Abbott hat bei der Präsentation seiner Geschäftszahlen für das zweite Quartal 2025 auch aktuelle Informationen zum dualen Glucose-Keton-Monitor (DGK) präsentiert, wobei es das Management ablehnte, sich zu Details zur Entwicklung und zum Zeitplan für die Zulassung zu äußern. Dabei sind fünf erforderliche Studien wohl abgeschlossen und die Markteinführung soll in „begrenztem Umfang” erfolgen. Auf die Frage eines Analysten nach dem Potenzial des Dual-Messgeräts für Marktanteilsgewinne bei Patienten mit Typ-1-Diabetes (T1D) mit einer intensiven Insulintherapie antwortete das Management mit „100 % ja”. Abbott erwartet anscheinend, dass dieses Dual-Messgerät eine bedeutende Veränderung auf dem CGM-Markt, insbesondere für intensive [Insulin]-Anwender darstellen wird.
Es gibt wohl auch Pläne, das DGK-System in Insulinpumpen zu integrieren, dies hatte der US-Insulinpumpenhersteller Sequel im Mai bekannt gegeben. Insulet hat ebenfalls öffentlich über seine Vereinbarung mit Abbott zur Integration von Omnipod 5-DGK informiert. Die Verfügbarkeit des DGK kann auch den Einsatz von SGLT-2-Inhibitoren bei Patienten mit T1D erleichtern. Trotz der nachgewiesenen Vorteile dieser Wirkstoffklasse für die kardiovaskuläre Gesundheit sind aufgrund des Risikos einer euglykämischen diabetischen Ketoazidose (DKA) keine SGLT-2-Inhibitoren für die Anwendung bei Menschen mit Typ-1-Diabetes (T1D) in den USA zugelassen.
Abbott wird erhebliche Aufklärungsarbeit leisten müssen, da viele Patienten mit Diabetes (und medizinisches Fachpersonal) Unterstützung bei der Interpretation der Daten benötigen werden, bisher gibt es keine klaren Richtlinien für medizinische Entscheidungen auf der Grundlage spezifischer Beta-Hydroxybutyrat-Grenzwerte.
Beim diesjährigen ADA 2025 hatte Abbott neue Daten zum DGK präsentiert. Die renommierte pädiatrische Endokrinologin Jennifer Sherr von der Yale University stellte dort aktuelle Genauigkeitsdaten sowie wichtige Ergebnisse aus Studien mit Erwachsenen (n = 44) und Kindern (n = 32) zum DGK vor. Insbesondere, dass die gesamte Erwachsenenkohorte nach Absetzen der Insulinpumpe die Schwellenwerte für Glukose und Ketone in höherem Maße überschritt als Kinder, wobei 76 % der Erwachsenen Ketonwerte >1,0 mmol/L und 40 % >1,5 mmol/L aufwiesen, während 56 % der Kinder >1,0 mmol/L und 30 % >1,5 mmol/L überschritten. Anhand der Glucose-Keton-Verläufe mehrerer Teilnehmer hob die Rednerin auch die erheblichen Schwankungen der Glucose- und Ketonwerte bei den Anwendern hervor, um deren potenziellen Einfluss auf die Prävention von DKA in der breiteren Bevölkerung zu unterstreichen.
Passend dazu gibt es eine aktuelle Publikation von Jennifer Sherr in Lancet Diabetes & Endocrinology zur Notwendigkeit und Zukunft von kontinuierlichem Monitoring von Ketonkörpern (CKM) [1]. Die Autorinnen sprechen sich sehr für CKM aus und skizzieren mehrere wichtige Überlegungen in diesem Zusammenhang. CKM wird mit dem „Spurassistent” in modernen Autos verglichen und hilft Menschen, „auf Kurs zu bleiben”, indem es die frühzeitige Erkennung von Ketose und rechtzeitige Interventionen ermöglicht, um kostspielige und lebensbedrohliche DKA-Episoden zu verhindern. Trotz der Begeisterung für das Monitoring von Ketonkörpern beschreiben die Autoren anhaltende Lücken dabei und stellten fest, dass eine suboptimale oder gar fehlende Versorgung mit Ketontests derzeit der Status quo ist, d.h. die Patienten haben keine Geräte für eine Spot-Messung von Ketonkörpern oder führen sie üblicherweise nicht mit sich. Dies liegt unter anderen an den hohen Selbstkosten (auch in Deutschland!) und der unterschiedlichen Erstattung von Kapillar-Ketonmessungen. Hinzu kommt, dass viele Patienten nicht wissen, warum sie ein solches Monitoring benötigen. Dies ist ein Problem in Zeiten der zunehmenden Verwendung von Insulinpumpen und AID-Systemen, in denen immer mehr Nutzer einem Risiko für DKA ausgesetzt sind. Im Jahr 2017 gaben bei einer Befragung zwei Drittel der erwachsenen Patienten mit einem T1D an, dass sie nie ihren Ketonspiegel überprüfen, unabhängig davon, ob sie eine Hyperglykämie hatten oder sich übergeben mussten.
Die Autorinnen identifizierten mehrere Nutzergruppen, die von CKM besonders profitieren können:
- Menschen mit T1D, die wiederholt eine DKA aufweisen
- Menschen mit anhaltend erhöhten HbA1c-Werten
- Menschen, die häufig die Insulinapplikation vergessen
- Menschen, bei denen mehrere dieser Risikofaktoren gleichzeitig vorliegen
Ein System wie der DGK kann die Belastung für Patienten verringern, kostspielige Notfallbesuche vermeiden und rechtzeitig Sicherheitshinweise geben können. Eine relevante Anwendungsmöglichkeit ist die Aufforderung zum Wechsel des Infusionssets bei Nutzern von AID-Systemen, wenn diese unerklärliche Anstiege bei den Ketonkörpern aufweisen.
Wichtig in Hinsicht auf die kommerzielle Verfügbarkeit ist es, die Konzentrationen von Ketonkörpern zu definieren, bei denen Alarme ausgelöst werden. Angesichts der Tatsache, dass der Nutzen von kontinuierlichen Keton Daten noch nicht vollständig verstanden ist, kann die Verwendung bekannter Interventionsschwellenwerte ein sinnvoller Ausgangspunkt sein: Bei β-Hydroxybutyrat-Konzentrationen >3,0 mmol/L sollte obligatorisch ein Alarm ausgelöst werden. Es besteht die Notwendigkeit eines Konsenses über optimale Zielbereiche, auch um das gesamte Spektrum der Patientenphysiologie zu erfassen. Da ein CKM bisher nicht existierte, gilt es sich über eine Erwartungshaltung hinsichtlich dessen, was als „normal“ anzusehen ist, einschließlich asymptomatischer Schwankungen, zu verständigen.
CKM kann potenziell eine kostensparende Technologie sein, die die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen reduziert, Fehlzeiten am Arbeitsplatz minimiert und die Patientensicherheit verbessert. In der Publikation werden klare, standardisierte Empfehlungen gefordert, wann Ketonwerte bei bestimmten Bevölkerungsgruppen wie Schwangeren, Menschen, die SGLT-2-Hemmer als erhöht zu betrachten sind und welche Maßnahmen zu treffen sind. In diesem Zusammenhang gibt es den klaren Bedarf für geeignete Aufklärungsmaterialien, um sicherzustellen, dass Patienten bei erhöhten Ketonwerten angemessen reagieren.
Fazit: Insgesamt betrachtet gibt es noch einiges an Diskussionsbedarf bei CKM, aber auch viele Möglichkeiten etwas zu Lernen. Die Verfügbarkeit von CKM ermöglicht es auch, AID-Systeme Patienten anzubieten, bei denen bisher auch Sorge vor DKA dies nicht erfolgte. Auch wenn es noch keine Informationen zum Zeitpunkt der Markteinführung oder zur Preisgestaltung des DGK gibt, wird Abbott bestimmt versuchen, dieses Produkt im nächsten Jahr in den Markt einzuführen.
- Sherr JL, Nally LM. Continuous ketone monitoring for diabetes: a new era for diabetes. The Lancet Diabetes & Endocrinology. 2025;13(9):736–8. doi: 10.1016/S2213-8587(25)00220-7.
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