Künstliche Intelligenz (KI) wird die Entwicklungen in der Diabetologie wesentlich beschleunigen, das war die einhellige Meinung beider Diabetologen. Das „Schneider Children’s Hospital“ in Israel, in dem M. Phillip arbeitet, hat ein KI-basiertes „Decision Support-System“ (DSS) entwickelt, welches auf Basis der erfassten Insulin- und Glukosedaten eines Patienten konkrete Echtzeitempfehlungen für die Insulintitration oder Einstellungen der Insulinpumpe empfiehlt. Wesentliche Aspekte beruhen auf dem Projekt „DreamMed“, hieran ist auch das Kinderkrankenhaus Auf der Bult (T. Danne) intensiv beteiligt.
Moshe Phillip diskutierte die ADVICE 4U-Studie, bei der das DreamMed DSS untersucht wurde und die zeigt, dass KI-generierte Empfehlungen zu Pumpeneinstellungen nicht unterlegen sind im Vergleich zu Empfehlungen von erfahrenen Endokrinologen. Der von der KI entwickelte Behandlungsplan für fünfzehn Patienten wurde zur unabhängigen Überprüfung an 26 Ärzte geschickt, dabei stimmten 41% der Basalrate zu, 45% der CR-Quote zu und 45% der CF, zwar keine perfekte Übereinstimmung, aber doch in einem gleichen Maße gut, wie sich Ärzte normalerweise auf einen Behandlungsverlauf einigen.
Moshe Phillips abschließende Ansicht ist, dass KI Prozessschritte reduzieren und Prozesse standortübergreifend vereinheitlichen kann, was zu Zeiteinsparungen für das Diabetesteam führt, auch für die Patienten reduziert sich der Aufwand bei ihrer Diabetestherapie deutlich. KI hat seiner Ansicht nach das Potenzial, klinische Ergebnisse zu verbessern, die Belastung der Therapeuten zu verringern, Arbeitsabläufe zwischen Anbietern und Kliniken zu standardisieren, die Nutzung der Gesundheitsversorgung zu verbessern und eine bessere Kommunikation zwischen allen Mitgliedern des Gesundheitsteams zu ermöglichen.
Tadej Battelino diskutierte anschließend das komplexe Thema der Machbarkeit einer KI-Implementierung in der Diabetesversorgung. Seiner Ansicht befindet sich die KI noch in einem frühen Stadium, es ist aber jetzt wichtig, für den Diabetesbereich einen „Fahrplan“ zu erstellen, der Hilfestellung gibt, wo und wie KI implementiert wird. Seiner Meinung nach ist das beste Beispiel für den Einsatz von KI bei Diabetes die diabetische Retinopathie. Hierbei werden KI-basierte Tools in prospektiven Studien evaluiert, insbesondere in Hinsicht auf Validierung und Kosteneffizienz. Sobald das ‚genaueste‘ Modell identifiziert wurde, kann dieses als Grundlage für maschinelles Lernen verwendet werden.
Im Bereich Diabetes-Management gibt es seiner Ansicht nach mehrere Anwendungs-Möglichkeiten, wie KI-basierte Tools die Pflege und Pflegemodelle verbessern können. Dies kann zu einem effizienteren Personaleinsatz, einen besseren Therapieerfolg und -ergebnis sowie einer Verkürzung und Standardisierung von Entscheidungswegen führen, was wiederum zu einer Kostensenkung führen sollte.
Fazit: Ob diese Vorstellungen einer „Schönen Neuen Welt“ ihren Weg in den Alltag der Diabetes-Therapie finden werden, vor allem in Deutschland, ist noch nicht entschieden. Allerdings konnten wir uns vor 15-20 Jahren auch viele andere Dinge der Digitalisierung vorstellen, die heute absoluter Alltag sind! Auch die Referenten sehen noch Hindernisse für KI-gestützte DSS: Sie betonten die Notwendigkeit von Verbesserungen bei der Datenstandardisierung und für offene Standardplattformen. Optimale KI-Algorithmen und die Einbeziehung aller Beteiligten, einschließlich der Patienten mit Diabetes von Anfang an können am Ende des Tages tatsächlich zu einer deutlichen Verbesserung in der Diabetes-Therapie durch KI führen.
Das Thema ist spannend, deshalb wird es auch das Schwerpunktthema bei diatec im Januar 2024 sein: Diabetes-Technologie in Zeiten der Digitalisierung. Wie wird KI die Diabetologie verändern? Welche ethischen Fragen erfordern Lösungen und Antworten, wie gelingt die digitale Transformation? Viele spannende Themen werden sich um diese Aspekte drehen. Kommen Sie zur diatec 2024 nach Berlin, wir freuen uns auf Sie!
diatec weekly – Dezember 8, 23
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