Diatec weekly: Roche Diabetes Care wird wieder in den Mutterkonzern eingegliedert und damit Teil von Roche Diagnostics. Was waren die Gründe, die zur Entscheidung geführt haben, die eigenständige GmbH Roche Diabetes Care wieder einzugliedern in Roche Diagnostics Deutschland?
Daniela Kahlert: Danke für die Frage! Wir glauben, dass wir mit dieser Entscheidung besser und schneller auf die Bedürfnisse der Menschen mit Diabetes reagieren können, z.B. mit patientennahen Digitalisierungslösungen und beim Krankheitsmanagement. Durch die Kombination von Fachwissen aus beiden Organisationen glauben wir, zukünftig gute Lösungen in den Markt zu bringen.
Diatec weekly: Welche Veränderungen sehen Sie im Markt oder auch in Ihrem Unternehmen, die diesen Schritt notwendig gemacht haben, sind es die Power eines Großkonzerns und die Nutzung von Synergien, die sich daraus ergeben?
Daniela Kahlert: Am Ende ist es beides, sowohl die Power eines Großkonzerns als auch das spezialisierte Know-How. Insgesamt glauben wir, dass sich die Märkte in vielen Indikationen in den kommenden Jahren stärker in Richtung Patienten-Testung entwickeln werden. Das gilt vor allem für die Point-of-Care Testungen in der Arztpraxis oder auf der Station im Krankenhaus. Auch diagnostische Lösungen direkt beim Patienten werden zunehmen und dafür wollen wir Lösungen entwickeln und zusammenführen, was in den letzten 10 Jahren in beiden Organisationen entwickelt worden ist.
Diatec weekly: Welche Synergien erwarten Sie oder besser – erhoffen Sie sich von der Wiedereingliederung bei Roche Diagnostics in Bezug auf Innovationen, Digitalisierung und Kundenorientierung und wie wird sich dies auf das Markenportfolio auswirken, z.B. was die weitere Entwicklung von CGM und AID-Systemen betrifft?
Daniela Kahlert: CGM ist das richtige Stichwort und darauf setzen wir ab sofort unseren Fokus. Wir sind dabei, mit Accu-Chek SmartGuide eine wettbewerbsfähige CGM-Lösung in den Markt einzuführen – Stichwort: Prädiktionen dank smarter Algorithmen. Dieser Markt ist inzwischen bereits ein wettbewerbsintensives Feld, auf dem sich bereits einige Hersteller mit guten Lösungen tummeln. Aber auch wir bei Roche Diagnostics richten nun unsere Marketing- und Vertriebsaktivitäten deutlich darauf aus. Wir haben gute Möglichkeiten, das aktuelle System rasch weiterzuentwickeln und Innovationen im CGM-Segment voranzutreiben.
Diatec weekly: Wie wird die Integration organisatorisch und strategisch umgesetzt und was bedeutet die Wiedereingliederung für die Mitarbeiter von Roche Diabetes Care und ihre Perspektiven?
Daniela Kahlert: Wir haben die Organisationen bereits zusammengeführt, d.h. alle Mitarbeitenden arbeiten bereits seit dem 1. Juli 2024 in gemeinsamen Teams. Die rechtliche Zusammenführung beider GmbHs erfolgt als nächster Schritt. Die Ansprechpartner bleiben dieselben, die Marketing- und Vertriebsaktivitäten wurden zusammengelegt und die allermeisten Roche Mitarbeitenden aus dem Diabetes Care Bereich finden sich im Bereich Near Patient Care wieder. In diesem Bereich werden wir uns um patientennahe Lösungen für verschiedene Indikationen kümmern. Weitere Mitarbeitenden wurden in anderen Geschäftsbereichen übernommen und auch kulturell läuft es sehr gut. Wir haben viele Schulungen gehabt und die Mitarbeitenden freuen sich über die neuen Möglichkeiten, die kommen werden.
Diatec weekly: Wie hat sich das Verständnis von Diabetesmanagement Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren verändert und wie reagiert Roche Diagnostics darauf?
Daniela Kahlert: Da sehe ich zwei Aspekte! Beim ersten geht es um die gleichen Herausforderungen, welche das Gesundheitswesen insgesamt hat: Fachkräftemangel, Kostendruck und mangelnde digitale Transformation – und das alles spiegelt sich auch in der Diabetesversorgung wider. Wir sehen aber einen großen Vorteil in der Diabetologie, die ja von Haus aus sehr technik-intensiv ist und bereits jetzt mit einem hohen Grad an Datenmanagement einhergeht. Wer ein CGM-System trägt, produziert pro Tag um die 300 Werte, das sind auf ein Jahr bezogen über 100.000 Glukosewerte, die der Patient und auch sein Diabetes-Team zur bestmöglichen Therapieeinstellung heranziehen kann. Ein guter Zugriff auf Daten ist etwas, das die Gesundheitsversorgung effektiver macht, vor allem dann, wenn der Patient Decision Support selbst in die Hände bekommt.
Der andere Aspekt sind disruptive Technologien und Medikamente, die inzwischen verfügbar sind. CGM- und auch AID-Systeme lösen zunehmend die klassische Blutzuckermessung ab. Auch medikamentös nutzen immer mehr Patienten mit Typ-2-Diabetes anstelle von Insulin einen GLP-1 Receptor Antagonisten. Damit nehmen sie ab und als Folge davon normalisieren sich die Glucoseverläufe. Auch hier sind wir im Roche Pharmabereich aktiv, wir haben im vergangenen Jahr die Firma Carmot Therapeutics übernommen. Die Übernahme verschafft Roche Zugang zu einem differenzierten Portfolio von Inkretinen, die sich aktuell in der klinischen Entwicklung befinden – mit vielversprechenden Ergebnissen.
Diatec weekly: Welche Rolle spielen digitale Gesundheitslösungen und personalisierte Ansätze bei dieser strategischen Neuausrichtung und wie will Roche sicherstellen, im Bereich Diabetesmanagement in Zukunft eine Schlüsselrolle zu spielen?
Daniela Kahlert: Wir setzen hier auf drei Standbeine: Technologische, digitale und therapeutische Lösungen. Über die technologischen und therapeutischen Lösungen haben wir ja bereits gesprochen. Ein Beispiel für digitale Lösungen ist unsere Algorithmen-Bibliothek, die wir vor einigen Jahren begonnen haben, aufzubauen. Dort arbeiten wir an klinischen Algorithmen wie einem Score für die Diagnostik des Leberzellkarzinoms, der Fachärzte dabei unterstützt, einen Tumor häufiger in frühen, potentiell kurativen Krankheitsstadien zu erkennen. In diesem Bereich kommen jetzt Spezialisten aus dem Diabetesbereich hinzu und entwickeln digitale Lösungen für die Diabetesversorgung. Die MySugr-App ist ebenfalls eine digitale Lösung, für die wir an einer Listung als DiGA arbeiten. Weiterhin arbeiten wir an PDM One als Disease Management Programm und auch das kann man weiterdenken. Einmal geschaffene Lösungen lassen sich auf andere Indikationen übertragen, z.B. kardiovaskuläre Erkrankungen, für die man Sensoren entwickeln könnte.
Diatec weekly: Wie positioniert sich Roche Diagnostics im Vergleich zu Wettbewerbern, insbesondere nach der Wiedereingliederung und welche Rolle spielen Patientenfeedback und Partnernetzwerke bei strategischen Entscheidungen?
Daniela Kahlert: Uns ist es wichtig, Feedback zu erhalten, von Patienten und aus Ärztenetzwerken. Wir arbeiten auch mit Marktforschung und Instituten wie FIDAM zusammen, um ein bestmögliches Bild zu erhalten, wie unsere Produkte in der Versorgungsrealität performen.
Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist das Feature „Prediction“, mit dem das CGM-System von Roche kommt. Eine sehr positive Entwicklung, weil wir mit diesem Feature 30 Minuten oder zwei Stunden in die Zukunft blicken. Das CGM-System gibt eine Vorschau dazu, wie sich die Glukosewerte in diesem Zeitraum entwickeln. Auch über Nacht lassen sich potentielle nächtliche Hypoglykämien mit einer gewissen Sicherheit vorhersagen und durch geeignete Maßnahmen vermeiden. Das ist eine echte Hilfe für Patienten mit Diabetes, die ihnen in ihrem Alltag sehr konkret hilft und das steht auf deren Wunschliste ganz weit oben.
Diatec weekly: Wir bedanken uns herzlich für Ihre Antworten und sehen der weiteren Entwicklung mit Spannung entgegen. Gibt es etwas, das Sie noch sagen möchten, was wir nicht explizit gefragt haben?
Daniela Kahlert: Wir bei Roche Diagnostics setzen auf Kontinuität und Qualität mit unseren Produkten und Angeboten und wollen auch weiterhin als verlässlicher Partner für unsere Kunden da sein.
Dieser Artikel erscheint als Teil des wöchentlichen Letters zu hochaktuellen Entwicklungen im Bereich Diabetes Technologie. Nutzen Sie das nebenstehende Formular um sich für den diatec weekly Newsletter anzumelden!
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