Die Zulassung von Omnipod 5 ist ein wichtiger Schritt für Insulet, denn die Nutzung von Diabetestechnologie wie Insulinpumpen und kontinuierlichen Glukosemonitoren nimmt kontinuierlich zu. Das Produkt ist ein automatisiertes Insulinabgabesystem (AID)und gedacht für Patienten mit Typ-1-Diabetes mit einem Alter ≥6 Jahre, außerdem das erste AID-System, welches eine Patch-Pumpe, also eine schlauchlose, tragbare Insulinpumpe (dem Pod) mit integriertem Algorithmus für die Insulinzufuhr verwendet. Bei den anderen AID-Systemen ist der Algorithmus in das Steuergerät integriert. Der Pod verfügt über die so genannte SmartAdjust-Technologie, welche einen sogenannten MPC-Algorithmus (Model Predictive Controller) verwendet. Alle fünf Minuten wird die Insulinzufuhr auf der Grundlage der aktuellen und prognostizierten Glucosewerte adjustiert, d.h. sie wird erhöht, verringert oder unterbrochen auf der Grundlage des individuellen Zielglukosespiegels des Benutzers (110-150 mg/dl) und der schon zugeführten Insulinmenge.
Für die Glucosemessung wird das G6 CGM-System von Dexcom verwendet. Das AID-System verfügt über zwei verschiedene Modi:
- einen automatischen Modus, der eine CGM-Verbindung erfordert,
- einen manuellen Modus, der Insulin in vorprogrammierten Raten mit oder ohne CGM-Unterstützung abgibt.
Wichtig ist, dass das CGM über Bluetooth direkt mit dem Pod verbunden ist, so dass der Benutzer immer im automatischen Modus bleiben kann, selbst wenn sein Smartphone nicht funktioniert oder sich außerhalb der Bluetooth-Reichweite (~10 Meter) befindet.
Die Omnipod 5 Mobile App steuert dieses AID-System, welches auf einem von Insulet bereitgestellten Controller vorinstalliert ist oder auf ein kompatibles Android-Smartphone heruntergeladen werden kann. Die Patch-Pumpe kann wie bisher bis zu drei Tage lang getragen werden und bis zu 200 Einheiten schnellwirkendes Insulin enthalten.
Dieses AID-System ermöglicht die Nutzung von mehreren Sollwerten (einstellbar in 10 mg/dl-Intervallen zwischen 110 mg/dl und 150 mg/dl) und hat eine Aktivitätsfunktion, die einen vorübergehenden Sollwert von 150 mg/dl und eine Einschränkung der Insulinabgabe ermöglicht. Ein Smartbolus-Rechner berücksichtigt automatisch sowohl den CGM-basierten Glucosewert als auch den Trendpfeil des CGM-Systems. Die Aktivitätsfunktion ist vor allem bei sportlicher Betätigung nützlich, die eine häufige Problemquelle für Benutzer von AID-Systemen darstellt. Sie ist für mäßige sportliche Betätigung wie Laufen gedacht und wird besonders für aktive Kinder nützlich sein, die regelmäßig Sport treiben. Weitere Anwendungsfälle könnten „andere Perioden erhöhter Insulinempfindlichkeit oder Vorsicht vor Hypoglykämie“ sein, wie Alkoholkonsum bei Erwachsenen und auswärtige Übernachtungen von Kindern und Jugendlichen.
Die Option, verschiedene Sollwerte zu wählen, dürfte für die Benutzer mit unterschiedlichen Bedürfnissen interessant sein. So könnten Nutzer, bei denen nachts häufiger Hypoglykämien auftreten, ihren Zielblutzucker nachts auf 150 mg/dl einstellen, während sie ihn während der Mahlzeiten niedriger ansetzen können. Ähnlich können Eltern von Schulkindern einen höheren Zielwert für den Schultag und einen etwas aggressiveren Wert für zu Hause wählen. Es ist wert zu erwähnen, dass der Omnipod 5 bei den Zulassungsstudien sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen niedrige Werte für Hypoglykämien aufwies, obwohl die meisten Anwender den aggressivsten Einstellwert wählten.
Die Zulassung dieses AID-Systems erfolgte fast sechs Monate nach der ursprünglich für den Sommer 2021 erwarteten Markteinführung, aber deutlich früher als von Insulet aufgrund von FDA-Aussagen erwarteten Zulassung. Zu der Verzögerung kam es aufgrund der Einschränkungen der Arbeit der FDA durch COVID-19 und als die FDA darauf hinwies, dass eine neue Funktion im Zusammenhang mit der Smartphone-Steuerung benötigt wird. Wann das Produkt nun tatsächlich – und vor allem bei uns in Deutschland – auf den Markt kommt, ist noch nicht klar.
Insulet hat auch das Omnipod Promise-Programm gestartet, welches es bisherigen Anwendern ermöglicht, mit Omnipod DASH zu beginnen und dann ohne zusätzliche Kosten auf Omnipod 5 aufzurüsten, sobald das Produkt verfügbar ist. Ein Vorteil für Nutzer und Kostenträger ist, dass die Einstiegskosten (= Anschaffungskosten) im Vergleich zu konventionellen Insulinpumpen niedrig sind, was besonders für Neueinsteiger von Bedeutung sein könnte.
Fazit: Es gilt abzuwarten, ob dieses AID-System ein wirklicher „Gamechanger“ wird, wie es von einigen Diabetologen erwartet wird. In Deutschland trifft es auf einen Markt, in dem sich bereits fünf verschiedene AID-Systeme tummeln. Einige der Eigenschaften dieses AID-Systems können für die Nutzer wirklich ausgesprochen attraktiv sein, so die komplette Kontrolle durch ein Smartphone. Die Verwendung einer Patch-Pumpe stellt vermutlich für viele Nutzer einen konkreten Vorteil dar, diese ist deutlich diskreter zu tragen und zu nutzen als konventionelle Pumpen. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten, denn es wird mehr Plastikmüll erzeugt. Die Steuerung über ein Smartphone unterstützt die diskrete Nutzung.
Insulet plant wohl auch eine Version des AID-Systems für Nutzer eines iOS Smartphones. Es soll auch eine Indikation für jüngere Kinder (Alter 2,0 – 5,9 Jahre) geben und auch für Patienten mit Typ-2-Diabetes. Gerade diese Patienten (die ja die hier verwendete Patch-Pumpe schon vielfach nutzen) dürften an diesem AID-System interessiert sein. Ob die Zulassung in Europa tatsächlich im zweiten Halbjahr 2022 erfolgt, bleibt abzuwarten. Der Markteintritt eines weiteren AID-Systems eines namhaften Herstellers erhöht den Konkurrenzdruck und die Bandbreite an verfügbaren AID-Systemen, was für die Nutzer von Vorteil ist.
DiaTec weekly – Februar 04, 22
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Mit freundlichen Grüßen
Ich dachte, in den USA muss jede Pumpe mit jedem CGM kompatibel sein. Wie kann ich (demnächst) free style libre als CGM benutzen? Gibt es ein upgrade?