dieser Patientengruppe ist. Bei einer verstärkten Insulinisierung kommt es vielfach auch dazu. Ein weiterer Studienarm mit nur CGM-Nutzung wäre auch von Interesse gewesen. Interessant ist, dass die Variabilität des Insulinbedarfs bei den Patienten in dieser Studie mindestens genauso hoch war, wie er bei Studien mit Patienten mit Typ-1-Diabetes beobachtet wurde.
Fazit: Der Einsatz von AID-Systemen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes ist eine eigenständige Herausforderung, besonders weil diese Studie ein wichtiger Beleg für die Wirksamkeit und Sicherheit beim Einsatz von AID bei dieser Patientengruppe ist. Die Forderung nach größeren und längeren Studien klingt wie immer trivial, diese werden aber erforderlich sein, um den Nutzen bei einer breiten Palette von Patientenmerkmalen in Bezug auf diverse Faktoren bewerten zu können. Da Patienten aus dieser Gruppe häufig nicht beim Spezialisten behandelt werden, ist es wichtig, diese Technologie auch in einem Umfeld zu evaluieren, in dem AID-Systeme sonst nicht eingesetzt werden.
Aufgrund der potentiell hohen Anzahl von Nutzern, kann – positiv gedacht – davon ausgegangen werden, dass die Glucosekontrolle vieler Patienten durch den Einsatz von AID-Systemen verbessert wird, was andererseits – negativ gedacht – mit erheblichen Kosten verbunden sein wird. Damit die Kostenträger hierbei mitgehen, wird es eindeutiger Belege dafür bedürfen, dass es sinnvoll ist, die Kosten für diese Technologie zu übernehmen, um langfristige Kosteneinsparungen durch eine Verringerung der Behandlung von Folgeerkrankungen zu erzielen.
Referenzen
- Daly AB, Boughton CK, Nwokolo M, Hartnell S, Wilinska ME, Cezar A, et al. Fully automated closed-loop insulin delivery in adults with type 2 diabetes: an open-label, single-center, randomized crossover trial. Nat Med. 2023. Epub 20230111. doi: 10.1038/s41591-022-02144-z. PubMed PMID: 36631592.
- Beck RW. Closing in on closed-loop systems for type 2 diabetes. Nat Med. 2023. Epub 20230111. doi: 10.1038/s41591-022-02127-0. PubMed PMID: 36631593.
DiaTec weekly – Februar 24, 23
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