Der Stand des Wissens zu Lipohypertrophien und Veränderungen im subkutanen Fettgewebe wird in einer aktuellen Übersichtsarbeit in einer endokrinologischen Fachzeitschrift zusammenfassend dargestellt [1]. Diese ausgesprochen häufige Komplikation der Insulintherapie, sei es durch wiederholte Injektionen oder Infusionen von Insulin an immer derselben Hautstelle führt zu konkreten Problemen beim Erreichen einer adäquaten Glucosekontrolle. In einem narrativen Review wird das Know-how zu diesem klinisch wichtigen Thema zusammengefasst, basierend auf einer Durchsicht der hierzu veröffentlichten Literatur (387 Publikationen aus den Jahren 1998-2023) sowie verschiedener Beiträge von multidisziplinären Experten mit Schwerpunkten auf der Pathophysiologie, klinischen und ökonomischen Aspekten, Diagnose, Prävention und Behandlung.
Zu eindeutigen Risikofaktoren für die Entwicklung von Lipohypertrophien gehören die wiederholte Verabreichung großer Insulindosen an immer der gleichen Hautstelle, wiederholte Injektionstraumata der Haut und des subkutanen Gewebes sowie die mehrfache Verwendung der gleichen Injektionsnadel. Da die subkutane Insulininjektion in Hautbereiche mit Lipohypertrophien mit weniger Schmerzen verbunden ist, nutzen die Patienten diese gerne, dadurch wird allerdings die Geschwindigkeit der Insulinabsorption beeinträchtigt. Dies wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit von Glucoseschwankungen und als Folge davon treten gehäuft Hypo- und Hyperglykämien auf.
Moderne Visualisierungstechniken des subkutanen Gewebes mit Ultraschall können Lipohypertrophien in einem frühen Stadium ihrer Entwicklung erkennen. Die physiologischen und psychologischen Folgen der Entwicklung von Lipohypertrophien können durch geeignete Schulung und Aufklärung der Patienten in Hinsicht auf eine optimale Insulininjektionstechnik verhindert werden, dazu gehören auch die regelmäßige Kontrolle der Spritzstellen, ein Standardthema in den Diabetes-Schwerpunktpraxen.
Eine spanische Studie hat gezeigt, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes und Lipohypertrophien durchschnittlich 15 Einheiten Insulin pro Tag mehr benötigen, was zu zusätzlichen Kosten für das dortige Gesundheitssystem von schätzungsweise 122 Millionen € pro Jahr führen. Wenn bei der Nutzung von Systemen zur automatischen Insulinzufuhr (AID) die Spitze des Insulininfusionssets in Hautareale mit LHs gelegt wird, dann kann dies den therapeutischen Erfolg dieser aufwändigen Therapieform negativ beeinflussen. Allerdings ist das publizierte Know-how zu Lipohypertrophien und Insulininfusionstherapie wesentlich geringer als bei einer Spritzentherapie.
Als die amerikanische Diabetes-Technology Society im April dieses Jahres ein Webinar mit fünf Vorträgen zu diesem Thema organisiert hat, haben immerhin 135 Teilnehmer gelauscht und intensiv anschließend intensiv diskutiert. Gerade zur Diagnose der in verschiedenen Ausprägungen und Formen auftretenden Lipohypertrophien gab es viele Fragen. Die dort präsentierten Inhalte werden nun im US-Fachjournal Diabetes Science & Technology publiziert.
Fazit: Insulinpflichtige Patienten mit Diabetes sollten ausführlich über die richtige Spritztechnik geschult werden, z.B. sollte jede neue Injektion drei cm Abstand zur vorherigen Stelle haben, der gesamte Bauch und Beinbereich sollte genutzt werden, Nadeln sollten nur einmal verwendet und dann entsorgt werden und es sollten grundsätzlich möglichst kurze Pennadeln verwendet werden, denn die verringern das Risiko für intramuskuläre Injektionen. Im hektischen klinischen Alltag fehlt vielleicht häufig die Zeit, um die Spritzstellen der Patienten adäquat zu untersuchen, sei es durch Abtasten oder mit einem Ultraschallgerät. In Anbetracht der Verbesserungen in der Glucosekontrolle, die durch Änderungen bei den Spritzgewohnheiten möglich sind wäre dies allerdings gut investierte Zeit!
- Huang J, Yeung AM, Kerr D, Gentile S, Heinemann L, Al-Sofiani ME, et al. Lipohypertrophy and Insulin. An Old Dog that Needs New Tricks. Endocr Pract. 2023. Epub 20230423. doi: 10.1016/j.eprac.2023.04.006. PubMed PMID: 37098370.
diatec weekly – Juni 30, 23
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