Die Teilnehmer und Referenten waren zumeist recht hochrangige Vertreter aus entsprechenden Firmen. Was Freude machte, war die entspannte und gleichzeitig fokussierte Art und Weise, wie die meisten der über 70 Redner ihre Themen präsentierten, auch wenn es dabei vermutlich eher darum ging die Investoren im Publikum zu beeindrucken. An der Art und Weise der Präsentationsstile merkt man deutlich, dass in den USA bereits Schulkinder in der Primarstufe lernen, freie Vorträge zu halten.
Die Industrieausstellung zeigte ein buntes Potpourri an Themen, da ging es von Trauma-Bewältigung über Tanztherapie mit Virtueller Realität über Breath Analyzer bis hin zur Genom-Analyse (on-site) und — Sex-Spielzeug! Alles eben sehr amerikanisch, Jeder redet mit Jedem über was auch immer, völlig offen und interessiert. Networking at it‘s best. Im Rahmenprogramm gab es Wanderungen am Strand, Yoga, Meditation und Malen. Und weil während der Konferenz heftig geregnet hat, mussten alle Außenaktivitäten wie Dinner am Strand leider in-door stattfinden.
Die Themenbandbreite der Vorträge war beachtlich, wobei der Fokus auf der „Zukunft der Medizin“ lag. Der Begriff „AI“ für Künstliche Intelligenz kam praktisch in jedem Vortrag in irgendeinem Zusammenhang vor, ebenso Begriffe wie Virtual Reality and ChatGPT. Der Beleg dafür, ob und wie sinnvoll diese Werkzeuge sind, fehlte allerdings in den meisten Fällen, das gilt in einigen Fällen auch für entsprechende Business Modelle. Gleich mehrere Sessions beschäftigten sich mit Lebenserwartung und wie diese verlängert werden kann (es gibt Hoffnung) und es gab auch mehrere Sessions zu „Women’s Health“, was hier in den Staaten ebenfalls ein Zukunfts-Thema ist. Vieles drehte sich um Patienten und deren Wohlergehen, Begriffe wie Präzisions-Medizin, Big-Data und Digital Health hatten Hochkonjunktur. Es wurden also alle „Buzz Words“ bedient. Spannend war die Aussage, dass der Atem eine bedeutende Diagnose-Option für die Zukunft sein wird. Deshalb war auch der europäische „Atem“ vor Ort: Das französische Unternehmen BOYDSense war mit einem Stand vertreten. BOYDSense hatte zuletzt sich erstmalig auf dem ATTD vorgestellt und dort einen wissenschaftlichen Vortrag zu ihrem System gehalten.
Am letzten Tag gab es eine Session zum Thema Diabetes, mit dem zu dem Duktus der gesamten Konferenz passenden Titel: „RE-IMAGINING DIABETES, THE FUTURE OF METABOLISM AND NUTRITION“. In seiner kurzen Einführung durch den wissenschaftlichen und medizinischen Leiter der ADA Bob Gabbay hob dieser deutlich her, wie viele verschiedene Medikamentenklassen und Technologien uns heute in der Diabetes-Therapie zur Verfügung, es aber keine wirkliche Verbesserung bei den Outcomes gibt. Seiner Einschätzung nach liegt dies wohl primär an der unzureichenden Umsetzung der Innovationen bei der Behandlung der Patienten, dabei sieht er alle beteiligten Gruppen in der Pflicht – Ärzte, Patienten, Kostenträger und Zulassungsbehörden.
In dem ersten der drei folgenden Präsentationen stelle eine Mitarbeiterin von Tidepool deren DIY AID-Ansatz vor (wir haben im weekly schon darüber berichtet). Spannend ist primär, dass diese Firma von Patienten und deren Angehörigen gegründet wurde und es geschafft hat, eine offizielle regulatorische Zulassung in den USA zu bekommen, was diesen Ansatz auf eine neue Ebene hebt. Wenn alle Patienten mit Typ-1-Diabetes ein AID-System verwenden würden und man die Daten aus den klinischen Studien (aber auch die Real-World-Daten) auf deren Gesamtheit überträgt, dass sollte dies zu einer signifikanten Verbesserung der Lebenserwartung, Reduktion von Kosten für die Therapie von Folgeerkrankungen etc. führen.
Die medizinische Leiterin der Firma Enara Health stellte deren holistischen Ansatz zu einer langfristigen Gewichtsreduktion vor. Aktuell haben 74% der erwachsenen US-Bürger einen BMI >24,9 kg/m² und 42% einen >29,9 kg/m². 100 Millionen dieser Menschen geben pro Jahr ca. 300 Milliarden Dollar aus, um eine Gewichtsabnahme zu erreichen, allerdings mit recht begrenztem Erfolg. Betrachtet man Übergewicht als eine chronische neuro-endokrinologische Erkrankung, ergeben sich auch ganz andere Optionen. Die Erfolge von bariatrischer Chirurgie sprechen für sich. Im gleichen Sinne stehen uns heute Medikamente zur Verfügung, die einen deutlich positiven Effekt aufweisen, also eine ausgeprägte Gewichtsreduktion bei den meisten Nutzern, solange sie verwendet werden. Der Ansatz von Enara ist, die Nutzer durch eine App bei allen Aspekten der Gewichtsreduktion zu begleiten. Es gibt in den USA wohl eine Kostenübernahme für die Nutzung der App, basierend auf klinischen Studien.
Bei der letzten Präsentation stellte der Geschäftsführer von „meta[bolic]“ eine von deren Entwicklungen vor: GluCare.Health. In Dubai haben diese eine speziell designte Klinik erbaut, die sich auf die Behandlung von Patienten mit Typ-2-Diabetes fokussiert. Dabei wirkt diese Klinik nicht wie eine solche, sie hat einen wesentlich umfassenderen Ansatz und hat klar formulierte Prinzipien und Prozesse. In dieser Klinik werden alle Therapieoptionen so lange genutzt, bis der Patient eine wirkliche Verbesserung erreicht, sonst bekommt dieser sein Geld zurück!
Fazit: Ob die Welt solche elitären Konferenzen braucht, kann sehr wohl diskutiert werden. Die Andersartigkeit und Buntheit davon ist – im Vergleich zu „normalen“ Diabeteskonferenzen… – aber auch spannend und stimulierend. Nachdenklich stimmen Aussagen wie diese hier: “If you bring digital to a broken health-system, you have a broken digital system.”
DiaTec weekly – März 24, 23
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