Error-Grid-Analyse? Da war doch was in der Zeit vor CGM-Systemen… Wenn aber eine Publikation unter prominenter deutscher Beteiligung in einem anerkannten US-Fachjournal immerhin 93 (!) Autoren hat, was sagt uns das? [1] Bei der Error-Grid-Analyse (EGA) wird ein Messergebnis, welches z.B. mit einem Blutglucosemesssystem (BGM) erhalten wird, mit einem gleichzeitig gewonnenen Referenz-Glukosekonzentration verglichen, um beobachteten Differenzen bei den Messwerten dann eine klinische Risikobewertung zuzuweisen (Punktgenauigkeit). Dabei wurde definierten Zonen, in die diese Differenzen fallen, ein Risiko in Hinsicht auf die Entwicklung von z.B. Hypoglykämien zugeordnet, wobei die Grenzen dieser Zonen recht willkürlich gezogen wurden: Werte in Zone A gelten als klinisch unbedeutend, weil sie die Behandlung nicht beeinträchtigen, Werte in Zone B weichen zwar ab, führen aber nur zu minimalen gesundheitlichen Risiken, Werte in den Zonen C bis E umfassen zunehmend gravierende Fehler, die potentiell gefährlich sein können.
Der bisher verwendete EGA-Ansatz ist schon eine Reihe von Jahrzehnten alt und wurde erstmals im Jahr 1987 beschrieben. Für CGM-Systeme ist dies nur von begrenztem Wert, da diese Analyse nicht für die Beurteilung der klinischen Genauigkeit von CGM-Systemen geeignet ist. CGM-Systeme liefern auch Hinweise auf den Trend beim Glucoseverlauf (Trendpfeile), der von den Nutzern intensiv bei Therapieentscheidungen eingesetzt wird. Nun aber hat die Diabetes Technology Society (DTS) ein Gremium von 89 internationale Experten beim Thema Glucosemessung etabliert, um:
- die Grenzen der Zonen des „Surveillance Error Grid“ (SEG) zu glätten und ein benutzerfreundliches Tool zu erstellen – das DTS Error Grid,
- fünf Risiko-Zonen der klinischen Punktgenauigkeit (A-E) zu definieren, die für BGMs und CGMs identisch sind (Abbildung 1),
- eine Beziehung zwischen dem Prozentsatz des DTS Error Grid in Zone A und der mittleren absoluten relativen Differenz (MARD) aus der Analyse von 22 BGM- und neun CGM-Genauigkeitsstudien zu bestimmen und
- Trendrisikokategorien (1-5) für die Trendgenauigkeit von CGM-Systemen zu erstellen (Abbildung 2).
Das Ergebnis dieser Aktivitäten, die einige Jahre in Anspruch genommen haben und recht komplex waren, ist ein DTS Error Grid für Punktgenauigkeit mit geradlinigen Grenzen, die auf Datensätze angewendet werden können, die sowohl mit BGM- als auch mit CGM-Systemen im Rahmen von Genauigkeitsstudien gewonnen werden. In einem Datensatz, der Punkt-Genauigkeitsdaten von 18 verschiedenen BGM-Systemen kombiniert, bewegten sich – bei einem Vergleich der Analyse mit dem älteren SEG-Ansatz im Vergleich zum neuen DTS Error Grid – 2,6% der Datenpaare gleichermaßen von Zone A nach B und umgekehrt.
Mit jedem Anstieg der Prozentdaten um 1% der Daten in Zone A verringerte sich der MARD um etwa 0,33%. Der Vergleich von Trendindikatoren bei CGM-Systemen mit Referenztrends, die aus Referenz-Glucosewerten berechnet wurden, ermöglichte die Entwicklung einer DTS-Trendgenauigkeitsmatrix (Abbildung 2).
Fazit: Dieser neue Ansatz zur klinischen Bewertung von Messdifferenzen bei den in der Diabetologie üblichen diagnostischen Methoden zur Glucoseüberwachung ist ein wichtiger Schritt, um die Genauigkeit von CGM-Systemen zu beurteilen. Wie so häufig gilt es nun abzuwarten, ob dieser Ansatz Eingang in die entsprechenden Empfehlungen der Fachgesellschaften und in die Bewertung von Zulassungsbehörden bei klinischen Studien finden. Nur wenn dies gelingt, hat sich der erhebliche Aufwand gelohnt. Es gibt eine anwenderfreundliche Auswertungssoftware, die öffentlich zugänglich ist. Für die Akzeptanz dürfte dies von hoher Bedeutung sein.
- Klonoff DC, Freckmann G, Pleus S, Kovatchev BP, Kerr D, Tse CC, et al. The Diabetes Technology Society Error Grid and Trend Accuracy Matrix for Glucose Monitors. J Diabetes Sci Technol. 2024:19322968241275701. Epub 20241006. doi: 10.1177/19322968241275701. PubMed PMID: 39369312.
Abbildung 1: Das Error-Grid der Diabetes Technology Society für (a) BGM A, (b) BGM B und (c) einen kombinierten Genauigkeitsdatensatz für CGM von 3952 Referenz-/Messungs-Datenpaaren. Der Prozentsatz in Zone A betrug 89,7% für BGM A gegenüber 99,1% für BGM B. Der Prozentsatz in Zone A betrug 88,3% für CGM.
Abbildung 2: Die DTS-Trendgenauigkeitsmatrix für Referenzwerte von 1 bis 600 mg/dL (0,0556–33,3 mmol/L) bei einem kombinierten CGM-Datensatz. In 3185 (80,6%) Trendgenauigkeitsaufzeichnungen konnte der Trendindikator des CGM mit einem gültigen Referenztrend verglichen werden. Dieser Beispieldatensatz basierte auf Daten aus neun CGM-Genauigkeitsstudien. Er zeigt keine Trendmesswerte in den extremen Trendrisikokategorien 4 oder 5.
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