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a randomised controlled study (https://doi.org/10.1016/S2213-8587(22)00212-1)
Jeder Diabetologe und jedes Diabetes-Team behandelt Patienten mit Typ-1-Diabetes, die trotz intensiver Bemühungen und wiederholter Schulung keine gute Glukosekontrolle erreichen. Viele dieser Patienten führen eine Insulintherapie mit mehreren täglichen Injektionen (ICT) durch und sie überwachen ihren Glukoseverlauf mit einem intermittierend scannenden CGM-System (isCGM). Dieser Therapieansatz ist aktuell die Standard- oder Erstlinienbehandlung für diese Patientengruppe in den meisten Teilen Westeuropas. Eines der fortschrittlichsten Systeme, das derzeit für die Behandlung von Menschen mit Typ-1-Diabetes im Alter von 7 bis 80 Jahren zugelassen ist, ist das MiniMed™ 780G System von Medtronic. Mit seinem SmartGuard™ Algorithmus, auch als Advanced Hybrid-Closed-Loop (AHCL)-Algorithmus bezeichnet, lässt sich die Insulinabgabe alle fünf Minuten automatisieren und sogar personalisieren, um erhöhte Glukosewerte auf Grundlage der CGM-Messungen automatisch zu korrigieren: Unter Berücksichtigung des individuellen Insulinbedarfs passt der Algorithmus automatisch alle 5 Minuten die Infusion von basalem Insulin und von Korrekturboli auf der Grundlage der CGM-Werte an. Das System ist für die Verwendung mit einem Glukoseziel von 100 mg/dl (5,5 mmol/l) ausgelegt, der individuell angepasst werden kann, auf 110 (6,1) oder 120 (6,7) mg/dl (mmol/l), bei Sport auch auf 150 mg/dl (8,3 mmol/l). Sicherheit und Nutzen eines AID-Systems der zweiten Generation (MiniMed™ 780G) wurden bereits in Studien gezeigt mit dem Ergebnis, dass dieses System gegenüber Systemen früherer Generationen nachweislich eine signifikant bessere glykämische Kontrolle ermöglicht [1]. Noch nicht untersucht wurde bislang jedoch die Wirksamkeit des MiniMed™ 780G Systems im Vergleich zur Therapie mit ICT + isCGM bei Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes mit suboptimaler Glukoseeinstellung. Dies zu beurteilen war das Ziel der ADAPT-Studie.
Design der ADAPT-Studie
Die ADAPT-Studie („Advanced Hybrid closed Loop Study in Adult Population with Type 1 Diabetes“) wurde als randomisierte kontrollierte Studie mit 82 Patienten durchgeführt. Nach einer zwei-wöchigen Run-in Phase mit verblindetem CGM wurden die Patienten für einen sechsmonatigen Studienzeitraum in eine der beiden Studiengruppen randomisiert (Abbildung 1):
§ 41 Teilnehmer der Interventionsgruppe erhielten das MiniMed™ 780G System und nutzten über den gesamten Studienzeitraum den AHCL-Algorithmus.
§ Die 41 Teilnehmer der Kontrollgruppe verwendeten weiterhin ihre Standardtherapie ICT und nutzten für die Glukosekontrolle ein isCGM-System. Zu zwei Zeitbereichen (nach 3 und 6 Monaten) trugen sie für jeweils zwei Wochen ein verblindetes CGM.
§ 36 Teilnehmer in der Interventions-Gruppe AID mit AHCL-Algorithmus und 39 Teilnehmer in der Kontrollgruppe ICT + isCGM-Gruppe schlossen die Studie ab. Alle Studien-Teilnehmer waren älter als 18 Jahre, hatten seit mindestens zwei Jahren einen Typ-1-Diabetes, wiesen mit einem HbA1c ≥8,0% eine eher schlechte Glukosekontrolle auf und nutzen seit mindestens drei Monaten eine ICT mit isCGM.
Die Studie wurde an 14 Zentren in drei europäischen Ländern (Frankreich, Deutschland und Vereinigtes Königreich) durchgeführt. Als primärer Endpunkt wurde der Unterschied in der Veränderung der Glukosekontrolle zwischen beiden Gruppen, gemessen als HbA1c-Wert (Ausgangswert vs. nach sechs Monaten) festgelegt. Weitere Endpunkte ergaben sich aus den abgeleiteten Messwerten des CGM-Systems: Die Zeit im Zielbereich (Time-in-Range, TiR) und die Zeit unterhalb bzw. oberhalb des Zielbereichs (Time-below-Range, TbR und Time-above-Range, TaR). Hinzu kamen patientenberichtete Ergebnisse, die so genannten PROs, z.B. die Angst vor Hypoglykämien oder die Zufriedenheit mit der Behandlung. In Hinsicht auf die Sicherheit der Therapie wurden außerdem die Anzahl von schweren Hypoglykämien (SH), diabetischen Ketoazidosen (DKA) und weiteren schweren unerwünschten Ereignissen (SUE) evaluiert.
Ergebnisse
Dies sind die Ergebnisse: Im gesamten Zeitraum nutzten die Teilnehmer der Interventionsgruppe das CGM-System zu 92,2% und zu 95,8% der Zeit verwendeten sie den AHCL-Algorithmus. Sie verließen diesen 0,9-mal pro Woche und führten im Mittel 3,8 Blutglukosemessungen pro Tag durch. Der Glukosezielwert von 100 mg/dl und die Einstellung für „Zeit aktives Insulin“ (active insulin time, AIT) von 2 Stunden wurde in 68,3% bzw. 54,4% der Zeit verwendet. Die mittleren mit dem CGM-System ermittelten Glukosewerte betrugen 152 mg/dl für die Interventions-Gruppe gegenüber 195 mg/dl in der Kontrollgruppe (p<0,0001; bei ca. 10 Scans pro Tag). Dabei standen die Verbesserungen der Glukosewerte in keinem Zusammenhang mit einer von dem CGM-System erkannten oder klinischen Hypoglykämie.
Zum Studienende nach sechs Monaten betrug die mittlere Absenkung (±SD) des HbA1c-Werts im Vergleich zu den Ausgangswerten, die ca. 9,0% betrugen, in der Interventions-Gruppe -1,5±0,7%. Die Teilnehmer in der Kontrollgruppe hatten eine Absenkung im HbA1c von -0,2±0,8%, dies entspricht einem mittleren modellbasierten Behandlungseffekt von -1,4% (p<0,001) zugunsten der Interventions-Gruppe (Abbildung 2). Bei Studienende wiesen die Teilnehmer in der Interventions-Gruppe einen mittleren HbA1c-Wert von 7,3% auf, während dieser in der Kontrollgruppe im Mittel bei 8,9% lag. Während kein Teilnehmer aus der Kontrollgruppe nach sechs Monaten das glykämische Behandlungsziel von HbA1c <7,0% erreichte, schafften dies 10 (27,8%) von 36 Studienteilnehmer aus der Interventions-Gruppe. Teilnehmer der Interventions-Gruppe wiesen auch eine höhere TiR auf als die in der Kontrollgruppe (70,6% vs. 43,6%), was einen modellbasierten Behandlungseffekt von +27,6% ergibt (p<0,0001) und einer Zunahme von 6,6 Stunden pro Tag im Zielbereich entspricht. Dabei hatten die Teilnehmer aus beiden Gruppen bei Studienbeginn mit 36% in der Interventions- und 43% in der Kontrollgruppe eine schlechte TiR. 53% der Patienten in der Interventions-Gruppe erreichten eine TiR >70%, ein Wert, der den Vorgaben der Konsensus-Publikationen entspricht. Für Teilnehmer aus der Kontrollgruppe gilt dies nur für 7%. Die TbR blieb in beiden Behandlungsgruppen unter dem empfohlenen Schwellenwert von 4%, wobei die Teilnehmer in beiden Gruppen eine TbR von 2,6% für Werte <70 mg/dl hatten und <1% bei 54 mg/dl. Höhere Glukosewerte oberhalb von 180 mg/dL bzw. 250 mg/dl wurden in der AHCL-Gruppe in 26,7% und 6,6% der Zeit gegenüber 53,8% und 22,5% in der Kontrollgruppe beobachtet (Abbildung 3).
Das in der Studie verwendete AHCL-System war eine zum Studienzeitpunkt (zwischen Juli 2020 und März 2021) noch in der Erprobungsphase befindliche Version des MiniMed™ 780G Systems und verfügte noch nicht über den Glukosezielwert 110 mg/dl (6,1 mmol/l), die Bluetooth-Konnektivität und die App für Mobilgeräte. Das inzwischen auf dem Markt befindliche System besitzt alle diese Features.
Bei Studienende war die Behandlungszufriedenheit bei den Teilnehmern in der Interventions-Gruppe deutlich höher als bei denen in der Kontrollgruppe (p=0,0003 für die Differenz im Diabetes Treatment Satisfaction Questionnaire). Hinzu kommt eine deutliche Verbesserung der Zufriedenheit der Nutzer mit der Behandlung, was darauf hindeutet, dass der zusätzliche technologische Aufwand und die Blutglukosemessung (für die Kalibrierung) keinen negativen Einfluss auf die Lebensqualität haben. Die Angst vor Hypoglykämien, ermittelt mit dem Hypoglycaemia Fear Survey (HFS)-Gesamtscore, nahm in beiden Gruppen gegenüber den Ausgangswerten ab, jedoch stärker in der Interventionsgruppe (p=0,0409).
Die Patienten in der AHCL-Gruppe nutzten in 95,8% der Zeit den Algorithmus zur automatischen Insulindosierung. Während der sechs-monatigen Studienphase traten keine schweren Hypoglykämien, Ketoazidosen oder andere Schwere Unerwünschte Ereignisse auf. Es kam zu 2 SUEs, die aber nicht mit den Studiengeräten in Zusammenhang standen (eins je Behandlungsgruppe). Die tägliche Insulindosis unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen.
Schlussfolgerung und Fazit der Studienautoren
Die ADAPT Studie zeigt den klinischen Nutzen des AID-Systems MiniMed™ 780G mit dem AHCL-Algorithmus bei Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes, wenn die derzeitige konventionelle Therapie mit mehreren täglichen Injektionen von Insulin plus einem isCGM-System nicht zu einem zufriedenstellenden Glukoseverlauf führt. Insbesondere die Nutzung des AHCL-Algorithmus über einen Zeitraum von sechs Monaten führte bei den Patienten aus der Interventions-Gruppe zu einer statistisch signifikanten Senkung des HbA1c: um 1,54% im Vergleich zum Ausgangswert sowie 1,42% im Vergleich zur Kontrollgruppe. Eine gute glykämische Kontrolle gilt als Schlüsselfaktor, um das Risiko langfristiger mikrovaskulärer und kardiovaskulärer Komplikationen bei Patienten mit Typ-1-Diabetes zu vermindern. Nichtsdestoweniger ist das Erreichen des HbA1c-Zielwerts von <7 % für einen erheblichen Teil der Patienten ein schwer erreichbares Ziel, vor allem dann, wenn es nicht auf Basis einer Steigerung von hypoglykämischen Werten erkauft wird.
Bei diesen Patienten, die sich – aus welchen Gründen auch immer – schwer mit dieser Zielerreichung tun, kann der Einsatz des AID-Systems MiniMed™ 780G mit AHCL-Algorithmus zu einer besseren glykämischen Kontrolle führen, dies hat die ADAPT-Studie klar gezeigt.
Die Ergebnisse der ADAPT-Studie untermauern auch einen begleitenden Kommentar von Forlenza und Kollegen über den Prozess der Patientenauswahl für Closed-Loop-Systeme, indem die Autoren vorschlagen, dass es notwendig ist, „die Annahme zu erschüttern, dass wir die Technologie nur auf diejenigen beschränken sollen, die wir für gute Kandidaten halten“ (d.h. diejenigen, die sehr engagiert sind) [2].
So liefern die Ergebnisse von ADAPT eine solide, quantitative Evidenzbasis, die den Vorschlag bestätigt, den Zugang zu AHCL auf Patienten zu erweitern, die traditionell nicht als „gute Kandidaten“ gelten.
Wie alle Studien hat auch die ADAPT-Studie ihre Limitationen: Es gab keine Optimierung der Diabetes-Therapie zu Studienbeginn, dies wurde aber dadurch abgemildert, dass alle Teilnehmer drei Monate vor dem Screening an den Studienzentren angemessen behandelt sein mussten. Die Teilnehmer in der Kontrollgruppe zeigten ein hohes Maß an Engagement bei der Nutzung von isCGM und scannten durchschnittlich 9,7-mal pro Tag. Möglicherweise war auch die Studiendauer nicht lang genug, um seltene Sicherheitsereignisse zu erfassen. Zu den Stärken der Studie gehören das randomisierte kontrollierte Studiendesign und die Tatsache, dass die Teilnehmer sicher repräsentativ für Menschen mit Typ-1-Diabetes mit suboptimaler Glukosekontrolle sind, wie man sie in der klinischen Routinepraxis antrifft.
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der ADAPT-Studie, dass für Menschen mit Typ-1-Diabetes, die mehrere tägliche Injektionen von Insulin plus isCGM in ihrer Therapie verwenden und dennoch einen HbA1c-Wert von mindestens 8,0 % haben, die Nutzung eines AID-Systems mit einem AHCL-Algorithmus Vorteile aufweist: Auf den HbA1c, die Zeit im Zielbereich und die Vermeidung von akuten Komplikationen wie Hypoglykämien, Ketoazidosen und anderen schweren unerwünschten Ereignissen. Eine breite Anwendung solcher Systeme als Behandlungsstrategie kann deshalb in Erwägung gezogen werden, denn die gesundheitsökonomischen Auswirkungen rechtfertigen Kosteneffektivitätsanalysen, vor allem wenn es um die Vermeidung von Behandlungskosten für diabetes-bedingte Folgeerkrankungen geht. Diese sind nicht nur teuer, sondern bringen auch erhebliches Leid für die Betroffenen mit sich.
- Collyns OJ, Meier RA, Betts ZL, Chan DSH, Frampton C, Frewen CM, et al. Improved Glycemic Outcomes With Medtronic MiniMed Advanced Hybrid Closed-Loop Delivery: Results From a Randomized Crossover Trial Comparing Automated Insulin Delivery With Predictive Low Glucose Suspend in People With Type 1 Diabetes. Diabetes Care. 2021;44(4):969-75. Epub 20210212. doi: 10.2337/dc20-2250. PubMed PMID: 33579715.
- Forlenza GP, Breton MD, Kovatchev BP. Candidate selection for hybrid closed loop systems. Diabetes Technol Ther 2021; 23: 760–62.
DiaTec weekly – Oktober 14, 22
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