Selbst die renommierte amerikanische Gesundheitsbehörde Federal Drug Administration (FDA), zuständig für die Zulassung von Medikamenten und Medizinprodukten, gerät nun zwischen die Fronten und beugt sich dem politischen Druck der Trump-Administration. Medscape, ein internetbasierter medizinischer Informationsdienst für Kliniker, und Wissenschaftler im Bereich der Medizin, beklagt in einem scharf formulierten offenen Brief an den Leiter der FDA eine dramatische Vertrauenskrise aufgrund von zunehmend politisch motivierten Entscheidungen der Behörde. Ein Beispiel dafür ist die Notfallzulassung des Virustatikums Remdesivir für alle hospitalisierten Patienten die an COVID-19 erkrankt sind – unabhängig von der Schwere der Erkrankung. Die Zulassungserweiterung beruht auf der Auswertung einer Subgruppe von Patienten mit milder und mäßiger Erkrankung, bei denen Remdesivir die Krankheitsdauer „numerisch“ verkürzt haben soll – sowie auf einer kleinen randomisierten offenen Studie, der die europäische Arzneimittelbehörde EMA erhebliche methodische Mängel bescheinigt hat: Eine Datenbasis, die noch schlechter ist als bei der Notfallzulassung für schwere COVID-19-Erkrankungen und die den Mangel an wissenschaftlicher Evidenz ignoriert. Auch Hydroxychloroquin wurde aggressiv von US-Präsident Trump als Wundermittel gegen COVID-19 propagiert und es folgte trotz fehlender Nutzenbelege die Notfallzulassung des Malariamittels durch die FDA – diese wurde bereits zehn Wochen später wegen unzureichender Evidenz für eine Wirksamkeit und kardialer Nebenwirkungen zurückgerufen.
Was ist los mit der FAD, dieser einstmals so stolzen und vollkommen unabhängigen Behörde, die sogar über eine eigene Eingreiftruppe verfügt? Es lohnt sich einmal genauer hinzuschauen: Im Dezember 2019 wurde der aktueller Leiter Stephen Hahn von US-Präsident Trump ins Amt eingeführt. Seitdem scheinen die wissenschaftlichen Standards, denen die FDA verpflichtet ist, nicht mehr zu gelten. Einen weiteren eklatanten Verstoß gegen diese leistete sich der Leiter der FDA nun im August 2020 in einer Pressekonferenz mit Präsident Trump: Hahn unterstützte den Präsidenten bei der Notfallzulassung von „Rekonvaleszenten-Plasma“ (= Plasma von Patienten nach überstandener COVID-19-Erkrankung, das Antikörper gegen SARS-CoV-2 enthält), dem Trump eine „unglaubliche Erfolgsrate“ bei COVID-19 mit zahllosen geretteten Leben attestiert! Nicht nur das, Hahn sprach sogar von einer 35%igen Mortalitätsreduktion durch das Plasma und behauptet, dass von 100 COVID-19-Kranken 35 überleben würden, wenn sie mit hoch-konzentriertem Plasma behandelt werden. Das ist so offensichtlicher Unsinn, dass er sich später halbherzig per Twitter korrigierte: Er habe lediglich eine relative Risikoreduktion gemeint und keine absolute. Aber selbst dafür fehlt eine hinreichende Datenbasis, denn in randomisierten Untersuchungen ließ sich ein Nutzen von Rekonvaleszenten-Plasma bei COVID-19 bislang nicht belegen.
Aktuell geht Hahn sogar noch einen Schritt weiter und kündigt an, einen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 noch vor dem 3. November 2020, dem Tag der Präsidentenwahl in den USA, zuzulassen, selbst wenn die Phase-III-Erprobung noch nicht abgeschlossen ist. Dies ist nicht nur in hohem Maße unverantwortlich, sondern gefährdet das ohnehin fragile Vertrauen der Öffentlichkeit in Impfstoffe – und es zeigt einmal mehr, dass die Autonomie der FDA von der Trump-Administration längst aufgehoben wurde.
Unser Fazit: Wenn wir uns nicht mehr verlassen können auf das, was eine etablierte Zulassungsbehörde entscheidet, was sollen wir dann überhaupt noch glauben können? Jahrzehntelang galt die FDA als Blaupause für eine Behörde, die für akkurate und wissenschaftsbasierte Entscheidungen für den Zulassungsprozess für Arzneimittel und Medizinprodukte im Sinne von Patienten und Behandlern steht. Derzeit ist beinahe täglich zu beobachten, wie Qualität und Standards bei FDA-Entscheidungen abnehmen oder missachtet werden und das hat Konsequenzen für die übrigen relevanten Arzneimittelbehörden der Welt. Das gilt auch für die europäische EMA, denn deren Verantwortung steigt nun, evidenzbasiert und unabhängig von finanziellen Interessen und politischem Druck über die Zulassung von Arzneimitteln zu entscheiden.
DiaTec weekly – September 11, 20
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