Dies ist die erste Aktualisierung der FITTER-Empfehlungen seit fast einem Jahrzehnt, die auf den umfangreichen Leitlinien früherer Veröffentlichungen aufbaut. Die Erstellung der Empfehlungen wurde von embecta (ehemals Becton Dickinson) unterstützt.
Die Empfehlungen umfassen die Auswahl der Insulinspritzen und -pens, der Nadeln, der eigentlichen Injektionsprozedur, der Reduzierung des Lipohypertrophie-Risikos sowie die Schulung von Patienten und medizinischen Fachkräften.
Einige wichtige Empfehlungen sind:
- Alle Patienten mit Diabetes sollten Insulinpens mit 4 mm-Nadeln und Spritzen mit 6 mm-Nadel verwenden, sofern diese verfügbar sind,
- Injektionsstellen sollten systematisch gewechselt werden,
- Hautfalten für die Insulinapplikation sollten nur verwendet werden, wenn die Patienten mit Diabetes wenig subkutanes Fett aufweisen,
- Nadeln sollten nicht wiederverwendet werden, es sei denn, dies ist aus Ressourcengründen sinnvoll und
- Wenn verfügbar, wird jetzt die Ultraschalluntersuchung der Hautareale empfohlen, wohin Insulin appliziert werden soll, um damit Stellen mit Lipohypertrophien zu erkennen, was die Sensitivität und Objektivität im Vergleich zur Palpation und visuellen Untersuchung verbessert.
Die Empfehlungen zielen darauf ab, die Diabetes-Teams und Patienten mit Diabetes dabei zu unterstützen, eine optimale Wirkung des applizierten Insulins zu erreichen. Bei der Besprechung zu Beginn des Startes einer Insulintherapie sollten die medizinischen Fachkräfte die klinischen, emotionalen und sozialen Bedürfnisse des jeweiligen Patienten mit Diabetes erfragen und entsprechende Medizinprodukte für die Insulinapplikation auswählen. Zur schnellen Auffindung von relevanten Themen wurden die Empfehlungen unterteilt in:
- Empfehlungen für die Insulinapplikationsgeräte,
- Insulinlagerung, Injektionsverfahren und Praktiken nach der Injektion,
- Proaktive Risikominderung und Erkennung von LH,
- Strukturiertes Training zur Optimierung der Insulinapplikation,
- Zukunftsperspektiven und Schlussfolgerungen.
Geräte für die Insulinapplikation
Die empfohlene Nadellänge beträgt 4 mm für alle Patienten mit Diabetes, unabhängig von Alter oder BMI. Pennadeln, die länger als 5 mm sind, werden für keine Bevölkerungsgruppe empfohlen – abgesehen davon, dass Wirksamkeit und Komfort oberste Priorität haben, erhöhen längere Nadeln das Risiko einer intramuskulären Injektion, was zu variablen Glucoseverläufen und andere Komplikationen führen können, insbesondere bei Patienten mit Diabetes mit wenig subkutanem Fettgewebe. Um das Risiko einer unbeabsichtigten intramuskulären Injektion zu minimieren, sollten Patienten mit Diabetes mit wenig subkutanem Fettgewebe eine Hautfalte abheben und diese für die Applikation verwenden. Dies sollte beifolgenden Patientengruppen in Betracht gezogen werden: Ältere Erwachsene (über 60-Jährigen), Patienten mit Diabetes mit niedrigem BMI (<19 kg/m²) bei Verwendung von 4 mm-Pennadeln, schwangere Frauen, die entweder seitliche Bauchbereiche oder eine Hautfalte in zentralen Bereichen über dem Fötus im zweiten Trimester verwenden, sowie Kinder, die 4 mm-Pennadeln verwenden. Es wird empfohlen Nadeln mit einem Durchmesser von 32-Gauge zu verwenden, da diese angenehmer sind für die meisten Patienten mit Diabetes. Interessant ist, wie es immer noch Möglichkeiten gibt, das Design der Pennadeln zu optimieren, so durch Änderung der Penbasis, d.h. der Stelle wo die Nadel in der Kappe eintritt. Ein geändertes Design führt dazu, dass bei der Injektion die Basis die Haut während der Insulinapplikation nicht so stark „eindrückt“. Dies führt zu einer Reduktion der Kraftanwendung während der Injektion, was sonst zu lokalen Einblutungen in die Haut führt, ein häufig gemeldeter Fehler bei der Applikationstechnik.
Insulinlagerung, Injektionsverfahren und Praktiken nach der Injektion
Die Empfehlungen beschreiben evidenzbasierte Praktiken für die Insulinlagerung und Injektionsverfahren, von denen viele im Vergleich zu den letzten Empfehlungen aus dem Jahr 2016 unverändert geblieben sind. Während eine geeignete Lagerung des Insulins im Kühlschrank für eine optimale Stabilität davon als entscheidend betrachtet wird, gibt es nun auch Empfehlungen, um den Komfort der Applikation zu erhöhen. So sollten ungeöffnete Insulinampullen bei 2–8°C gelagert werden, geöffnete Insulinampullen dagegen bei maximalen Umgebungstemperaturen von 15–30°C und geschützt vor direkter Sonneneinstrahlung. Die Insulinampullen sollten 30 bis 60 Minuten vor der Applikation aus dem Kühlschrank genommen werden, um Schmerzen an der Applikationsstelle durch kaltes Insulin zu vermeiden, was auch das Risiko des Auftretens von Lipohypertrophien reduziert.
Zu den empfohlenen Stellen für die Insulinapplikation gehören Bauch, Oberschenkel, Gesäß und Oberarm. Der Oberarm wird aufgrund der Schwierigkeit, im 90-Grad-Winkel zu injizieren, weniger stark empfohlen. Hautareale mit Lipohypertrophien, Narben, Tätowierungen und Hautläsionen sollten vermieden werden, um das Risiko einer beeinträchtigten Insulinabsorption zu verringern. Dabei ist eine reduzierte Insulinabsorption für den Patienten mit Diabetes nicht einfach zu erkennen. Die Applikationsstelle sollte systematisch gewechselt werden, um einer Lipohypertrophie vorzubeugen.
Lipohypertrophien bilden sich an den Applikationsstellen als eine Hautkomplikation, wenn dorthin wiederholt Insulin gespritzt oder infundiert wird. Um dies zu verhindern, sollte die entsprechenden Hautareale in Quadranten unterteilt werden, der aktuell genutzte Applikationsquadrant sollte alle drei bis vier Tage gewechselt werden. Jede Injektion sollte mindestens 1 cm von der vorherigen Stelle entfernt erfolgen. Die Mitglieder des Diabetes-Teams sollten die Rotationspraktiken der von ihnen betreuten Patienten mit Diabetes jährlich und bei Anzeichen einer Lipohypertrophie häufiger überprüfen.
Injektionstechnik für Pens und Spritzen: Die empfohlene Technik dafür wurde gegenüber den FITTER-Leitlinien von 2016 nicht geändert. Ärzte sollten ihre Patienten weiterhin über die Komponenten von Spritzen und Pens sowie deren Sicherheit und Nutzung detailliert aufklären. Patienten mit Diabetes sollten auch verstehen, wie sie die geeignete Größe von Spritzen basierend auf ihren üblichen Insulindosen auswählen. Die Empfehlung ist bei Verwendung von 6 mm-Spritzennadeln Spritzen mit einem Volumen von 1 ml, 0,5 ml oder 0,3 ml bei U-100-Insulindosen von jeweils ≤100, 50 und 30 Einheiten zu verwenden. Patienten mit Diabetes sollten darin geschult werden, die Insulindosis mit einer Spritze geeignet aufzuziehen. Für Insulinpens wird das folgende Vorgehen empfohlen:
- Vorbereiten des Pen gemäß den Anweisungen des Herstellers, auch wie die Nadel aufgeschraubt werden soll. Die Patienten mit Diabetes sollen die Nadellänge und -durchmesser gemäß den oben genannten Empfehlungen wählen.
- Die Injektionsstelle soll gemäß den oben genannten Empfehlungen zur Rotation der Injektionsstelle ausgewählt werden.
- Der Dosierknopf soll gleichmäßig gedrückt werden, bis die Injektion abgeschlossen ist und eine passende Rückmeldung von dem Pen gegeben wird, z. B. dadurch, dass der Dosierknopf auf null zurückkehrt.
- Die Pennadel soll erst nach >3 Sekunden aus der Haut gezogen werden, idealerweise erst nach 10 Sekunden.
Praktiken nach der Injektion
Die Wiederverwendung von Nadeln wird aufgrund des Infektionsrisikos und der Schmerzen durch das Abstumpfen der Nadel nicht empfohlen. Trotzdem verwenden viele Patienten mit Diabetes weltweit Nadeln mehrfach, da die Ressourcen begrenzt sind. Obwohl die Erkenntnisse über die maximale Anzahl der Verwendungen begrenzt sind bevor die Schmerzen signifikant zunehmen, wird empfohlen, dass Pen-Nadeln nur bis zu fünf Mal wiederzuverwenden.
Nicht-insulinhaltige Injektionstherapien: Die gleichen Injektionspraktiken wie für Insulin können auch für z.B. Inkretin-Therapien angewendet werden, um das Risiko von Lipohypertrophien zu senken.
Proaktive Risikominderung und Erkennung von Lipohypertrophien: Die Empfehlungen in FITTER-Forward dienen insbesondere auch zur Risikominderung für die Entwicklung von Lipodystrophien, zu denen Lipohypertrophien, Lipoatrophien und Amyloidosen gehören. Zusätzlich zu kosmetischen und körperlichen Aspekten können z.B. Lipohypertrophien nachweislich die Insulinabsorption negativ beeinträchtigen, was zu einer erhöhten Glucosevariabilität und einem erhöhten Risiko für Hypoglykämie oder Hyperglykämie führen kann. Basierend auf aktuellen Leitlinien für die Erkennung, Überwachung und Prävention von Lipohypertrophien werden Empfehlungen zu deren Erkennung gegeben: Das Screening auf Lipohypertrophien soll aufgrund der hohen Prävalenz davon, diese treten bei 37-64% der erwachsenen Patienten mit Diabetes bei einer Insulintherapie auf, ein routinemäßiger Bestandteil der Beurteilung diabetesbedingter Komplikationen sein. Sofern verfügbar, wird ein Ultraschall-Screening auf Lipohypertrophien empfohlen. Damit wird eine bessere Sensitivität und Objektivität im Vergleich zur Palpation erreicht. Wenn jedoch die Verfügbarkeit und die Kosten dafür ein Problem darstellen, sollten strukturierte und regelmäßige Abtastungen z.B. der Bauchhaut sowie visuelle Untersuchungen durchgeführt werden. Dies kann als Selbstuntersuchung von den Patienten mit Diabetes oder durch das medizinische Fachpersonal erfolgen. Es reicht nicht aus, die Patienten mit Diabetes nach der Rotation der Applikationsstellen zu fragen – es ist eine Form der Untersuchung erforderlich, um die Rotation der Injektionsstellen zu bestätigen.
Sobald eine Lipohypertrophie festgestellt wird, sollten die Patienten mit Diabetes das Insulin nicht mehr an diese Stellen applizieren. Durch Gespräche und Training sollten sich diese auf die Risikominderung durch regelmäßige Rotation der Injektionsstellen, die Vermeidung der Verabreichung von kaltem Insulin und die Vermeidung der Wiederverwendung von Nadeln fokussieren. Die visuelle Dokumentation von Hautstellen mit Lipohypertrophien kann hilfreich sein, um die Verbesserung im Laufe der Zeit zu verfolgen. In medizinischen Einrichtungen sollte eine geeignete Dokumentation der Injektionsstellen etabliert werden, um die regelmäßige Rotation der Applikationsstellen durch die Patienten mit Diabetes zu unterstützen.
Behandlung von Lipohypertrophien: Applikationsstellen mit Lipohypertrophien neigen dazu, sich bei einer geeigneten Rotation der Insulininjektionsstellen wieder zu verkleinern (s.o.). Entzündungshemmende Medikamente wie Glucocorticoide, niedrig dosiertes orales Prednison oder Cromolyn-Natrium können zu Verbesserungen an solchen Hautstellen führen. In extremen Fällen kann auch eine Fettabsaugung in Betracht gezogen werden.
Strukturiertes Injektionstraining zur Optimierung der klinischen Ergebnisse
Die Empfehlung enthält nun einen Abschnitt mit Empfehlungen zur Maximierung der Insulinwirkung. Bei der Besprechung zu Beginn einer Insulintherapie mit dem Patienten mit Diabetes sollten die medizinischen Fachkräfte dessen individuellen Bedürfnisse ermitteln und das Insulinapplikationssystem auswählen, welches hilft seine Ängste vor dieser Therapie abzubauen. Basierend auf evidenzbasierten Strategien werden die besten Ergebnisse erreicht durch:
- Frühzeitige Aufklärung über Systeme zur Insulinapplikation von neu diagnostizierten Patienten mit Diabetes, unabhängig davon, ob die Insulintherapie zum Zeitpunkt der Diagnose schon eingeleitet wird oder nicht.
- Wenn es gelingt, die Behandlungsbedürfnisse, Zugangsbarrieren, Vorlieben und Bedenken der Patienten mit Diabetes verstehen.
- Das „Warum“ hinter allen Empfehlungen mit dem Patienten mit Diabetes zu besprechen unter Verwendung von visuellen Darstellungen.
- Auf Warnzeichen hinweisen, die der Patienten mit Diabetes dem medizinischen Fachpersonal mitteilen sollte, wie ungewöhnliche Schmerzen, Blutungen, Blutergüsse oder übermäßiger Kraftaufwand bei der Injektion.
- Den Grad an Verständnis der Patienten mit Diabetes in Hinsicht auf die praktische Durchführung der Insulinapplikation beurteilen, indem diese gebeten werden, nach der Unterweisung die richtige Technik selber vorzuführen.
- Fortlaufend Auffrischungsschulungen anbieten und eine hohe Erreichbarkeit der Mitglieder des Diabetes-Teams sicherstellen, um bei Rückfragen für die Patienten mit Diabetes erreichbar zu sein, was die Therapietreue positiv beeinflusst.
- Sicherstellen, dass das gesamte Diabetes-Team (bzw. Klinikpersonal in entsprechenden Abteilungen in Krankenhäusern) mit der neuesten Insulinapplikationstechnologie und Bildungsstrategien vertraut ist.
- Die medizinischen Fachkräfte sollten sich die CGM-Daten anschauen, um den Glucoseverlauf auf ungewöhnliche glykämische Veränderungen überwachen zu können. Diese sowie überraschende Änderungen bei der Zeit im Zielbereich können darauf hindeuten, dass Insulinapplikationen in Hautbereiche mit Lipohypertrophien erfolgen oder anderweitig falsch verabreicht werden.
Zukunftsperspektiven und Schlussfolgerungen
Die Autoren räumen ein, dass die Umsetzung der FITTER-Empfehlungen durch Ressourcenknappheit weltweit erschwert wird. Zukünftige Aktualisierungen werden Empfehlungen über Innovationen enthalten, wie z. B. nadelfreie Injektoren, inhalierbares Insulin, Patch-Pumpen etc. So hat sich die technologische „Landschaft“ seit der Version der Empfehlungen von 2016, die nur konventionelle Insulinpumpen mit Infusionssets umfasste, erheblich weiterentwickelt. Alle Diabetes-Akteure sollten dazu beitragen, die Umweltbelastung durch Diabetes-Technologie-Produkte zu reduzieren. So sollten Hersteller umweltfreundliche Gerätedesigns für ihre Produkte entwickeln, Regulierungsbehörden Nachhaltigkeitsstandards festlegen und Recyclingprogramme für geeignete Produkte etabliert werden.
Einen wichtigen Raum in diesen Empfehlungen nimmt die optimale Schulung der Patienten mit Diabetes und der Mitglieder der Diabetes-Teams ein. Die Hersteller entsprechender Produkte sollten geeignete Schulungsmaterialien zur Verfügung stellen.
Die Empfehlungen betonen, dass Insulin nur begrenzte und/oder unvorhersehbare Wirkungen hat, wenn es nicht richtig verabreicht wird. Sowohl die Patienten mit Diabetes wie auch die Diabetes-Teams sollten deshalb der Schulung von Insulinapplikationstechniken entsprechende Aufmerksamkeit und Priorität einräumen, um damit die klinischen Ergebnisse zu verbessern und die Kosten für das Gesundheitssystem zu senken.
- Klonoff D, Berard L, Reis Franco D, Gentile S, Gomez OV, Hussein Z, Jain AB, Kalra S, Mader JK, Miller E, O’Meara MA, Robins M, Strollo F, Watada H, Heinemann L. Forum for Injection Technique and Therapy Expert Recommendations (FITTER) Forward: Advancing Insulin Delivery for Optimal Diabetes Care. Mayo Clin Proceedings 2025;100:682-99. doi: 10.1016/j.mayocp.2025.01.004. PubMed PMID: 40180487
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