DIY-Systeme sind aus den verschiedenen Komponenten selbstgebaute AID-Systeme. In den letzten zehn Jahren wurden solche Systeme von Menschen mit Diabetes oder ihren Angehörigen entwickelt, die Anleitungen stehen jedem als Open Source zur Verfügung, der selbst ein System bauen will. Die Intensität, mit der an solchen Systemen gearbeitet wurde und immer noch wird, zeigt, dass die Bandbreite an innovativen Aspekten für die Therapie von Diabetes beachtlich ist. Es gibt weltweit wohl einige Zehntausende Nutzer eines DIY-AID-Systems. Sie begründen ihre Entscheidung mit den individuellen Anpassungsoptionen, die diese Systeme bieten, deren Interoperabilität, der Güte der erreichbaren Glukosekontrolle und dem fehlenden Zugang zu kommerziellen AID-Systemen.
In der Publikation werden die Perspektiven von DIY- und kommerziellen AID-Systemen in Bezug auf
- Sicherheit und Wirksamkeit,
- Regulierung und Unterstützung,
- Benutzerauswahl und Flexibilität,
- Zugang und Erschwinglichkeit und
- Patienten- und Anbieterschulung
dargelegt und kontrapunktiert. Die drei Autoren leben ebenfalls mit Typ-1-Diabetes und waren sowohl federführend an der Entwicklung von DIY-AID-Systemen beteiligt als auch der Durchführung von klinischen Studien.
Die höhere Güte der glykämischen Kontrolle von Menschen mit Diabetes bei Nutzung von AID-Systemen im Vergleich zu einer konventionellen mehrfach täglichen Injektionstherapie wurde in den letzten zehn Jahren gut belegt, wobei dies mit allen aktuellen Systemen bei einer Vielzahl von verschiedenen Altersgruppen und Populationen recht gut gelingt. In prospektiven Studien mit DIY-AID-Systemen sind die erreichten glykämischen Ergebnisse oft vergleichbar gut mit denen bei kommerziellen AID-Systemen, allerdings wurden dabei meistens keine Einzelheiten über den täglichen Arbeitsaufwand bei der Verwendung der verschiedenen AID-Systeme erfasst. Unabhängig davon, welche Art von AID-System verwendet wird, scheint es ein gewisses Maximum an Güte bei der Glucosekontrolle zu geben, welches mit der aktuellen Generation von Systemen, Insulinen, CGMs und Infusionssets erreichbar ist. Hier gilt es, Faktoren wie die Geschwindigkeit der Insulinabsorption aus dem subkutanen Gewebe, dessen Wirkungsdauer und die Zeitverzögerung bei der Glucosemessung in der interstitiellen Flüssigkeit im Vergleich zu Blut zu berücksichtigen. Es bleibt abzuwarten, was hier noch an Fortschritten erreicht werden kann.
Ein aktuelles Update von T1D Exchange – ein nationalen Registers der besten Diabeteszentren in den USA – zeigt, dass auf Bevölkerungsebene die glykämischen Ziele bei Menschen mit Diabetes nach wie vor nicht erreicht werden. Während sich das Gesamtbild seit 2016 verbessert hat und mehr Menschen mit Diabetes die HbA1c-Ziele für 2021-2022 erreichen, bleibt trotz der zunehmenden Verbreitung von CGM- und AID-Systemen eine ziemliche Lücke bestehen. Die Hersteller arbeiten intensiv an Verbesserungen ihrer AID-Systeme, besonders in Hinsicht auf die automatische Abdeckung von Mahlzeiten mit Insulin ohne Essensankündigungen an die Algorithmen. Bei den bisherigen Hybrid-AID-Systemen müssen die Nutzer noch die prandiale Insulinabdeckung selbstständig handhaben und auch darüber hinaus einen gewissen Arbeitsaufwand leisten, weil die bisherigen AID-Systeme noch nicht wirklich die gesamte Insulintherapie abdecken.
Aktuell gibt es vier in den USA zugelassene kommerzielle AID-Systeme (in der Reihenfolge ihrer Markteinführung):
- Medtronic MiniMed (670G, 770G, 780G);
- Tandem T:slim X2 mit Control-IQ-Technologie,
- Insulet Omnipod 5 und
- Beta Bionics iLet.
DIY-AID-Systeme basieren auf gemeinschaftlich erstellter, quellenoffener Software, die mit einer Vielzahl von im Handel erhältlichen Insulinpumpen und CGM-Systemen kompatibel ist. Beispiele sind OpenAPS, Loop, AndroidAPS und iAPS, von denen die meisten heute die Algorithmen auf Mobiltelefonen hosten, die wiederum mit Insulinpumpen kommunizieren.
Ein Novum ist die Zulassung des Open-Source-AID-Algorithmus „Tidepool“ durch die FDA, aktuell gibt es aber dafür noch keine zugelassene Insulinpumpe, so dass das System noch nicht funktionsfähig im Handel erhältlich ist. International gibt es zwei weitere kommerzielle AID-Systeme mit CE-Kennzeichnung: CamAPS FX und Diabeloop DBLG1, die mit Insulinpumpen von Roche und Ypsomed betrieben werden können bzw. konnten. DIY-AID-Systeme werden ebenfalls weltweit eingesetzt. Bei den verschiedenen verfügbaren DIY- und kommerziellen AID-Systemen gibt es kein einzelnes System, das wesentlich besser ist als die Anderen.
Im Folgenden werden die Pros und Cons von DIY-AID-Systemen bei mehreren Aspekten kritisch betrachtet, über die die Diabetesteams und Menschen mit Diabetes gemeinsam bei der anstehenden Entscheidung für ein DIY-AID- oder ein (kommerzielles) AID-System nachdenken sollten, weil dies relevante Aspekte für die Wahl des geeignetsten AID-Systems sind.
1: Sicherheit und Wirksamkeit
Pros: Bei der Diskussion über Sicherheit und Wirksamkeit ist es wichtig, AID-Systeme im Vergleich mit der Standardversorgung von Menschen mit Diabetes zu sehen, d.h. mit der konventionellen Diabetestherapie, wie sie z.B. durch die mehrfache tägliche Insulininjektion (MDI) mit oder ohne Nutzung eines CGM-Systems oder Verwendung einer sensorgestützten Insulinpumpe erfolgen kann. Fehler bei der Insulindosierung kommen bei diesem Ansatz relativ häufig vor, was zu ausgeprägten Schwankungen in der Glykämie führen kann und auch zum Auftreten von Hypoglykämien.
Mehrere qualitativ hochwertige randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) haben die Sicherheit und Wirksamkeit von DIY-AID-Systemen im Vergleich zur Standardversorgung untersucht. Dies gilt sowohl für die Selbstanwendung als auch für die klinische oder forschungsgestützte Anwendung von DIY-AID-Systemen. Eine im Jahr 2022 im New England Journal of Medicine veröffentlichte RCT ergab, dass die Zeit im Zielbereich (TIR) bei Verwendung eines DIY-AID-System um 14% höher lag im Vergleich zur Standardversorgung, was immerhin 3 Stunden und 21 Minuten mehr Zeit im TIR entspricht. Andere RCT-Studien zeigten eine ähnliche Verbesserung der TIR. Positive Ergebnisse wurden in zahlreichen weiteren prospektiven Beobachtungsstudien oder retrospektiven Studien gezeigt. Dabei wurden auch die Sicherheit und Wirksamkeit der Algorithmen der DIY-AID-Systeme belegt, mit denen überdurchschnittliche glykämische Ergebnissen erreicht werden. Eine internationale Konsenserklärung, die von zahlreichen internationalen Diabetes-Fachverbänden und -Organisationen befürwortet wird, bestätigt die Sicherheit und Wirksamkeit solcher DIY-AID-Systeme.
Cons: Die Entwicklung, Optimierung und klinische Testung von kommerziellen AID-Systeme werden seit mehr als einem Jahrzehnt in der medizinischen Fachliteratur akribisch dargelegt. Die zentralen Prinzipien der Algorithmen bei den verschiedenen AID-Systemen sind zur Einsicht verfügbar, allerdings werden Details der kommerziellen Versionen als Geschäftsgeheimnis betrachtet. RCTs mit den AID-Systemen wurden in hochrangigen Journals publiziert. Diese belegen die Sicherheit und überlegene Wirksamkeit der kommerziellen AID-Systeme gegenüber der Standardtherapie. Es werden Verbesserungen um etwa 11% (über 2,5 Stunden pro Tag) bei der TIR im Vergleich zur Standardtherapie beobachtet, wobei Erwachsene eine mittlere TIR von 70% erreichen und Kinder Werte im hohen 60%-Bereich. Groß angelegte Beobachtungsstudien unter Real-World-Bedingen zeigen, dass die in kontrollierten Studien mit AID-Systemen beobachteten Wirkungen sich in etwa mit denen unter Alltagsbedingungen decken.
Eine Gegenüberstellung der glykämischen Kennzahlen für die wichtigsten DIY-AID-und kommerziellen AID-Studien lässt mehrere interessante Trends erkennen: sowohl mit den DIY- als auch mit den kommerziellen AID-Systemen wird eine gute TIR erreicht, die HbA1c-Werte liegen bei Erwachsenen und Jugendlichen im hohen 6%-Bereich und bei Kindern um 7%. Die Zeit unter <70 mg/dL liegt bei allen Altersgruppen bei etwa 2%. Die mit den DIY-AID-Systemen erzielten glykämischen Ergebnisse sind nicht besser als diejenigen mit kommerziellen AID-Systemen. Dies gilt auch für die Sicherheitskennzahlen für schwere Hypoglykämie (SH) und diabetische Ketoazidose (DKA). Erfreulicherweise waren die Raten dieser schwerwiegenden Ereignisse bei diesen Studien ausgesprochen niedrig und traten bei mehreren hundert Teilnehmern in einer dreimonatigen klinischen Studie häufig gar nicht oder höchstens zwei bis drei Mal auf. Allerdings wurden bei vielen Studienprotokollen Teilnehmer mit einer bekannten Vorgeschichte häufiger DKA- oder SH-Episoden ausgeschlossen. Die von den Geräteherstellern veröffentlichten Analysen von Real-World-Daten beruhen auf den von den AID-Systemen automatisch in große Datenbanken der Hersteller transferierte Daten, diese enthalten daher keine Informationen über klinische Ereignisse wie SH oder DKA. Es ist daher unklar, ob und wie sich die Raten von SH und DKA zwischen verschiedenen kommerziellen AID-Systemen und zwischen DIY-AID und kommerziellen AID-Ansätzen unterscheiden oder ob diese vergleichbar sind.
2: Regulierung und Unterstützung
Pros: Es wird vielfach fälschlicherweise behauptet, dass DIY-AID-Systeme keine regulierbaren Produkte sind, was bedeutet, dass sie nicht reguliert werden können und dass sie daher nicht als sicher und wirksam eingestuft werden können. In den USA können sie aber sehr wohl reguliert (d.h. zugelassen) werden, wenn eine Organisation ein System durch den Prozess der behördlichen Genehmigung bringt. Tatsächlich hat Tidepool es ja geschafft für sein DIY-AID-System die FDA-Zulassung zu erhalten, d.h. diese gemeinnützige Firma kann nun die Vermarktung und den Vertrieb in den USA beginnen.
Im Prinzip ist für die Verwendung von DIY-AID-Systemen keine Regulierung erforderlich, da die Nutzung ja auf eigene Gefahr hin durch den Nutzer selbst erfolgt. Im derzeitigen Rechtsrahmen ändert sich dies schlagartig, wenn ein Mensch diese für einen kommerziellen Vertrieb anbietet, dann ist er schlagartig Hersteller mit allen sich daraus ergebenden Verpflichtungen, auch in Haftungshinsicht. Wenn der jeweilige Nutzer durch Kauf der Komponente und Download der Algorithmen aus dem Internet sein DIY-AID-Systeme selbst baut und implementiert, fällt dies eben unter seine individuelle Autonomie. Der einzelne Mensch benötigt keine behördliche Zulassung, um Hilfsmittel für sein persönliches Diabetesmanagement auszuwählen und zu implementieren.
Wichtig ist aber die Klarstellung, dass viele, die von einer regulatorischen Zulassung sprechen, diese als einen Beleg für die Sicherheit und Wirksamkeit der Produkte betrachten, was aber nur bedingt der Fall ist. Ein Nutzer, der sich für den Einsatz eines DIA-AID-Systems interessiert, kann die Anzahl von DIY-AID-Nutzern und der Dauer, die diese solche Systeme nun schon für sich nutzen, als Beleg für deren Sicherheit und Wirksamkeit betrachten.
Ein ernsthafter Unterschied ist der Grad der Unterstützung für sein AID-System, wenn etwas mal nicht funktioniert, dann gibt es keinen Support durch ein vom Hersteller finanzierten technischen Helpdesk. Bei DIY-AID-Systemen sind die Nutzer auf die Unterstützung durch die Gemeinschaft der anderen Nutzer angewiesen. Dabei gibt es eine umfangreiche Dokumentation, Videoanleitungen und Community-Support über soziale Medien in verschiedenen Sprachen und auf mehreren Plattformen, dazu, wie Menschen mit Diabetes ihr DIY-AID-System bauen, pflegen und optimieren können. Dabei ist dies weder ein neues Phänomen in der Diabetesbehandlung noch eine Besonderheit bei der Verwendung von DIY-AID: Menschen mit Diabetes verlassen sich seit Jahrzehnten auf die Unterstützung durch Gleichgesinnte, auch in Bezug auf verschiedene Produkte im Bereich der Diabetes-Technologie. Wie bei konventionellen AID-Systemen auch betreffen die meisten Supportanfragen herkömmliche Pumpen- und Katheter-Fehlfunktionen und nicht spezifische Aspekte mit dem (DIY-)AID-System oder dem Algorithmus.
Cons: In den USA reguliert die FDA alle Medizinprodukte, eine ähnliche Funktion wird in der EU von der Europäischen Medizinischen Behörde (EMA) wahrgenommen. Die FDA-Zulassung bedeutet, dass ein bestimmtes Produkt allgemein anerkannte Schwellenwerte für die Sicherheit und Wirksamkeit einhält. Darüber hinaus müssen die Hersteller über Qualitätssysteme, Herstellungskontrollen und Validierungstests verfügen, die die Behörde bei Bedarf überprüfen können. In Fällen, in denen ein größerer Systemfehler nach der behördlichen Zulassung entdeckt wird, wissen die Anwender, an wen sie sich wenden müssen, um das Problem zu beheben, und wer gegebenenfalls für die Folgen eines solchen Fehlers haftbar ist. Dies stellt einen klaren, etablierten und transparenten Weg dar, um mit auftretenden Problemen umzugehen und diese zu lösen. Alle in der EU und den USA befindlichen AID-Systeme wurden für ihre Zulassung einer umfassenden (Funktions-)Prüfung unterzogen, und im Prinzip unterliegen diese weiterhin einer routinemäßigen Überwachung, um sicherzustellen, dass die Produkte auch weiterhin zuverlässig funktionieren. In welchem Ausmaß eine solche Überwachung durch die Zulassungsbehörden in der Realität wirklich geschieht und wie die Behörden auf auftretende Probleme reagieren, ist Gegenstand der Diskussion.“
Die Zulassung des Tidepool-Loop-Algorithmus durch die FDA zeigt, auch ein DIY-AID-System kann zu einem kommerziell regulierten Produkt werden. Die zugelassene Version basiert auf der gleichen Open-Source-Loop-Software, die von der DIY-AID-Entwicklergemeinschaft verwendet wird, wobei diese von der Online-Gemeinschaft ständig weiterentwickelt wird. Für die von der FDA zugelassene Variante gilt dies nicht, diese kann sich jetzt schon bzw. in der Zukunft um mehrere Generationen von der öffentlichen zugänglichen Version unterscheiden.
Im Gegensatz zu den individuellen Menschen mit Diabetes sind Gesundheitsdienstleister bzw. Diabetes-Teams nicht berechtigt, DIY-AID-Systeme an ihre Patienten abzugeben. Wie bereits ausgeführt werden sie in diesem Moment zu Herstellern und müssen die Haftung übernehmen. In Anbetracht der Verfügbarkeit, Sicherheit und Wirksamkeit von kommerziell zugelassenen AID-Systemen sollte ein Gesundheitsdienstleister deshalb nicht pro DIY-AID-Systeme argumentieren.
3: Wahlmöglichkeiten und Flexibilität für den Nutzer
Pros: Ein wesentlicher Vorteil von OS-AID-Systemen besteht darin, dass sie von Menschen entwickelt wurden, die selbst mit Diabetes leben und/oder Menschen betreuen, die mit Diabetes leben und dass sie so flexibel gestaltet sind, dass sie die realen Erfahrungen mit Diabetes unterstützen. Da die Nutzung der verschiedenen DIY-AID-Systemen weltweit erfolgt, gibt es eine Vielzahl von Optionen innerhalb des DIY-AID-Ökosystems, auch bedingt durch die regional unterschiedliche Verfügbarkeit von Insulinpumpen, CGM-Systemen und Mobiltelefonen. Dies bedeutet auch, dass die Nutzer ihr DIY-AID-System nach Belieben und den eigenen Bedürfnissen anpassen können, wenn sie das Privileg haben, zwischen Geräten wie Pumpe, CGM-System und Mobiltelefon wählen zu können, oder dass sie auch dann die Möglichkeit haben, ein DIY-AID-System zu nutzen, wenn sie nur ein bestimmtes Setting von Pumpe, CGM-System und Mobiltelefon zur Verfügung haben. Bedingt durch die Verfügbarkeit von interoperablen Gerätekomponenten haben sich DIY-AID-Systeme und auch deren Algorithmen und Funktionen im Laufe der Zeit massiv weiterentwickelt. Sie weisen heute eine Vielzahl von Anpassungsmöglichkeiten bei den verschiedenen Settings, Einstellungsoptionen und Funktionen auf, die deutlich darüber hinausgehen, was bei kommerziellen AID-Systemen verfügbar ist. Insbesondere aus regulatorischen Aspekten heraus verfügen kommerzielle AID-Systeme in der Regel über wenige anpassbare Einstellungen, wie z. B. Alarme und Zielvorgaben oder voreingestellte Modi in Bezug auf Schlaf oder Bewegung, während DIY-AID-Systeme eine größere Anzahl von Auswahlmöglichkeiten bieten, so dass ein Mensch mit Diabetes das System selbst auf seine individuellen Bedürfnisse und Vorlieben beim Diabetesmanagement abstimmen kann.
Dazu zählt auch, dass das DIY-AID-System ausgefeiltere Möglichkeiten bietet, zur Abdeckung des prandialen Bedarfs das Insulin zu dosieren, was unter anderem eine weniger genaue Kohlenhydrateingabe oder Essensankündigung bei Algorithmus ermöglicht. In zunehmendem Maße haben die Nutzer die Möglichkeit, die Essensankündigung bzw. das Schätzen der Kohlenhydratmenge bei der Mahlzeit ganz wegzulassen, was zu einem „vollständig geschlossenen Regelkreis“ führt – oder typischerweise als AID ohne Essensankündigung und ohne manuelle Mahlzeitenbolusgabe bezeichnet wird. In vielen Fällen kann ein solcher „Hands-Off“-Ansatz, bei dem weniger menschliche Eingaben erforderlich sind, auch die glykämischen Ergebnisse weiter verbessern, wie in einer kürzlich durchgeführten RCT mit einem DIY-AID-System gezeigt wurde. Dieser Ansatz wird derzeit auch bei einigen kommerziellen AID-Systemen untersucht. Wenn anscheinend einige DIY-AID-Systeme für unangekündigte Mahlzeiten besser geeignet sind als die derzeitigen kommerziellen AID-Systeme, dann liegt dies vermutlich tatsächlich an den vielfältigen Anpassungsmöglichkeiten und der Flexibilität der Einstellungen, die es einem Menschen mit Diabetes ermöglichen, das System entsprechend ihren Bedürfnissen anzupassen.
DIY-AID-Systeme haben die Option für die Verwendung verschiedener CGM-Systeme schon Jahre früher angeboten, als dies bei kommerziellen AID-Systemen möglich war. Abschließend sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Wahlfreiheit des Anwenders ein Standard für die Diabetesbehandlung ist, wie dies die ADA in ihren alljährlich veröffentlichten Standards-of-Care (=Versorgungsstandards) in den letzten vier Jahren immer wieder zum Ausdruck bringt.
Cons: Die Open-Source-Gemeinschaft hat Menschen mit Typ-1-Diabetes und der Medizintechnikbranche im Allgemeinen einen großen Dienst erwiesen, indem sie die Bedeutung und Wirksamkeit benutzerorientierter Designs aufgezeigt hat. Ältere Generationen von Diabetestechnologien waren für junge Menschen, die an elegante moderne Computer und Handys gewöhnt sind, nicht sehr ansprechend. Der Erfolg von DIY-AID-Systemen in den frühen 2010er Jahren hat eindeutig zur Neugestaltung medizinischer Diabetesgeräte beigetragen, so dass kommerzielle AID-Systeme jetzt Optionen wie Touchscreens, ikonbasierte Bedienung, Farbbildschirme, Fernüberwachung und vereinfachte Menüs bieten. Die Hersteller von Medizinprodukte für die Diabetestherapie führen als Teil der jeweiligen Geräteentwicklung robuste Benutzertests durch und legen die Ergebnisse dieser Tests der FDA als Teil des Zulassungsverfahrens vor. Es ist schwer zu sagen, ob diese Bemühungen ohne den Druck der Open-Source-Gemeinschaft nachlassen würden oder ob der Druck innerhalb der Branche dafür sorgt, dass sie weiterhin im Mittelpunkt stehen. Fest steht jedoch, dass die Open-Source-Gemeinschaft für diesen positiven Wandel innerhalb der Branche verantwortlich ist.
Für die FDA war eine hohe Interoperabilität bei den verschiedenen Komponenten für eines AID-Systems von Anfang an ein wichtiges Anliegen. Sie hat recht frühzeitig Vorgaben für die Leistungsfähigkeit der „alternativen steuerungsfähigen“ Infusionspumpe (ACE-Pumpe; 21CFR880.5730), des integrierten kontinuierlichen Glucoseüberwachungssystems (iCGM; 21CFR862.1355) und des interoperablen automatisierten glykämischen Steuergeräts (IAGC; 21CFR862.1356) gemacht. Während diese Unterscheidungen den Zulassungsprozess für Unternehmen, die sich dafür entscheiden, rationalisieren, hat die Behörde deutlich gemacht, dass die Ermöglichung von Interoperabilität nicht gleichbedeutend ist mit zwingender Interoperabilität. Aufgrund der Komplexität der Übertragung medizinischer Echtzeitdaten von einem bestimmten CGM-Modell in einen bestimmten Steuerungsalgorithmus und der anschließenden Ausgabe der Daten an ein bestimmtes Pumpenmodell muss die Industrie eine umfangreiche Due-Diligence-Prüfung durchführen, um sicherzustellen, dass jede Konfiguration auch wie vorgesehen funktioniert.
In der aktuellen Situation gab es sowohl bei Tandem als auch bei Insulet monatelange Verzögerungen bei der Umstellung von einer Generation eines CGM-Systems auf die nächste, hier von Dexcom G6 auf Dexcom G7 – und dies trotz enger Partnerschaften zwischen den Unternehmen. Noch länger hat die Integration der Abbott CGM-Systeme Freestyle Libre 2 und 3 gedauert. Dies zeigt, dass die ideale (= freie) Kombination von Pumpe, CGM und Steuergerät durch einen Nutzer, de facto auf dem derzeitigen Diabetesmarkt technologisch und finanziell schwierig ist.
Das Konzept des Individuellen/Komplexen kann als Kompromiss gegenüber dem Standardisierten/Einfachen betrachtet werden: Während einige Anwender ein System wünschen, bei dem sie jede Funktion verändern und anpassen können (individuell/komplex), bevorzugen andere ein System, das „Plug and Play“ ist (standardisiert/einfach). Die kommerziellen AID-Systeme bieten eine breite Palette von AID-Optionen, von denen einige, wie das Tandem Control-IQ-System, die Anpassung mehrerer Parameter zu vielen verschiedenen Tageszeiten ermöglichen, während andere wie Beta Bionics iLet die Einfachheit bieten, dass keine Parameter angepasst werden müssen. Kommerzielle AID-Systeme bieten auch schlauchgebundene und schlauchlose Optionen bei den Insulinpumpen und bald auch mehrere CGM-Optionen für ein bestimmtes AID-System. Die Hersteller haben Smartphone-Apps auf den Markt gebracht, die die Steuerung von Pumpe und Boluszufuhr bei einer Mahlzeit direkt vom Mobiltelefon aus ermöglichen, so dass der Menschen mit Diabetes die Wahl hat, welche Geräte er mit sich führt und wie viele er mit sich führen muss. Während eben noch kein vollständiges „Closed-Loop-System“ verfügbar ist, bietet das Medtronic 780G eine Technologie zur Erkennung von Mahlzeiten, und das Beta Bionics iLet ermöglicht die einfache Ankündigung von Mahlzeiten, es ist kein genaues Abschätzen des Kohlenhydratanteils erforderlich. Studien der nächsten Generation zum Control-IQ-Algorithmus haben eine TIR von >80% bei unangekündigten Mahlzeiten gezeigt. Eine ambulante Studie zu diesem Algorithmus ist auf clinicaltrials.gov unter FDA- und IRB-Genehmigungen aufgeführt. Der kommerzielle Bereich bietet dem Nutzer sowohl die Wahl und die Kontrolle über das Gerät sowie die Flexibilität des Formfaktors, ist aber nur eingeschränkt innovativ.
4: Zugang und Erschwinglichkeit
Pros: Das beste AID-System ist das System, das der Betroffene nutzen kann und will, was auch bedeutet, dass er Zugang dazu hat und es sich leisten kann. Das bedeutet, dass nicht nur die persönliche Wahl und Vorliebe für ein AID-System berücksichtigt wird, sondern dass die Gemeinschaft der Diabetes-Anbieter auch ein klares Verständnis für die Kosten haben muss, die mit Diabetes einhergehen. An vielen Orten auf der Welt, an denen kommerzielle AID-Systeme nicht finanziert oder von den Krankenkassen übernommen werden, und in vielen Fällen auch dann, wenn sie übernommen werden, spielen die Kosten eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für DIY-AID-Systeme, weil sie günstiger sind als kommerzielle AID-Systeme, selbst wenn man andere wichtige Entscheidungsfaktoren wie Eignung und Wirksamkeit bestimmter Systeme außer Acht lässt.
Trotz eines hervorragenden Versicherungsschutzes und der zunehmenden Versorgung mit Hilfsmitteln in Ländern wie den USA ist Diabetes immer noch sehr teuer, vor allem, wenn man die Kosten für kommerzielle AID-Systeme betrachtet. Eine Kosten-Nutzen-Analyse eines kommerziellen AID-Systems aus dem Jahr 2020, die möglicherweise nicht den Umfang aller kommerziellen Systeme widerspiegelt und die sich preislich unterscheiden, deutet auf jährliche Kosten von mehr als 6.000 Dollar pro Jahr hin, wenn man alle Verbrauchsmaterialien für ein schlauchloses AID-System berücksichtigt und wenn der Versicherungsschutz nicht inbegriffen ist. Dies liegt mehr als 2.000 Dollar höher als der anfängliche Kaufpreis einer eigenständigen Insulinpumpe ohne AID (für die es dann eine Garantie für mehrere Jahre gibt). Aus globaler Sicht bedeutet dies, dass die meisten Menschen mit Typ-1-Diabetes realistischerweise keinen Zugang zu kommerziellen AID-Systemen haben, somit sind in vielen Ländern keine kommerziellen AID-Systeme als verfügbare Optionen zugelassen. In Ländern wie dem Vereinigten Königreich könnten die vorgeschlagenen Richtlinien die Mehrheit der Menschen mit Typ-1-Diabetes, die ein kommerzielles AID-Systemen wünschen, davon ausschließen.
Im Gegensatz dazu werden bei DIY-AID-Systemen eigenständige, kommerziell zugelassene Pumpen und CGMs verwendet, auch wenn diese für die Nutzung im Rahmen eines AID-Systems nicht zugelassen sind, es aber viele Möglichkeiten der Interoperabilität mit verschiedenen DIY-AID-Systemen gibt. Die Benutzer müssen kompatible Insulinpumpen kaufen, wenn sie nicht bereits eine besitzen. Der Algorithmus für die Verwendung in DIY-AID-Systemen ist kostenlos erhältlich.
Cons: Erschwinglichkeit und Zugänglichkeit sind absolut wesentliche Kriterien für die Beurteilung des Erfolgs von Hilfsmitteln. In den Vereinigten Staaten gibt es erfreulicherweise vier kommerzielle AID-Systeme, wobei diese bisher primär für Menschen mit Diabetes mit Typ-1-Diabetes gedacht sind. Allerdings wurden die Empfehlungen der Centers for Medicare and Medicaid Services vor kurzem aktualisiert, um den Zugang zu CGM-Systemen und AID-Systeme auf praktisch alle Menschen mit Diabetes auszuweiten, die eine Insulintherapie benötigen. Auch der kommerzielle Versicherungsschutz in den Vereinigten Staaten hat sich seit 2016 und der Einführung des Medtronic 670G-AID-Systems schnell an die Abdeckung der Kosten solcher Systeme angepasst. Auf dem US-Markt ist es wahrscheinlich, dass alle verfügbaren Insulinpumpenoptionen in Zukunft AID-Systeme sein werden, so dass die Idee der Nutzung eines AID-Systems gleichbedeutend mit der einer Pumpennutzung sein wird. Im Barbara Davis Center in Denver werden bis Ende 2023 über 90% der Pumpenbenutzer ein AID-System verwenden. Während Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen für viele Menschen in den USA ein schwieriges Thema bleiben, wird es keinen Unterschied zwischen den Kosten für die Pumpe und das Pumpenmaterial zwischen kommerziellen AID-System und der Pumpe selbst geben, wenn die Pumpe in einer DIY-AID-Konfiguration verwendet werden soll. DIY-AID würde daher für Menschen, deren Diabetesbehandlung von ihrer Versicherung oder anderen Programmen abgedeckt wird, keinen Kosten- oder Zugangsvorteil gegenüber der kommerziellen AID bieten.
Es ist bedauerlich, dass es keinen universellen Zugang zu CGM- und AID-Systemen für jeden Menschen mit Diabetes auf der Welt gibt. In kleineren Märkten, in denen AID-Systeme von der eigenständigen Pumpe getrennt ist, gibt es möglicherweise viele Menschen, die keine kommerziellen AID-Optionen haben, aber Zugang zu einer potenziell steuerbaren Insulinpumpe. In diesen Fällen kann das Nutzen-Risiko-Verhältnis tatsächlich zugunsten von DIY-AID-Konzepten ausfallen. Wie bereits erörtert, belegen die Daten zu DIY-AID-Systemen deren Sicherheit und Wirksamkeit im Vergleich zur herkömmlichen Diabetesbehandlung. Das Hauptargument dieser Gegenargumente ist, dass DIY-AID nicht viel mehr bietet als die kommerziellen Systeme, so dass es in diesem Zusammenhang besser ist, ein konventionell reguliertes AID-System zu verwenden. In Märkten ohne zugängliche kommerzielle AID-Systeme lässt sich jedoch leicht argumentieren, dass ein Anbieter im Rahmen der Standardversorgung praktiziert, wenn er ein OS-AID-System auf der Grundlage von Peer-Review-Literatur empfiehlt.
5: Aufklärung von Patienten und Leistungserbringern
Pros: Es gibt eine wachsende Zahl von sogenannten „Hilfsmitteln“, darunterfallen sowohl kommerzielle als auch DIY-AID-Systeme, die von Menschen mit Diabetes verwendet werden. Obwohl die meisten DIY-AID-Systeme als „DIY“ eingesetzt werden, d. h. von Einzelpersonen implementiert werden, gibt es diese Systeme nun schon seit fast einem Jahrzehnt. Sie sind nicht neu, und das spiegelt sich auch in der zunehmenden Menge an Schulungsmaterial für diese wider. Für Menschen mit Diabetes gibt es umfangreiche schriftliche Handbücher und Anleitungen für den Aufbau und die Verwendung von Systemen sowie Videos, Live-Webinare, Blogs und andere von Patienten erstellte Inhalte in sozialen Medien über den Aufbau und die Optimierung der Verwendung von DIY-AID-Systemen. Für die Leistungserbringer sind all diese Schulungsmaterialien ebenfalls zugänglich, zusätzlich zu häufigen Vorträgen von klinischen Experten mit umfassender Erfahrung in der Unterstützung von Menschen mit Diabetes bei der Verwendung von DIY-AID sowie der klinisch unterstützten Verwendung von DIY-AID auf Konferenzen der verschiedenen Arten von großen Diabetesorganisationen (wie ISPAD, EASD, ATTD, ADA, ADCES und mehr) sowie veröffentlichten Artikeln in wissenschaftlichen Zeitschriften mit spezifischen Anleitungen für Leistungserbringer. Der Unterschied besteht in erster Linie darin, dass die Schulungen nicht von Unternehmen finanziert werden, die AID-Systeme herstellen und verkaufen.
Auch wenn es nicht trivial ist, den Überblick über die verschiedenen Zweige und Spielarten von DIY-AID-Systemen zu behalten, ist es wichtig zu verstehen, dass es seit Jahren bei keinem dieser Systeme wesentliche Algorithmus-Änderungen gegeben hat. Für die Anbieter ist es wichtiger zu wissen, welche Funktionen (z. B. Super-Mikro-Bolus oder Auto-Bolus) ein potentieller Nutzer verwendet, als zu wissen, welche exakte technische Version der Nutzer verwendet, da dies Auswirkungen auf die Empfehlungen für die Einstellungen hat. Die Aufklärung über diese Funktionen kann über eine geeignete Dokumentation sowie über häufige Präsentationen auf medizinischen Konferenzen erfolgen.
Cons: Abgesehen von Bedenken hinsichtlich der Regulierung und möglicher medizinischer/ rechtlicher Probleme ist eine geeignete Aufklärung das wichtigste Argument gegen den weiteren Bedarf bei DIY-AID-Systemen. Außerhalb einiger großer akademischer medizinischer Zentren hat die Verbreitung kommerzieller AID-Systeme nicht in dem Maße zugenommen, wie es der Erfolg bei deren Zulassungsstudien dies vermuten lässt. Ein von Fachkollegen häufig angeführter Grund ist, dass sie die Systeme nicht verstehen. Ein Diabetes-Team am Barbara Davis Center hat das Panther-Programm (https://www.pantherprogram.org/) als Ressource entwickelt, um Anbietern ein besseres Verständnis der kommerziellen Gerätelandschaft bei AID-Systemen zu ermöglichen. Trotz der von der Industrie finanzierten Aufklärungsbemühungen, unabhängiger Aufklärungsbemühungen und umfangreicher, von Fachleuten überprüfter Literatur haben viele Anbieter immer noch Schwierigkeiten, die relativ einfachen kommerziellen AID-Systeme zu verstehen.
Das DIY-AID-Design hebt diese Herausforderung auf eine andere Ebene. Ärzte, Krankenschwestern und andere Diabetesberater sind in der Regel keine Ingenieure, weder von der Ausbildung her noch aus praktischen Gründen. Die meisten Menschen mit Diabetes und ihre Familien sind j auch keine Ingenieure und verfügen vielfach nicht über eine technische Ausbildung bei der Programmierung von Apps oder beim Verständnis von Steuerungsalgorithmen. Der wahrgenommene Mangel an technischen Fähigkeiten ist ein ebenso großes Hindernis wie die das Fehlen von erforderlichen technischen Fähigkeiten, auch wenn die Fähigkeit, moderne DIY-AID-Systeme zu bauen eher dem Kochen nach einem Online-Rezept ähnelt. Dies schafft eine erhebliche Einstiegshürde für Menschen bei der DIY-AID-Seite, da potenzielle Nutzer entweder selbst über diese Fähigkeiten verfügen oder Beziehungen zu jemandem haben müssen, der sie besitzt und bereit ist, ihnen zu helfen. Während das Verständnis für die kommerziellen Algorithmen bei Anbietern, Menschen mit Diabetes und Familien begrenzt sein kann, bietet die Industrie für ihrer AID-Systeme Schulungen für Anbieter und klar definierte und rechenschaftspflichtige Unterstützungsdienste für Anwender.
Diese Probleme werden durch die schnelle Iteration innerhalb der Open-Source-Gemeinschaft noch verschärft. Während diese Einführung neuer Softwareversionen und neuer Funktionen für engagierte Nutzer von Vorteil ist, wird es für Anbieter, die nicht ausschließlich Experten für Menschen mit Typ-1-Diabetes sind, sehr schwierig, mit dieser Innovation Schritt zu halten. Darüber hinaus können die Nutzer ihre eigenen Änderungen an DIY-AID-Systemen vornehmen, die über die von einer bestimmten Plattform herunterladbare „Standardversion“ hinausgehen. Dadurch entsteht eine „Verständnislücke“/Kommunikationslücke“ zwischen der medizinischen Fachkraft und dem Gerät, für das sie medizinische Ratschläge erteilt, ein Umstand, der dazu führen könnte, dass die Fachkraft einem Menschen mit Diabetes und seiner Familie falsche Empfehlungen gibt.
Diese Unterschiede zwischen der Gewissheit der Konstruktion kommerzieller Geräte und der Ungewissheit der DIY-AID-Geräte sind besonders wichtig, wenn es gilt über die unterschiedlichen Perspektiven der Nutzer (Menschen mit Diabetes und Angehörige) und der Leistungserbringer zu sprechen. Gesundheitsdienstleister, die eine Person mit Diabetes sehen, die ein DIY-AID-System verwendet, können sich daher nicht sicher sein, welches „Build“ (=Konzept), welches ein bestimmter Benutzer zusammengebaut hat, oder welches er sogar von der allgemein verwendeten Version abgewandelt hat. Da ein Nutzer möglicherweise die Leistungsparameter eines bestimmten Modells verändert oder zusätzliche experimentelle Funktionen hinzugefügt hat, kann es für einen Leistungserbringer schwierig oder unmöglich sein, einem Benutzer, der sein System auf diese Weise verändert hat, genaue oder sichere medizinische Ratschläge zu geben.
Schlussfolgerungen
Viele dieser Überlegungen dienen ja dazu, dass das ein Menschen mit Diabetes gemeinsam mit seinem Diabetesteam eine Entscheidung dazu treffen können, welches (DIY-)AID-Systeme am geeignetsten ist. Solange kommerzielle AID-Systeme nicht wirklich auch die Mahlzeiten ohne Vorankündigung des Nutzers abdecken können, zu erschwinglichen Preisen für alle Menschen mit Diabetes verfügbar sind, wird es auch in Zukunft einen Platz für DIY-AID-Systeme geben. Das wichtigste AID-System ist dasjenige, zu dem der Menschen mit Diabetes Zugang hat und das er nutzen kann und auch wird.
Wenn ein Menschen mit Diabetes kommerzielle AID-Systeme strikt ablehnt, aber für ein DIY-AID-System offen ist, sollte er darüber geeignet informiert werden. Es geht darum, dass er Zugang zu den Vorteilen von AID-Systemen bekommt, denn diese sind Hinsicht auf Glucosekontrolle und Lebensqualität gut belegt.
Es ist zu hoffen, dass alle Menschen mit Diabetes, die ein kommerzielles AID-System verwenden wollen, ein solches auch erhalten können. Wenn Versicherungs- und Kostenbeschränkungen dies nicht zulassen (ein Thema in vielen Ländern weltweit), ist es verständlich, wenn sie sich für ein DIY-AID interessieren, wenn die finanzielle Hürde da niedriger ist. Wenn der Wettbewerb zwischen den kommerziellen Herstellern (auch getrieben durch kostengünstigere CGM-Systeme aus anderen Ländern) die Kostenproblematik bei den AID-Systemen reduziert, sollten Kostenbarrieren nicht mehr der limitierende Faktor für die Nutzung darstellen.
Die Leistungserbringer sollten auch über mögliche eigene bewusste oder unbewusste Voreingenommenheit nachdenken und die Nutzung von AID-Systemen allen Menschen mit Diabetes empfehlen, unabhängig von der bisherigen Güte der glykämischen Kontrolle. Auf Grundlage der bisher verfügbaren Studienergebnisse kann zwar nicht behauptet werden, dass die Verwendung von DIY-AID zu signifikant besseren Werten bei allen Nutzern führt, auch wenn die Ergebnisse für die einzelnen Nutzer beeindruckend gut ausfallen. Ein direkter Kopf-an-Kopf-Vergleich von AID-Systemen mit DIY-AID-Systemen ist aufgrund der zahlreichen Varianten und der häufigen Aktualisierungen der DIY-AID-Systeme schwierig. Während die Häufigkeit und Schnelligkeit mit der Software-Updates oder neue Funktionen bei DIY-AID-Systemen eingeführt werden, von deren Nutzer als erheblicher Vorteil gegenüber dem kommerziellen AID-Systemen angesehen wird, diese müssten ja erst wieder den Zulassungsweg betreten, wenn größere Änderungen anfallen, macht es dies schwierig, definitive Aussagen über die Überlegenheit eines Systems gegenüber einem anderen in Bezug auf die glykämischen Ergebnisse zu treffen.
Mangels finanzieller Mittel oder Anreize für einen unvoreingenommenen Vergleich der beiden Ansätze ist die Frage, ob und wie schnell wir über Daten verfügen werden, um definitive Aussagen treffen zu können. Darüber hinaus können nicht-glykämische Faktoren, wie die Verfügbarkeit von Funktionen und deren Benutzerfreundlichkeit für die Nutzer von DIY-AID-Systeme wichtiger sein als glykämische Faktoren.
Es ist erfreulich zu sehen, dass die Anzahl und die Funktionalität von kommerziellen AID-Systeme weiter zunehmen. Wenn die Hersteller neue AID-Systeme entwickeln, sollten sie sich auf Erschwinglichkeit, Zugänglichkeit und Anpassungsfähigkeit fokussieren. Die Verfügbarkeit von DIY-AID-Systemen stellt Menschen mit Diabetes Optionen zur Verfügung, die einen gewissen externen Druck auf die Hersteller kommerzieller Systeme ausüben, Systeme zu entwickeln, die neue Funktionen, die sich bei DIY-AID-Software als nützlich erwiesen haben, zu imitieren und diese bei der Weiterentwicklung ihres eigenen Produkts zu berücksichtigen.
Menschen mit Diabetes wünschen sich nach wie vor, dass Verbesserungen bei den Produkten schneller auf den kommerziellen Markt kommen, dies war ja mal zu Beginn einer der Haupttreiber. Sowohl Menschen mit Diabetes als auch deren Betreuer sollten ein Mitspracherecht bei der Entwicklung aller AID-Systeme haben, denn es sind ja sie, die täglich mit diesen Systemen leben (müssen).
Die Hersteller sollten offen sein für Feedback und Ideen, die von der Open-Source-Gemeinschaft erforscht wurden, und umgekehrt, denn bisher hat keine der beiden Gruppen AID perfektioniert. Es sollte solch ein partnerschaftlicher Ansatz verfolgt werden und keine konkurrierenden Aktivitäten. Letztendlich soll das Ziel sein, die AID-Systeme zu entwickeln, die die besten Glucoseergebnisse mit der geringsten psychischen und physischen Belastung für die Menschen mit Diabetes ermöglichen, Systeme, die für alle Menschen mit Diabetes auf der ganzen Welt zugänglich und verfügbar sind.
Fazit: Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Dieser umfangreiche Artikel ist eine Pflichtlektüre für jeden, der sich für das Thema (DIY-)AID-Systeme interessiert.
- Forlenza GP, Tabatabai I, Lewis Point-Counterpoint: The Need for Do-It-Yourself (DIY) Open Source (OS) AID Systems in Type 1 Diabetes Management. Diabetes Technology & Therapeutics. doi: 10.1089/dia.2024.0073. PubMed PMID: 38669472 2024
diatec weekly – Juni 21, 24
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