Seit Jahrzehnten gibt es immer wieder Bemühungen, Systeme zu entwickeln, die die Messung der Glukosekonzentration in der Haut ermöglichen, ohne dass dafür eine Nadel in die Haut eingestochen werden muss. Das letzte Schwein, das durch das Dorf getrieben wird, ist ein laserbasiertes Diagnosegerät mit dem Namen „D-Pocket“, was ein tragbares, nicht-invasives Blutzuckermessgerät sein soll. Angekündigt wurde dies von dem Medizintechnikunternehmen Diamontech und bis Ende 2020 soll das System auf ausgewählten europäischen Märkten verfügbar sein.
Aktuell ist allerdings der Börsengang von Diamontech gescheitert und die Begründung für den Fehlschlag ist ziemlich eindeutig. Es gab offenbar eine „unzureichende Überzeichnung“, was im Klartext bedeutet: zu wenig Interesse von Anlegern, obwohl es einen erstaunlich positiven Artikel im Handelsblatt dazu gab. Man bezog sich auf eine „klinische Studie“, die wohl im Hause Diamontech selber durchgeführt wurde. Dabei wurden bei 100 Menschen (59 Gesunde (!) und 49 Patienten mit Diabetes) über zwei (!) Stunden hinweg unter kontrollierten Bedingungen der Verlauf der Glukosekonzentrationen gemessen. Die Anzahl von Glukosemessungen in dieser Zeit betrug im Mittel 24, mit einer Streuung von 12 bis 27 Messungen. Immerhin 18% der Messergebnisse wurden verworfen, weil sie eine zu geringe Qualität aufwiesen.
In der Informationsbroschüre werden auch keine Angaben dazu gemacht, wie und mit welcher Messgüte die Referenzmessungen erfolgten. Die positiven Aussagen hinsichtlich der Güte, mit der dieses System es ermöglicht, Glukosewerte zu bestimmen, sagen wenig zur Messgüte unter Alltagsbedingungen aus.
Die wesentliche Frage ist aber, wer heutzutage noch eine mehr oder weniger große Kiste mit sich rumschleppen will, um mit mehr oder weniger zeitlichen Aufwand einen mehr oder weniger zuverlässigen Glukosewert zu bekommen? Mittlerweile sind zuverlässige Systeme verfügbar, die kontinuierlich die aktuelle Glukosekonzentration und deren Entwicklung über die Zeit hinweg anzeigen – CGM-Systeme. Die Kosten dafür werden von den Kostenträgern übernommen, was auch auf der ausreichenden Evidenz für deren Nutzung durch gute klinische Studien beruht. Hinzu kommt: Schnappschüsse der Glukosekonzentration – wie sie NI-Glukosemesssystem schmerzfrei zur Verfügung stellt – liefern einfach viel weniger Informationen als ein Film des Glukoseverlaufes!
Unser Fazit: Jeder neue Ansatz zu nicht-invasive Systemen wird mit vollmundigen Versprechen angekündigt, auch wird üblicherweise von Revolutionen gesprochen, welche riesige Erleichterung dies für Patienten mit Diabetes bedeuten wird etc. Erstaunlicherweise kommen fast alle diese neuen Ansätze mit wenigen wissenschaftlichen Studien aus, jedenfalls gibt es kaum Publikationen zu den methodischen Aspekten der jeweiligen Ansätze. Meistens ist die Datenlage insgesamt äußert dünn – und wenn überhaupt eine oder mehrere klinische Studien durchgeführt werden, dann üblicherweise nicht in unabhängigen Forschungseinrichtungen.
Die Firma Diamontech gibt an ausreichend finanziert zu sein, um die Entwicklung auch ohne Anlegergelder weiter voranzutreiben. Mal schauen, ob dies der Fall ist und was daraus wird.
DiaTec weekly – Nov 29, 19
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