Schätzungsweise 31,6 Millionen Menschen in der EU sind bereits an Diabetes erkrankt, gefördert durch die Alterung der Bevölkerung, die zunehmende Fettleibigkeit und weiterer gesellschaftlicher Veränderungen wird diese Zahl bis 2030 auf 33,2 Millionen ansteigen. Dabei weisen Menschen mit Diabetes ein zehnmal höheres Risiko auf, an Nierenversagen zu erkranken, und ein dreimal höheres Risiko, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu entwickeln. Jährlich sterben 686.000 Menschen an Diabetes oder einer damit zusammenhängenden Erkrankung.
Mit Blick auf die Europawahlen im Juni 24 hat das Europäische Diabetesforum (EUDF), der politische Arm der EASD, gemeinsam mit acht Diabetesverbänden das Positionspapier abgestimmt und geschrieben:
- European Association for the Study of Diabetes [EASD]
- European Foundation for the Study of Diabetes [EFSD]
- Foundation of European Nurses in Diabetes [FEND]
- International Diabetes Federation Europe [IDF Europe]
- International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes [ISPAD]
- Juvenile Diabetes Research Foundation [JDRF]
- Primary Care Diabetes Europe [PCDE]
- Société Francophone du Diabète [SFD]
Diese gemeinsame Aktivität von Menschen mit Diabetes, Diabetologen und Wissenschaftlern hat den „Diabetes Community Pledge“ als Teil einer Kampagne verabschiedet, die darauf abzielt, Diabetes in der nächsten Legislaturperiode in den Europäischen Institutionen nach ganz oben auf die europäische Gesundheitsagenda zu setzen. Der Aufruf ist in neun verfügbaren Sprachen abrufbar unter https://www.eudf.org/ und umfasst 15 politische Empfehlungen, die von der EU und den Mitgliedstaaten angenommen werden sollten, um Folgendes zu erreichen:
- Frühzeitige Diagnose von Diabetes
- Gleichberechtigte Versorgung
- Stärkung der Rechte von Menschen mit Diabetes und
- Einbeziehung von Wissenschaft und Technologie.
Durch diese Maßnahmen soll die Prävalenz von Diabetes reduziert und letztendlich umgekehrt werden, die Lebensqualität von Menschen mit Diabetes verbessert werden und es ihnen zu ermöglichen, aktive Mitglieder der Gesellschaft zu bleiben.
Angesichts des krassen Trends ist Untätigkeit einfach keine Option mehr. Der nun publizierte Aufruf soll die Grundlage für die Verbesserung des Lebens von Millionen von europäischen Bürgern bilden. Neue Technologien und Behandlungen ermöglichen es Menschen mit Diabetes, besser mit ihrer Erkrankung umzugehen und ein weitgehend normales Leben zu führen. Damit diese Durchbrüche auch genutzt werden können, sind jedoch mehr Maßnahmen erforderlich, um allen Menschen Zugang zu den besten Behandlungen und Technologien zu ermöglichen.
Da Diabetes auch das Risiko für andere Krankheiten erhöht, gibt es zwingende Gründe für Investitionen in die Diabetesversorgung. Impulse für einen ganzheitlichen Ansatz zur Bekämpfung von Diabetes haben in den letzten Jahren auf der europäischen politischen Agenda an Bedeutung gewonnen. So hat die interfraktionelle Arbeitsgruppe „Mobilising for Diabetes“ (MMD) von Mitgliedern des Europäischen Parlaments (MdEP) es geschafft, die Aufmerksamkeit der europäischen Gesetzgeber auf die Diabetesproblematik zu lenken. Im Oktober 2022 hat das Europäische Parlament eine historische Entschließung verabschiedet, in der stärkere nationale und EU-Maßnahmen zur Prävention, zum Management und zur besseren Versorgung von Diabetes gefordert werden.
Die zunehmende Bedeutung von Diabetes auf der europäischen und internationalen gesundheits-politischen Agenda wurde auch im vergangenen November deutlich, als die europäischen Sektionen der International Diabetes Federation und der WHO einen hochrangigen Fachgipfel zum Thema Diabetes abhielten. Durch die aktuelle Kampagne will die EUDF sicherstellen, dass Europa diesen Schwung beibehält und die notwendigen politischen Maßnahmen zum Umgang mit Diabetes auf die nächste Stufe hebt. Dazu zählt auch, dass die politischen Parteien in ihren Wahlprogrammen entsprechende Maßnahmen verankern. Eine wirksame Diabetesbekämpfung ist auch bei anderen Krankheiten, insbesondere bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, von Nutzen. Die Europäische Kommission hat eine gemeinsame Aktion der EU zur Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes (JACARDI) mit 53 Millionen Euro zur Durchführung von 142 Pilotprojekten ausgestattet, dies die bisher größte gemeinsame Aktion der EU im Gesundheitsbereich.
Konkrete Maßnahmen für Menschen mit Diabetes auf EU-Ebene sollen Unterstützung bieten und den Mitgliedstaaten bei der Gestaltung einer adäquaten Diabetespolitik helfen. Etwa jeder dritte Mensch mit Diabetes in der EU wurde bisher noch nicht diagnostiziert. Deshalb gilt es Programme zur Früherkennung durch Gesundheitscheck-Programme für alle Altersgruppen zu fördern. Dies ist der Schlüssel zur Vorbeugung und Behandlung der Krankheit, bevor es zu ernsthaften Komplikationen kommt.
Für eine gerechte und hochwertige Versorgung gilt es sicherzustellen, dass die richtige Behandlung für die richtige Person zum richtigen Zeitpunkt bereitgestellt wird, was beinhaltet, dass alle Menschen gleichberechtigten Zugang zu den am besten geeigneten Medikamenten und Technologien haben. Die Angehörigen der Gesundheitsberufe müssen geschult und befähigt werden, Menschen mit Diabetes sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärversorgung umfassend zu unterstützen. Durch Überwindung der therapeutischen Trägheit und rasche Therapieanpassung kann die Güte der Versorgung und die Lebensqualität der Menschen mit Diabetes massiv verbessert werden. Dazu zählt weiterhin, dass die Menschen in die Lage versetzen werden, mit ihrer Krankheit geeignet umzugehen, was eine gemeinsame Entscheidungsfindung von diesen und Angehörigen der Gesundheitsberufe beinhaltet.
Schließlich gilt es in Europa Wissenschaft und Technologie mehr zu unterstützen, da dies der Schlüssel zu einem besseren Verständnis von Diabetes und zur Entwicklung der Pflege- und Behandlungsmöglichkeiten in der Zukunft ist. Digitale Innovationen bieten hier enorme Möglichkeiten, nicht zuletzt im Hinblick auf die Erhebung klinischer Daten, einschließlich von Real-World-Daten. Die EU-Forschungsprogramme sollten sich mit allen Aspekten von Diabetes befassen, einschließlich der Einführung digitaler medizinischer Technologien.
Fazit: Die wirtschaftlichen Aspekte von Diabetes machen eines deutlich: Investitionen in Diabetesprävention und -versorgung können zu massiven Einsparungen führen, indem Kosten für unsere Gesundheitssysteme und Volkswirtschaften vermieden werden. Die diabetesbedingten Gesundheitskosten in der EU belaufen sich jährlich auf rund 104 Milliarden Euro. Hinzu kommen weitere 65 Milliarden Euro an jährlichen Produktivitätsverlusten durch Diabetes. Drei Viertel dieser diabetesbedingten Gesundheitskosten sind auf vermeidbare Komplikationen zurückzuführen. Dieser Aufruf ist deshalb ausgesprochen wichtig und wir dürfen gespannt sein, wie er in den einzelnen Ländern und bei uns in Deutschland umgesetzt wird.
- Del Prato S, Torbeyns B, Mathieu C, on behalf of the European Diabetes Forum B. 2024: The year to take European action on diabetes to the next level. Diabetologia. 2024. doi: 10.1007/s00125-024-06166-9.
diatec weekly – Juni 14, 24
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