Katrin Kraatz, Mainz; Lutz Heinemann, Düsseldorf
„Medizin-Müll“ wird anders betrachtet als Haushalts- oder sonstiger Müll. Während Ersterer als unvermeidbar angesehen wird, wenden wir im Privatleben inzwischen viel Energie und Mühe auf für das richtige Trennen und Entsorgen im Privaten. Für Diabetes-Müll gilt dies aber nicht, dabei fällt Einiges an Umverpackungen, Bedienungsanleitungen, benutzte Teststreifen, Sensoren, Kathetern und Kanülen an. Sowohl bei DiaTec wie auch beim T1Day gab es in diesem Jahr einen Workshop bzw. ein t-Camp zum Thema Müll bei der Diabetestherapie, mit Fokus auf Diabetes-Technologie (DT). Dabei haben die Teilnehmer gemeinsam Ideen gesammelt, was konkret getan werden kann, um die Menge an anfallendem Müll zu reduzieren. Dieser Müll, der beim ganz normalen Handling anfällt, wurde zu Beginn der beiden Sessions eindrucksvoll sichtbar gemacht, als ein Foto den beachtlichen Haufen an Verpackungsmaterial und benutzten Einmalmaterial zeigte, der sich über die letzten drei Monate hinweg angesammelt hat. Dabei wurde deutlich, dass es bisher keine systematische Aufarbeitung des ökologischen Fußabdrucks der Diabetestherapie insgesamt gibt.
Ein erster und notwendiger Schritt wäre eine gezielte Analyse des produktbezogenen Mülls inklusive dazugehörigem Verpackungsmaterial bei allen Produkten, die für die Diabetestherapie eingesetzt werden. Gerade bei den Umverpackungen wären rasche und einfache Änderungen möglich, davon sind wir überzeugt. Dieser Schritt verlangt auch keine neue Zulassung des Produkts. Im gleichen Sinne könnte man einen systematischen Müll-Vergleich von ähnlichen Produkten der verschiedenen Hersteller durchführen, um zu ermitteln, wieviel „Müll“ z.B. bei der Nutzung von unterschiedlichen CGM-Systemen anfällt. Interessant wäre auch eine Überprüfung der Produktinformationen in Hinsicht auf Hinweise zur Entsorgung dieser Produkte: Gibt es bereits gezielte Aussagen zur geeigneten Entsorgung ihrer Produkte an entsprechenden Stellen? Oder beschränkt sich das „Umweltdenken“ auf die Herstellungsprozesse? Auch kann es perspektivisch sinnvoll sein, dass die Hersteller angeben müssen, welche Kunststoffe bei einem Pen verwendet werden (z.B. in der Bedienungsanleitung oder auf der Homepage), um eine die sortenreine/richtige Sortierung zu erleichtern. Eine ernsthafte Frage beim Diabetes-Technologie-Müll im häuslichen Bereich ist, was gehört in welchen Mülleimer? Was ist Rest-Müll (eine nette beschönigende Beschreibung…), was muss in die gelbe Tonne? Und was ist eigentlich Sondermüll, weil möglicherweise infektiös oder mit Verletzungsgefahr durch Nadeln? Warum haben die meisten CGM-Systeme für die Applikation des Glukosesensors Inserter, die nur einmal verwendet werden können? Es gibt nur ein CGM-System, wo dieses Produkt (welches immerhin 70-80 g Plastik repräsentiert) mehrfach verwendet werden kann. Die Frage stellt sich ebenso bei den Kanülen für die Insulinpumpen.
Ideal wäre es, wenn die Hersteller direkt bei der Entwicklung eines neuen Produkts das Thema Müll und das korrekte Entsorgen/Recyceln als wichtigen Faktor beim Design des Produkts selbst und dessen Verpackung ansehen. Dadurch könnte eine Minimierung des Mülls als erster Ansatz erreicht werden. Bedienungsanleitungen müssen auch nicht mehr als Booklet mit 12 verschiedenen Sprachen aufgelegt, werden. Ein QR-Code z.B., der direkt auf eine virtuelle Bedienungsanleitung in der richtigen Sprache und vielleicht sogar mit kleinen Handling-Videos führt, wäre erstens moderner und würde zweitens einiges an Papiermüll sparen. Eine weitere Abhilfe für den Hausmüll könnte sein, mit kleinen farbigen Markierungen auf den verschiedenen Bestandteilen eines Produkts/seiner Verpackung den Nutzern eine Hilfestellung zur richtigen Entsorgung an die Hand geben würden.
Wer könnte denn hier „Druck“ ausüben, um die Menge an anfallendem Plastikmüll zu reduzieren? Die Politik, die sich dies auf EU-Ebene auf die Fahnen geschrieben hat? Die Krankenkassen, sowohl aus umweltpolitischen Aspekten als zur Kostenreduktion? Das medizinische Fachpersonal z.B. durch direkte Ansprache der Hersteller? Oder last, but not least, die Patienten selbst? Wahrscheinlich müssen es Alle sein, denn praktikable Lösungen werden nur im Zusammenspiel Aller funktionieren.
Fazit: Schaut man sich die Umfrageergebnisse von knapp 2.500 Patienten mit Diabetes an, die im D.U.T-Report 2022 berichtet werden, geben bei der Frage nach ihrer Haltung zum Thema Müll mehr als 50% der Menschen an, dass dies ein für sie wichtiges Thema ist. Allerdings fließen solche Aspekte zumindest bisher nicht – oder eher sollten – in Kaufentscheidungen ein. Dies kann auch schwierig sein, weil man oft keine Wahl hat wegen der Funktionalitäten des jeweiligen Produkts und der möglichen Inkompatibilitäten mit anderen Produkten.
Ein Vorschlag von Patienten war, einfach den anfallenden Müll zu sammeln und an die Hersteller zurückzusenden – nicht gerade charmant, aber vielleicht könnte dies eine Art Katalysator für die Wahrnehmung bei dem Thema sein? Möglicherweise ist der Druck größer, wenn Diabetes-Schwerpunktpraxen gesammelten Müll der Patienten in großen Paketen an die Hersteller schicken – dann wird das Ausmaß des Müll-Problems deutlicher. Im gleichen Sinne könnten Fachzeitschriften und Patientenorganisationen den „Müll des Monats“ vorstellen, d.h. Produkte, die sich durch besonders viel Müll auszeichnen bei einer negativen Betrachtungsweise oder durch besonders wenig bei einer positiven Betrachtungsweise. Wie immer gilt auch hier: Es führen viele Wege in die reduzierten Müllberge.
DiaTec weekly – Februar 25, 22
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