Es gibt schon eine Reihe von früheren Studien, die die Hindernisse für körperliche Betätigung bei Patienten mit Typ-1-Diabetes untersucht haben, allerdings hatten die meisten eine geringe Stichprobengröße. Farrell und Kollegen von der britischen Universität Dundee sahen deshalb Bedarf für eine größere Studie, um das Wissen und die Barrieren für körperliche Aktivität bei erwachsenen Patienten und die damit verbundenen prädiktiven Faktoren zu untersuchen (Abstract LBA56).
Die Patienten wurden aus einem schottischen Forschungsregister sowie über soziale Medien rekrutiert. Insgesamt beantworteten 463 Erwachsene (221 Männer und 242 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 45 Jahren, einer mittleren Krankheitsdauer von 21 Jahren und einem mittleren HbA1c-Wert von 50 mmol/L) einen anonymen webbasierten Fragebogen, um die Hindernisse für körperliche Aktivität zu ermitteln. Der Fragebogen, welcher eine modifizierte Skala „Barriers to Physical Activity in Type 1 Diabetes [BAPAD-1]“ verwendet, bewertet das Diabetesmanagement und die Einstellung zu Bewegung und Sport. Die Teilnehmer wurden gebeten, auf einer 7-stufigen Likert-Skala (1, extrem unwahrscheinlich bis 7, extrem wahrscheinlich) einzuschätzen, welcher der folgenden Faktoren sie in den nächsten 6 Monaten von regelmäßiger körperlicher Betätigung abhalten würde: 1. Verlust der Kontrolle über den Diabetes, 2. das Risiko einer Hypoglycämie, 3. die Angst vor Müdigkeit, 4. die Angst, sich zu verletzen, 5. ein geringes Fitnessniveau und 6. fehlende soziale Unterstützung.
Die Forscher berechneten anschließend die Durchschnittswerte für jeden Faktor, bewerteten, welche Faktoren am stärksten mit den wahrgenommenen Hindernissen für körperliche Aktivität korrelierten, und ermittelten unabhängige Prädiktoren. Mehr als drei Viertel (79%) der Befragten gaben an, ein CGM-System zu verwenden und etwa zwei Drittel (64%), dass sie ihren Diabetes mit mehreren täglichen Insulininjektionen behandeln. Mehr als ein Drittel (36%) verwenden eine Insulinpumpentherapie. Das Hauptergebnis dieser Befragung war, dass die Angst vor Hypoglycämien eine signifikante Barriere für körperliche Aktivität darstellt (3,6 auf der Likert-Skala) und zwar trotz Nutzung von CGM und CSII.
Anschließend zeigten Onetto und Kollegen aus Chile und den USA drei Fallbeispiele, bei denen die Glucosekontrolle während eines Marathonlaufs durch ein hybrides AID-System (Medtronic 780G) erfolgte. Weil die Aufrechterhaltung einer stabilen Glucosekontrolle bei Patienten mit Typ-1-Diabetes während aeroben Trainings und sportlichen Wettkämpfen schwierig ist, kann der Einsatz von AID-Systemen helfen. Es enthält einen hybriden Regelalgorithmus, der automatisch die Abgabe von Basal- und Korrekturbolusinsulin alle fünf Minuten auf der Grundlage der Glucosewerte des CGM-System anpasst.
Fallbeispiele wie die folgenden geben Hinweise dazu, welche Strategien, diese Patienten vor und während des Rennens angewandt haben, um ihren Glucosekontrolle während des Rennens aufrechtzuerhalten. Für den Fernzugriff und die Analyse der Daten wurde die CareLink-Plattform von Medtronic verwendet. Ergänzende Daten wurden durch eine Kombination aus Interviews und Fragebögen erhoben.
Fall 1 (C1): Ein 50-jähriger Mann mit Typ-1-Diabetes seit 22 Jahren lief im März 2023 den Tokio-Marathon in rund 3,5 Stunden.
Fall 2 (C2): Ein 40-jähriger Mann lief im Mai 2023 in Santiago (Chile) einen Marathon mit einer Laufdauer von unter 5 Stunden.
Fall 3 (C3): Eine 34-jährige Frau mit einem Typ-1-Diabetes seit 27 Jahren lief im April 2023 den Paris-Marathon unter 4 Stunden.
Die CGM-Daten für C1, C2 und C3 wurden 30 Tage vor den Rennen heruntergeladen (TIR 89%, 76%, 82%; TAR>180 9%, 20%, 16%; TBR<70 1%, 4%, 1%). Ihre HbA1c-Werte vor dem Rennen betrugen 6,9%, 6,6% bzw. 6,7%. Die prozentuale Reduzierung des Frühstücksinsulins betrug -25%, 0% bzw. 0% für C1, C2 und C3. In allen drei Fällen wurde die Insulindosis bei der Zwischenmahlzeit vor dem Rennen um 50%, 100% bzw. 83% reduziert. Zusätzlich wurden Glucose-Gels als primäre Kohlenhydratquelle während des Rennens verwendet. Der Verbrauch an Kohlenhydraten während des Rennens betrug 0,39 g/kg/Stunde, 0,42 g/kg/Stunde bzw. 0,5 g/kg/Stunde. Die Gesamtmenge der aufgenommenen Kohlenhydrate betrug 102 g, 120 g bzw. 115 g. Während des gesamten Rennens wurde in allen Fällen ein vorläufiger Zielwert verwendet. Fall 2 blieb während des Rennens hyperglykämisch und benötigte während des Laufs zwei Insulinkorrekturen.
Fazit: Diese Ergebnisse liefern Hinweise für medizinisches Fachpersonal, wie sie Sportler mit Typ-1-Diabetes bei der Verwendung von AID-Systemen bei intensiven körperlichen Aktivitäten unterstützen können. Diese Untersuchung unterstreicht die Bedeutung von spezieller Schulung, Planung und personalisierten Ansätzen, hebt aber auch die beträchtlichen Möglichkeiten hervor, die die AID-Technologie für solche Nutzer bietet, um ihnen ein aktives Leben zu ermöglichen.
Trotz der Fortschritte bei der Diabetes-Technologie und dem Diabetesmanagement ist die Angst vor Hypoglycämien bei körperlicher Betätigung nach wie vor ein erhebliches Hindernis. Bedeutend in diesem Zusammenhang ist, dass die Teilnehmer, die am besten über die Anpassung der Insulindosis vor und nach dem Sport sowie die Anpassung der Kohlenhydratzufuhr für den Sport Bescheid wussten, auch am wenigsten Angst vor Hypoglycämien im Zusammenhang mit körperlicher Betätigung hatten. Dies unterstreicht die Bedeutung von guter Schulung und von Aufklärung und Dialog zwischen Patienten mit Diabetes und dem Diabetes-Team in Hinsicht auf ein sicheres Bewegungsmanagement. Damit kann erreicht werden, dass sportliche Betätigung nicht als Risiko betrachtet wird. Die positiven Wirkungen von Sport sind gerade für Patienten mit Diabetes von Bedeutung, helfen sie doch dabei, das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle zu verringern. Gleichzeitig schaffen viele Patienten mit Typ-1-Diabetes es nicht, die empfohlene Menge an körperlicher Aktivität pro Woche zu erreichen.
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