Ein dankbarer und nachdenklicher Roman Hovorka zeigte sich, als ihm beim EASD in Hamburg den „Prize for Excellence“ der Novo Nordisk Foundation Diabetes verliehen wurde und es versammelte sich eine beträchtliche Anzahl von Zuhörern zu dieser Ehrung. Spannend war seine Dankesrede, denn er ließ Jahrzehnte an Forschung für die Spitze der AID-Entwicklung und -Implementierung Revue passieren. Basierend auf seinen Hintergrund in Mathematik und Informatik, aber auch fundiertem Wissen in den Bereichen Insulin-Pharmakokinetik/Pharmakodynamik, klinische Forschung und behördliche Zulassungen hat er wesentliche Beiträge zur Entwicklung von klinisch nutzbaren AID-Systemen geliefert.
Hovorka ist der „Vater“ des CamAPS FX-Systems, welches nun in sechzehn Ländern (fünfzehn europäischen Ländern und Australien) verfügbar ist und von über 16.000 Menschen genutzt wird. Monatlich kommen mehr als tausend Nutzer hinzu. CamAPS FX war das erste AID-System das auch für kleine Kinder (ab 2 bis 6 Jahre) erhältlich war und es ist nach wie vor das einzige System, das für schwangere Frauen mit Typ-1-Diabetes zugelassen ist.
Nach seinem Überblick über die Anfänge und Entwicklung von AID-Systemen bedankte sich Hovorka bei vielen verschiedenen Gruppen, die diesen Weg begleitet haben, dazu gehört insbesondere der JDRF und in Person Aaron Kowalski. Während sich die JDRF früher ausschließlich auf die Heilung von Typ-1-Diabetes konzentriert hatte, gründete die JDRF 2016 das Konsortium „Artificial Pancreas“, um Lösungen für Menschen zu entwickeln die bereits an Typ-1-Diabetes leiden. Die damit verbundene Finanzierung und Unterstützung führte zu den allerersten Studien mit Hovorkas AID-System, er würdigte aber auch die Rolle der DIY-Community bei der AID-Entwicklung, die er als „Hacking for the right reasons“ bezeichnete. Sein deutlicher Dank galt allen Probanden bei den Studien (die erste wurde 2007 durchgeführt) und seinem Team.
Mit Blick auf die Zukunft erklärte der Redner: „Das Ziel ist jetzt nicht mehr nur die Glucosekontrolle. Es geht vielmehr darum, die Qualität zu verbessern, damit die Menschen den Lebensstil führen können, den sie sich wünschen. Ich denke, dass der geschlossene Kreislauf uns dabei helfen wird, dieses Ziel zu erreichen.“ Die Lebenserwartung eines Menschen mit Typ-1-Diabetes ist mittlerweile auf über 70 Jahre gestiegen – ein krasser Gegensatz zu dem Todesurteil, den Typ-1-Diabetes vor der Entdeckung des Insulins bedeutete, und auch zu der Lebenserwartung von mittleren 45 Jahren in der erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts.
Hovorka sieht vier Schlüsselfaktoren zu einer Verringerung der Diabetesbelastung durch AID-Systeme: 1. minimale Benutzerinteraktion, 2. weniger Alarme, 3. geringer Aufwand für die Geräte und 4. geringe Anzahl technischer Probleme. Als wichtig betrachtet er in diesem Zusammenhang die von Nutzern und Angehörigen berichteten Beobachtungen, zusätzlich zu den glykämischen Ergebnissen, die eine große Bedeutung für die weitere Entwicklung sei. Er sprach auch Bedenken hinsichtlich des zögerlichen Einsatzes durch Kliniker an sowie die Zurückhaltung der Kostenträger, auch wenn es aktuell nun in Großbritannien durch ein NICE-Projekts zur Bewertung von AID-Systemen zu einer breiten Kostenerstattung für Menschen mit Typ-1-Diabetes kommt wird.
Dass von ihm entwickelte AID-System ist eines der am besten untersuchten Systeme, beurteilt nach der Anzahl und Güte der insgesamt durchgeführten klinischen Studien in verschiedenen Patientengruppen; auch mit komplexen Nutzergruppen wie Kindern, schwangeren Patientinnen und älteren Menschen. Er beschrieb eindrücklich, wie die Eltern von Kindern die Erleichterung durch diese Therapieoption reflektiert haben: „Wir brauchen einfach unser Leben zurück.“ Seine klare Forderung lautete aber auch, keine Studien mit einem einzigen Studienarm (nur mit dem AID-System) zum Nachweis der Wirksamkeit des jeweiligen Systems mehr durchzuführen. Mehrere etablierte Hersteller von AID-Systeme haben solche Studien durchgeführt, was seiner Ansicht nach nicht der richtige Weg ist. Solche Studien sind geeignet, die Sicherheit eines AID-Systems nachzuweisen, aber nicht dessen Wirksamkeit, dafür sind randomisierte, kontrollierte Studien besser geeignet.
Fazit: Es war ausgesprochen schön zu sehen, wie diese Ehrung einen wirklich netten Kollegen positiv berührt hat, der bereits In den späten 1990er Jahren mit Hilfe von Mathematik modellierte, wie der Körper auf Insulin reagiert, welches durch Injektion oder Pumpe verabreicht wird und so eine optimale Insulinabgaberate zu ermitteln. Als Ergebnis dieser Arbeit wurde klar, wie groß die Herausforderungen sind, die Typ-1-Diabetes in Bezug auf die tägliche Variabilität des Insulinbedarfs mit sich bringt – und dass es ohne einen geschlossenen Kreislauf für einige Patienten mühsam und für andere unmöglich ist, eine optimale Glukosekontrolle zu erreichen.
Man kann es nicht oft genug betonen, wie groß das Spektrum an Vorteilen der AID-Systeme ist: Reduzierung des HbA1c-Werts, Reduzierung der mittleren Glucosekonzentration, geringere Hypoglykämiebelastung und eine längere Zeit im Zielbereich. Die Lebensqualität von Menschen mit Diabetes verbessert sich erheblich, die Menschen schlafen besser und müssen weniger Zeit aufwenden für die Diabetesbehandlung. Das führt wiederum zu weniger Stress in der Familie, zu größerer Unabhängigkeit für Kinder und Jugendliche und zeigt sich in einer größeren Freiheit beim Essen.
Drei Jahre brauchte Hovorka, um einen AID-Algorithmus der ersten Generation zu entwickeln, ab 2006 bis heute hat er dann die zweite Generation entwickelt. Wir sagen: Ehre wem Ehre gebührt. Und gratulieren Roman sehr herzlich zu dieser Würdigung!
diatec weekly – Dezember 1, 23
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