Wer ist eigentlich der Eigentümer eines Medizinproduktes oder eines Hilfsmittels? Oft glauben Patienten, die ein Medizinprodukt in die Hand gedrückt bekommen, dass es sich um ein „Geschenk“ von ihrer Krankenkasse handele und damit das Gerät damit ihm gehört. Normalerweise wird aber ein Hilfsmittel von der Krankenkasse „mit Eigentumsvorbehalt“ genehmigt, was im Klartext bedeutet, dass das Produkt Eigentum der Kasse bleibt und dem Patienten quasi nur geliehen wird! In der Regel handelt es sich um Medizinprodukte oder Hilfsmittel, die nach Rückgabe und Einlagerung nach technischer Überprüfung und hygienischer Aufbereitung wiedereingesetzt werden können.
Die Grundlage dafür ist § 33 Abs. 5 Sozialgesetzbuch V (SGB V):
… Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen…
Wird also ein Hilfsmittel in Form von Kauf oder Wiedereinsatz dem Versicherten leihweise überlassen, bleibt das Hilfsmittel im Besitz der jeweiligen Krankenkasse und die bleibt Eigentümer mit allen Rechten und Pflichten. Dies scheidet jedoch grundsätzlich aus, wenn z.B. das Hilfsmittel:
- einen geringen Abgabepreis hat,
- aus hygienischen Gesichtspunkten keinen Wiedereinsatz zulässt,
- spezielle individuelle Anpassungen keinen Wiedereinsatz erlauben,
- der Hersteller einen Wiedereinsatz untersagt,
- das Medizinproduktegesetz einen Wiedereinsatz nicht erlaubt.
Eine Insulinpumpe ist beispielsweise ein Hilfsmittel, welches nicht wiedereingesetzt werden kann. Warum aber genehmigen die Krankenkassen trotzdem dieses Produkt oft mit Eigentumsvorbehalt? Weil je nach vertraglicher Regelung die Kasse die Möglichkeit hat, bei vorzeitiger Rückgabe der Pumpe innerhalb der 4-jährigen Garantie für die Restlaufzeit eine Rückerstattung des Kaufpreises zu bekommen. Das funktioniert aber nur, wenn die Krankenkasse der Eigentümer des Medizinproduktes ist. Bei solchen „Leihhilfsmitteln“ werden dem Versicherten oder der Betreuungsperson mit der Empfangsbestätigung Unterlagen ausgehändigt, aus denen sich ergibt, ob das Hilfsmittel während der Nutzungszeit im Eigentum der Krankenkasse oder des Hilfsmittellieferanten verbleibt. In der Regel unterschreibt der Versicherte (oder sein Betreuer) eine Verpflichtungserklärung, die besagt, dass er das Hilfsmittel während der Nutzungszeit bestimmungsgemäß, ihrem Zweck entsprechend, verwendet und nach Ende der Nutzung in einem ordentlichen Zustand zurückgibt. Das Hilfsmittel darf auch nicht einfach entsorgt, weitergegeben oder veräußert werden.
Spannend wird es nun bei DIY-Systemen: Werden Insulinpumpen, rtCGM-Systeme oder deren Kombination als AID-System nicht entsprechend ihres eigentlichen Zwecks eingesetzt, entspricht dies weder der erteilten CE-Kennzeichnung hinsichtlich Funktionstauglichkeit und Sicherheit noch den Eintragungen und Beschreibungen im Hilfsmittelverzeichnis. Setzt der Patient diese Produkte im Rahmen eines Do-it-yourself (DIY)-Systems zur automatisierten Insulindosierung (AID) ein, dann ist dies zunächst einmal eine Zweckentfremdung und es gibt weder eine Garantie für das Produkt noch eine Haftung. Die Krankenkasse genehmigt Insulinpumpen inklusive einer vierjährigen Garantie mit Eigentumsvorbehalt. Der Vertragspartner der Krankenkasse (z.B. Hersteller) rechnet den genehmigten Betrag ab. Bei einem Defekt müsste der Hersteller innerhalb der Garantie das Produkt kostenlos austauschen. Der Hersteller wird die Pumpe nicht kostenlos ersetzen und die Krankenkasse wird – falls beide davon erfahren – bei einem Geräteausfall nicht bereit sein, dem Patienten ein neues, funktionstüchtiges Gerät zur Verfügung zu stellen. Vielmehr wird die Kasse ihn auffordern, zum Einsatz des Hilfsmittels ggf. Stellung zu nehmen.
Hier könnte nun auch der verordnende Diabetologe ins Spiel kommen. Besonders bei Neuverordnungen soll dieser gemäß den Verordnungs-Richtlinien (§ 9 Ärztliche Abnahme von Hilfsmitteln) folgendes beachten:
…Die Vertragsärztin / -arzt soll prüfen, ob das abgegebene Hilfsmittel ihrer oder seiner Verordnung entspricht und den vorgesehenen Zweck erfüllt, insbesondere dann, wenn es individuell angefertigt oder zugerichtet wurde…
Dies passiert in der Realität zwar eher selten bis nie, könnte sich aber schlagartig ändern, wenn es zu einem Problem kommt. Dann kann auch der Arzt damit konfrontiert werden. Eine Konsequenz davon könnte sein, dass der Hersteller und die Krankenkasse die Kostenübernahme für ein gegebenes Medizinprodukt nicht übernehmen und der Patient dagegen klagt, weil er dieses benötigte Hilfsmittel nicht (kostenfrei) bekommt. Auch dann werden Stellungnahmen aller Beteiligten erforderlich. Bisher gab es wahrscheinlich einen solchen Fall noch nicht, aber wenn es passiert, sollten der Patient und der Verordner sich dieser Tatsache bewusst sein. Aus rechtlicher Sicht betrachtet müssten der Arzt und / oder der Hersteller eine Meldung an das BfArM machen, dass ein gelistetes Hilfsmittel entgegen der Zweckbestimmung hinsichtlich der Schnittstellen und Automatismen manipuliert werden kann.
Fazit: Wir reden von möglicher Theorie und noch nicht vorgekommener Praxis, aber das theoretische Problem kann bei Auftreten in der Praxis deutlich größer werden als in der fiktiv betrachteten Theorie.
Andreas Karch
DiaTec weekly – November 6, 20
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