Ein Artikel über eine diabetesbezogene App, der in einer angesehenen Zeitschrift publiziert wird (Acram R et al. Nature Medicine 2020, doi.org/10.1038/s41591-020-1010-5), garantiert schon eine gewisse Aufmerksamkeit. Es geht dabei um eine nicht-invasive Methode zur Identifizierung von Diabetes durch Messung eines „digitalen Biomarkers“ im Gefäßsystem, eine optische Methode namens Photoplethysmographie (PPG). Dabei werden Blutflussänderungen im Gefäßbett gemessen, und zwar durch Einstrahlung von Licht in das Gewebe an der Fingerspitze oder am Handgelenk. Die Menge an zurückgestrahltem Licht wird dabei in Relation zu Änderungen im Blutvolumen mit der Kamera bzw. der Lampe darin eines Smart-Phones gemessen. Die PPG-Methode wird bereits klinisch für die Messung der Herzfrequenz und der peripheren Sauerstoffsättigung eingesetzt.
Unter Verwendung eines “Deep Neural Network” (DNN) haben die Autoren die Daten von drei verschiedenen Kohorten daraufhin analysiert, ob durch PPG bestimmte Muster erkannt werden können, die bei einer Diabetesmanifestation auftreten wie z.B. endotheliale Dysfunktion, arterielle Steifheit und/oder Neuropathie. Die Verwendung von weiteren klinischen Faktoren wie Alter, Geschlecht, Rasse und BMI verbesserten die Diabetesdiagnose weiter.
Die primäre Kohorte bestand aus 53.870 Teilnehmern der „Health eHeart”-Studie mit mehr als 2,5 Millionen PPG-Messungen über einen Zeitraum von 4 Jahren hinweg. Dabei gaben 6,6% (3564) der Teilnehmer an, einen Diabetes zu haben, die Sensitivität der Diabeteserkennung durch das DNN betrug 75%, die Spezifität 65%, der positive prädiktive Wert 13% und der negative prädiktive Wert 97%.
Bei der zweiten Kohorte mit 7.806 Teilnehmern, die im Zeitraum von Mai bis Dezember 2018 neu in die Studie aufgenommen wurden, betrugen diese Werte: 81% (Sensitivität), 54% (Spezifität), 14,5% (positiver prädiktiver Wert) und 96,7% (negativer prädiktiver Wert). Vergleichbare Ergebnisse wurden bei 181 Menschen einer dritten „klinischen“ Kohorte gefunden. Diese konsekutiven Patienten wurden zwischen November 2018 und Juli 2019 aus drei kardiovaskulären Präventionskliniken rekrutiert (zwei in San Francisco, eine in Montreal).
In einer Sensitivitätsanalyse wurden nur Menschen untersucht, bei denen eine Bestätigung der Diabetesdiagnose durch Labormessungen vorlag. Der sogenannte „DNN score” wies einen unabhängigen prädiktiven Wert für Diabetes auf, auch nach Adjustierung für Alter, Geschlecht, Rasse und BMI der Teilnehmer, auch er war signifikant und positiv assoziiert mit dem HbA1v-Wert.
Bisher gibt oder gab es keine zuverlässigen, nicht-invasiven und in der Breite einsetzbaren Optionen zur Diabetesdiagnose. Von einer globalen Perspektive ausgehend hat wohl die Hälfte der Menschen mit Diabetes (über 200 Millionen) keine adäquaten Diagnosemöglichkeiten, denn geschätzte 79% dieser Menschen leben in Ländern mit einem niedrigen oder mittleren Einkommensniveau. Da aber die meisten Menschen, auch Ältere und Bewohner ärmerer Länder über Smart Phones verfügen, liegt hierin eine attraktive diagnostische Option. Hinzu kommt, dass wenn die Daten vieler Menschen durch solche Apps in die Cloud gesandt werden, können Informationen über die Diabetesprävalenz in großen Bevölkerungsgruppen gewonnen werden.
Fazit: In Anbetracht der weiten Verfügbarkeit von hochentwickelten Messinstrumenten und einer erheblichen Rechenpower in Form von Smart Phones, stellen diese eine attraktive Option zum Einsatz im medizinischen Bereich dar. Gerade bei der Diabetesdiagnose kann ein solcher nicht-invasiver Ansatz dabei helfen, Menschen mit einem möglichen Diabetes zu identifizieren und eine solche vorselektionierte Gruppe einer weitergehenden Diagnose zuzuführen.
DiaTec weekly – Mai 29, 20
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