Wie eine unerwartete Wendung in der Handlung eines Buches oder Films verflechten, verschlingen, winden und verbinden sich auch Insulin und Glucose im Körper eines Menschen zu einem Tanz mit unerwarteten Wendungen. Deshalb ist der Name twiist für ein neues AID-System klug gewählt worden von der in Großbritannien ansässigen Firma Sequel Med Tech, die in den USA eine Zulassung ihres twiist AID-Systems für Menschen mit Typ-1-Diabetes ab sechs Jahren erhalten hat.
Das AID-System besteht aus einer DEKA Insulinpumpe und dem DEKA Loop-Algorithmus, der auf einem Tidepool Loop-Algorithmus basiert und mit der App iAGC kommuniziert. Als CGM-System wird Dexcom G6 genutzt. Twiist ist damit das achte AID-System, das von der FDA zugelassen wurde und reiht sich damit ein in eine schnell wachsende Wettbewerbslandschaft, allein in den USA bewegt sich der Anteil von Menschen mit Typ-1-Diabetes, die ein AID-System nutzen, inzwischen auf 40% zu.
Wer steckt hinter den einzelnen Komponenten dieses AID-Systems? Die Firma DEKA Research & Development wurde von Dean Kamen gegründet, der auch für die Entwicklung der ersten Insulinpumpen bekannt ist. Die DEKA-Pumpe ist ein kreisförmiges System für den Einmalgebrauch mit einer iOS-Steuerung und Apple Watch-Integration. Sie enthält 300 Einheiten Insulin, welche bei einer Nutzungsdauer von 3 Tagen mehr als ausreichend für die meisten Nutzer sein sollte. Ein Teil des System, die eigentliche Pumpe, ist bis zu drei Jahre lang wiederverwendbar, während der andere Teil ein Einwegprodukt ist – das Insulinreservoir mit 300 Einheiten. Bisher ist die Pumpe für die Verwendung mit Humalog von Lilly zugelassen, vermutlich kann sie auch mit anderen Insulinen wie Novolog oder Lyumjev und Fiasp (Off-Label) verwendet werden. Unklar ist, ob jedes beliebige Insulininfusionsset verwenden werden kann.
Die DEKA-Insulinpumpe soll eine größere Flexibilität und individuelle Anpassung der Insulinabgabe durch Mikrodosierung ermöglichen. Dieser Ausdruck Mikrodosierung beschreibt, dass das Insulin in Bruchteilen einer Einheit verabreicht werden kann. Die Pumpe verfügt über eine programmierbare Basalrate von bis zu 30 Einheiten/Stunde und kann Boli in 0,01-Einheiten-Schritten von 0,05 Einheiten bis 25 Einheiten abgeben. Das twiist-AID-System soll sowohl das Volumen (=Menge) als auch den Fluss (=Geschwindigkeit) jeder applizierten Mikrodosis Insulin durch eine proprietäre „Acoustic Volume Sensing-Technologie“ (AVS) messen. Dies soll eine stärkere Personalisierung der Insulindosierung ermöglichen, was wiederum zu einer besseren Glucosekontrolle führen soll. Diese Pumpe hat eine Zulassung als “alternate controller enabled (ACE)” in den USA erhalten und darf mit passenden Algorithmen und iCGM-Systemen kombiniert werden. Es muss also nicht ein CGM-System von Dexcom verwendet werden.
Zur Erinnerung: Tidepool ist der einzige von der FDA zugelassene Algorithmus für ein AID-System, welcher aus einem von Patienten geleiteten Projekt (Open-Source) hervorgegangen ist und nicht von Diabetes-Technologieunternehmen. Mit Tidepool Loop können Nutzer ihr eigenes AID-System zusammenstellen, indem sie ihre bevorzugten CGM- und Insulinabgabegeräte kombinieren. Die nun erfolgte Zulassung des twiist-Systems von Sequel ist deshalb ein bedeutender Meilenstein für Tidepool, da DEKA der erste Pumpenpartner von Tidepool mit einem FDA-zugelassenen System ist, das den Tidepool Loop integriert. Was weitere Partner betrifft, so hat Tidepool eine Partnerschaft mit embecta angekündigt, um ein AID-System speziell für Menschen mit Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Eine Beobachtungsstudie zu diesem System wurde bereits abgeschlossen.
Der Algorithmus des twiist-Systems bietet mehrere bemerkenswerte Funktionen, die twiist von anderen kommerziell verfügbaren AID-Systemen unterscheidet: Ein anpassbarer Korrekturbereich von 87-180 mg/dl, die Unterscheidung der Art der aufgenommenen Kohlenhydrate, und eine erweiterte Bolusfunktion mit Emojis für Lebensmittel, die der Bolusdauer entsprechen, zum Beispiel die Einstellung „Lollipop“ für schnell wirkende Kohlenhydrate, „Taco“ für mäßig kohlenhydrat-, fett- und eiweißhaltige Lebensmittel und „Pizza“ für fett- und eiweißreiche Kohlenhydrate. Die Bolusabgabe kann direkt über die App erfolgen, alternativ auch über die Apple Watch oder über einen Knopf direkt an der Pumpe.
Das System verfügt weiterhin über einen „Pre-Meal Preset“-Modus, der die Insulinabgabe erhöht, um den postprandialen Glukosespiegel zu senken und so das Risiko einer Hypoglykämie im Zusammenhang mit der Bolusgabe vor einer Mahlzeit zu verringern. Darüber hinaus verfügt das AID-System über einen schnellen Alarm zur Erkennung von Verstopfungen (~20 Minuten), damit Probleme an der Infusionsstelle früher erkannt werden können.
Attraktiv ist das Angebot für potentielle Nutzer, das twiist AID-System auszuprobieren, ohne sich direkt für einen Kauf zu verpflichten. Obwohl ein Zeitplan für die Markteinführung noch nicht bekannt gegeben wurde, kündigte Sequel an, twiist über Apotheken zu vermarkten.
Obwohl die klinischen Daten, die für die Zulassung dieses Systems notwendig waren, noch nicht veröffentlicht wurden, erhielt Tidepool Loop die FDA-Zulassung nach Einreichung einer Validierungsstudie zu menschlichen Faktoren (n>50), die im November 2020 abgeschlossen wurde. 12-Monats-Ergebnisse aus einer Open-Source-Loop-Studie (n=558) wurden bereits als sechs-Monats-Daten im November 2020 in DTT veröffentlicht und auf dem ATTD 2020 vorgestellt. Gemäß den Auflagen für die Zulassung von Tidepool Loop verlangte die FDA eine Überwachungsstudie nach der Markteinführung, da die klinische Studie vor der Markteinführung nicht genügend Teilnehmer umfasste. Sequel Med Tech wird zwei randomisierte Studien (T1 & T2) mit ihrem AID-System zusammen mit dem klinischen Forschungsunternehmen Jaeb durchführen. Außerdem wird Sequel Med Tech unabhängig von Tidepool mit seinem F&E-Partner DEKA Entscheidungen über iCGM-Partner treffen und diese testen/einreichen.
Fazit: Bisher liegen also keine publizierten Daten vor, die belegen, dass das twiist AID-System wirklich eine präzisere und zuverlässigere Insulinabgabe ermöglicht bzw. dass dies in der Praxis eine Relevanz für die Güte der Glucosekontrolle hat. Ob und wann eine CE-Markierung erfolgen wird, ist noch nicht bekannt. Unklar ist ferner, wie es mit der Preisgestaltung aussieht. Wir bleiben dran.
diatec weekly – Mai 3, 24
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