Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas, definiert ab einem Body-Mass-Index ³30 kg/m²) sind in Deutschland ein wachsendes Problem. Betroffen sind sowohl Erwachsene als auch Kinder und Jugendliche. Bei den Erwachsenen sind mehr als die Hälfte übergewichtig, knapp ein Viertel leidet an Adipositas. Bei Kindern und Jugendlichen sind 15% der Drei- bis Siebzehnjährigen übergewichtig und 6% sogar adipös – Tendenz steigend. Übergewicht im Kindes- und Jugendalter ist besonders problematisch, weil übergewichtige Kinder meist auch als Erwachsene übergewichtig bleiben. Sie haben dann ein erhöhtes Risiko für Krankheiten wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Eine gesunde Ernährung spielt für die Bekämpfung von Übergewicht und Adipositas eine zentrale Rolle. Doch oftmals ist es gar nicht so einfach, auf eine gesunde Ernährung zu achten, wenn man z.B. finanzielle Aspekte mit einbezieht. So sind häufig „ungesunde” Lebensmittel deutlicher billiger als „gesunde” Lebensmittel. Hierzu zählen oft auch übermäßig gezuckerte Lebensmittel. Die Zuckersteuer wurde in Deutschland mit Wirkung vom 1. Januar 1993 im Hinblick auf den Binnenmarkt der Europäischen Gemeinschaft abgeschafft, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
Im Jahr 2018 wurde von der damaligen Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) die „Nationale Reduktionsstrategie“ für Fertiglebensmittel ins Leben gerufen. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt den Regierungen, zuckerhaltige Getränke mit einer Sondersteuer von mindestens 20% zu belegen. Eine Zuckersteuer oder andere Abgaben auf stark zuckerhaltige Getränke oder Lebensmittel sind von der Bundesregierung derzeit aber nicht geplant.
Deshalb haben wir Sie im Oktober nach Ihrer Meinung gefragt:
»Was halten Sie von einer „Zuckersteuer“ (Erhöhung der Steuer auf stark zuckerhaltige Produkte, z. B. Limonade)?«
Die Frage wurde von 646 Personen beantwortet, davon 590 Menschen mit Diabetes, 21 Angehörigen und 35 BehandlernInnen. 50,2% der Befragten waren Frauen. Die Teilnehmenden waren zwischen 19 und 87 Jahren alt, das mittlere Alter betrug 56,6 Jahre. 76,1% der Menschen mit Diabetes haben einen Typ-1-Diabetes, 23,9% einen Typ-2-Diabetes, im Mittel leben sie seit 26,7 Jahren mit ihrem Diabetes.
Bei der Frage des Monats Oktober wird deutlich, dass die Mehrheit der dia·link-Community der Meinung ist, dass eine Zuckersteuer sinnvoll ist. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass 88,5% der befragten BehandlerInnen die Einführung einer Zuckersteuer als „eher sinnvoll“ (11,4%) oder „sehr sinnvoll“ (77,1%) erachten. Bei Menschen mit Diabetes zeigt sich ein ähnliches Muster: 63,5% haben entweder die Antwortoption „eher sinnvoll“ (23,8%) oder „sehr sinnvoll“ (39,7%) gewählt. Hierbei zeigt sich auch kein Unterschied zwischen Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes.
Bei den Angehörigen ergibt sich der wiederkehrende Eindruck, dass 9,5% die Option „eher sinnvoll“ und 61,9% die Option „sehr sinnvoll“ gewählt haben. Besonders bemerkenswert ist dabei der deutliche Unterschied bei der Aussage „sehr sinnvoll“ zwischen den Menschen mit Diabetes (39,7%) und den BehandlerInnen (77,1%).
Dass dennoch 36,5% der Menschen mit Diabetes eine Zuckersteuer entweder überhaupt nicht (17,6%) oder eher nicht (18%) für sinnvoll halten, mag daran liegen, dass Lebensmittel oder Getränke mit einem hohen Zuckeranteil, die für eine Hypoglykämie-Behandlung geeignet sind, teurer wären.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Mehrheit der hier befragten Personen mit Diabetes sowie ihre Angehörigen und BehandlerInnen eine Zuckersteuer als sinnvoll erachten und eine Wiedereinführung befürworten würden. Angesichts der zunehmenden Problematik von Übergewicht und Adipositas in Deutschland scheint dies ebenfalls gerechtfertigt. Allerdings sollte es in diesem Fall eine Möglichkeit geben, Menschen mit Diabetes, die stark zuckerhaltige Getränke oder Lebensmittel für eine Hypoglykämie-Behandlung benötigen, zu entlasten.
Fazit: Schaut man auf Länder, die bereits eine Zuckersteuer eingeführt haben, zeigt sich beispielsweise an Mexiko ein Erfolg. Seit Anfang 2014 haben sie zuckerhaltige Getränke mit einer Steuer von zehn Prozent belegt. Der Verkauf von süßen Softdrinks ist in Mexiko durchschnittlich um sechs Prozent zurückgegangen. Der Verkauf von nicht besteuerten Getränken, insbesondere Wasser, ist gleichzeitig um vier Prozent gestiegen (BMJ 2016;352:h6704).
Wir sind gespannt darauf, wie die Diskussion um die Zuckersteuer in Deutschland weitergeht. Unsere Ergebnisse sollten jedoch der Politik Rückenwind geben, dass Menschen mit Diabetes und deren Angehörige sowie BehandlerInnen eine Zuckersteuer für sinnvoll halten.
Und hier geht’s zur Frage des Monats November: Als Mensch mit Diabetes profitiert man heutzutage vom technologischen Fortschritt in der Diabetologie. Die meisten Entwicklungen haben zum Ziel, das Leben von Menschen mit Diabetes zu vereinfachen und ihnen ein nahezu normales Leben zu ermöglichen. Diese Fortschritte gab es schon immer: Nach den Spritzen kamen die Insulinpens und dann die Insulinpumpen. Auch die Blutzuckermessungen wurden immer schneller, benötigen weniger Blut und sind einfacher zu handhaben. In den letzten Jahren hat die Digitalisierung auch in der Diabetologie an Bedeutung gewonnen und Fahrt aufgenommen. Konzepte wie das kontinuierliche Glucosemonitoring, die AID-Systeme sowie Algorithmen sind heute gängige Begriffe in diesem Zusammenhang.
Nicht nur die Technologie schreitet mit großen Schritten voran, sondern auch im Bereich der Diabetesmedikamente gibt es immer wieder neue Fortschritte, um die Therapie von Menschen mit Diabetes zu verbessern. Auch die sogenannte partizipative Entscheidungsfindung, die eine Form der Interaktion zwischen Behandlern und Patienten beschreibt und das Ziel verfolgt, eine aktive Beteiligung der Patienten an ihrer Behandlung zu fördern, wird immer häufiger in der Praxis angewendet. Allerdings bleibt es weiterhin dem persönlichen Ermessen jedes Menschen mit Diabetes überlassen, wie viel vom aktuellen Fortschritt er in seine eigene Therapie miteinbeziehen möchte. Deshalb möchten wir Sie im November nach Ihrer Meinung fragen:
diatec weekly – November 10, 23
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Mit freundlichen Grüßen
Herzlichen Dank dafür, dass Sie aktuelle politische und soziale Themen ansprechen und uns zum Nachdenken anregen.
Abgesehen von den Neuigkeiten über die Technologie.
Vielen Dank für Ihre Mühe und Ihre wertvolle Zeit!
Mit besten Grüßen
Serap Mansuroglu
DB aus Wiesbaden