Das Ziel von Präzisionsmedizin ist die Verringerung von Fehlern und die Verbesserung der Genauigkeit von Gesundheitsempfehlungen und medizinischen Entscheidungen. Trotz der Entwicklung von guten Diabetestherapien steigt die Prävalenz von Diabetes weiter an und auch die Unterschiede bei den klinischen Ergebnissen nehmen weiter zu. So zeigen aktuelle US-Daten, dass es mehr Menschen mit Diabetes mit einem AID-System schaffen, ihren HbA1c-Wert unter 7% zu bringen, allerdings sind dies immer noch etwa die Hälfte der PatientInnen.
Diese Heterogenität der Ergebnisse kann auch auf soziale Faktoren wie Therapietreue und kompensatorisches Verhalten zurückzuführen sein, allerdings stellt die natürliche biologische Variation zwischen Individuen eine weitere und bislang wenig untersuchte Erklärung dar.
Wenn es möglich wird, Marker für diese biologische Variation zu identifizieren, könnte dies es ermöglichen vorhersagen, wie ein Mensch auf eine Intervention ansprechen wird. Eine Personalisierung der Intervention würde helfen Ressourcen zu sparen. Innerhalb dieses Rahmens fasst der Konsensbericht Aktionsbeispiele der Präzisionsdiabetesmedizin für Diabetesprävention, -diagnose, -behandlung und -prognose zusammen:
- In Hinsicht auf die Forschung wird die Identifizierung neuartiger Risikomarker für Diabetes und seine Komplikationen gefordert, aber auch die Standardisierung und den Austausch von Labortechniken sowie die Schaffung von Systemen zur routinemäßigen Bewertung der Heterogenität bei Diabetes.
- In Bezug auf Politik und Umsetzung fordert der Bericht die Entwicklung von Systemen zur Entscheidungsunterstützung für Ärzte im Gesundheitswesens und die Bildung von Allianzen mit Regulierungs- und Gesundheitsbehörden, um die Abdeckung von Instrumenten der Präzisionsmedizin und Entscheidungshilfen zu erleichtern.
- Was die Gleichberechtigung betrifft, so fordert der Bericht eine größere ethnische, geografische und soziodemografische Vielfalt in der Forschung und eine stärkere Einbeziehung von Patientenberatungsgruppen.
- In Bezug auf die Kommerzialisierung und den anschließenden Zugang zur Präzisionsmedizin fordert der Bericht eine offene Kommunikation zwischen den Interessengruppen, um ein Gleichgewicht zwischen dem Bedürfnis nach Profit und dem Zugang zu Therapien und Technologien zu finden.
- In Bezug auf die Aufklärung unterstreicht der Bericht die Notwendigkeit einer größeren Gesundheitskompetenz (einschließlich digitaler Gesundheitskompetenz), um die Menschen in die Lage zu versetzen, ihre Risikofaktoren zu verstehen und fundierte Entscheidungen über Diabetesprävention und -management zu treffen.
- Auf der Seite der Leistungserbringer werden Schulungsprogramme benötigt, um das Wissen und die Fähigkeiten zur effektiven Umsetzung von Ansätzen der Präzisionsdiabetesmedizin zu fördern.
Beeindruckend ist, dass der Konsensbericht in dem Journal Nature Medicine von nicht weniger als acht systematischen Übersichtsartikeln (acht weitere folgen in Kürze!) und einer Reihe von vier Artikeln in dem Journal „The Lancet Diabetes and Endocrinology“ begleitet wird. Diese Arbeit von über 200 Forschern aus 194 Institutionen und 28 Ländern ist schlichtweg „heroisch“. Die systematischen Übersichten befassen sich mit präzisionsmedizinischen Ansätzen für Ernährungs- und Lebensstilinterventionen, für Prävention und Behandlung von Schwangerschaftsdiabetes, Diagnose und Behandlung von monogenem Diabetes, krankheitsmodifizierenden Therapien und Technologien für Typ-1-Diabetes, der Subklassifizierung von Typ-2-Diabetes und der Heterogenität der Behandlungseffekte von GLP-1-Analoga und SGLT-2-Inhibitoren. Ergänzend dazu befasst sich die Lancet-Artikelserie eingehender mit übergeordneten Aspekten der Präzisionsmedizin, einschließlich eines Rahmens für die Übertragung präzisionsmedizinischer Ansätze von der Forschung in die klinische Praxis, des Verständnisses von Diabetes-Heterogenität, der Rolle der Präzisionsmedizin bei Adipositas als integraler Bestandteil des Typ-2-Diabetes-Managements und der Argumente für Präzisionsmedizin in Ländern mit niedrigem/mittlerem Einkommen.
Fazit: Was diese Initiative im Endeffekt für den klinischen Alltag in unserem Lande bedeutet, ist noch offen, es ist aber ganz sicher eine, von der wir in den nächsten Jahren noch einiges hören werden.
- Tobias DK, Merino J, Ahmad A, Aiken C, Benham JL, Bodhini D, et al. Second international consensus report on gaps and opportunities for the clinical translation of precision diabetes medicine. Nat Med. 2023;29(10):2438-57. Epub 20231005. doi: 10.1038/s41591-023-02502-5. PubMed PMID: 37794253.
diatec weekly – November 17, 23
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