Tidepool bietet bereits eine Reihe von verschiedenen Software-Tools für Patienten und deren Betreuer an: Tidepool Web, Tidepool Mobile, Tidepool Uploader und bald eben Tidepool Loop. Es soll perspektivisch auch eine Premiumversion geben (Tidepool+), die einen Zugang zu einer Datenplattform mit weiteren Features ermöglicht.
Dieses DIY-AID-System ist das erste von der FDA als „interoperable automated glycemic controller (iAGC)“ zugelassene System, und zwar drei Jahre, nachdem der ursprüngliche Antrag im Dezember 2020 gestellt wurde. Tidepool Loop ermöglicht den Abruf einer Insulindosierung über eine kompatible Apple Watch, etwas, das kein anderes offiziell zugelassenes AID-System bisher darf, und ist gedacht für die Nutzung mit kompatiblen iCGMs und Insulin-Pumpen („ACE pumps“). Diese App läuft auf iPhones und iPads und soll in absehbarer Zeit vom iOS App Store downloadbar sein. Auch eine Android-Version ist geplant. Für die Nutzung ist dann allerdings die Eingabe eines „Verschreibungs-Codes“ notwendig. Mit Hilfe der App kann die basale Insulinzufuhr automatisch erhöht oder reduziert werden und sogar ganz stoppen. Der Algorithmus in der App empfiehlt Korrekturboli und ruft diese ab, wenn die Glucosewerte vordefinierte Grenzwerte überschreiten. Der verwendete Algorithmus verfügt über einige spezielle Optionen, z.B. einen „pre-meal preset“-Modus, der zu einer erhöhten Insulinzufuhr führt, um den postprandialen Glucoseverlauf zu reduzieren, bei gleichzeitiger Vermeidung von präprandialer Hypoglykämie. Es gibt auch die Option zu einem verzögerten Bolus, wobei die verschiedenen Versionen durch Wahl eines Emojis gewählt werden können, je nachdem welche Art von Mahlzeit gegessen werden soll und ob schnelle oder langsame Kohlenhydrate Glucose-steigernd wirksam werden.
Tidepool ist aktuell dabei, Verträge mit den Lieferanten von Medizinprodukten abzuschließen, um ein vollständiges AID-System anbieten zu können, welche dies sind, wurde bisher noch nicht angegeben. Bisher hat Tidepool mit Dexcom bei CGM zusammengearbeitet. Mal schauen, ob die bisherige Zusammenarbeit mit Medtronic und Insulet fortgesetzt wird, da die entsprechenden Verträge schon vor einer Reihe von Jahren abgeschlossen wurden. Möglicherweise haben sich die Dinge geändert.
Die Entwicklung von Tidepool mit all seinen Features wurde nur möglich durch die Unterstützung verschiedener amerikanischer Stiftungen, dazu gehören die JDRF und der Helmsley Charitable Trust, die Tullman Foundation und diverse weitere individuelle Unterstützer – hier sieht man die Vorteile des amerikanischen Systems mit seiner großen Spendenfreudigkeit. Die Daten für die Zulassung lieferte die „Loop Observational Study”, die zusammen mit dem bekannten „JAEB-Center for Health Research“ in Florida durchgeführt wurde. An dieser 12-monatigen Beobachtungs-Studie nahmen 558 Patienten teil und die Ergebnisse der Daten der ersten sechs Monate wurden bereits publiziert. Hier nur ein ganz kurzer Einblick: Die Nutzung dieses AID-Systems führte zu einer Verbesserung beim TiR von 1,4 Stunden pro Tag im Vergleich zu den Ausgangswerten (von 67% auf 73%).
Die FDA hat al seine Auflage für die Zulassung, die Durchführung einer „post-marketing study“ vorgegeben, d.h. systematisch zu evaluieren, wie gut sich diese App in der Praxis bei einer größeren Nutzergruppe bewährt.
Fazit: Die Zulassung ist eine ausgesprochen gute Nachricht und ein wahrer „Milestone“ für die „DIY-AID“-Community, da diese nun das Potenzial hat, von mehr Patienten genutzt zu werden. Ein Ansatz wie dieser kann nun eingesetzt werden, ohne dass sich Patienten Gedanken über mögliche rechtliche Konsequenzen Gedanken machen müssen. Es ist aus unserer deutschen Sicht auch beachtlich, dass eine von Patienten gegründete und betriebene Firma es schafft, in den USA als ein offizielles Medizinprodukt zugelassen zu werden, in einem gewissen Sinne sogar mit Unterstützung der Zulassungsbehörde. Vermutlich können es nun auch weitere vergleichbare Ansätze schneller durch den Zulassungsprozess in den USA schaffen, nachdem dieser Schritt einmal gegangen wurde. Dies gilt vermutlich auch für Updates von Tidepool Loop.
Damit kann auch der seit einer Reihe von Jahren von der FDA erfolgte Ansatz, nämlich dass Nutzer sich selbst ein AID-System aus den Komponenten zusammenbauen können, wie es ihnen gefällt, nun erstmals Realität werden. Nichtsdestoweniger bleibt es abzuwarten, wie Tidepool Loop mit den aktuell kommerziell verfügbaren AID-Systemen konkurrieren wird und wie die Erfahrungen einer größeren Gruppe von Nutzern sein werden – wenn die App und ihre Komponenten dann auch zur Verfügung stehen, aktuell gibt es dazu noch keine Angaben. Ob dieses AID-System es irgendwann auch nach Europa schafft und wie es mit der Kostenseite aussieht, steht noch völlig in den Sternen! Offen ist auch, ob der Preis für dieses AID-System nur die Kosten für die „Komponenten“ abdeckt oder gibt es auch – im Sinne der Entwickler dieser APP und ihren Investitionen – einen Return-of-Investment? Wir werden sehen!
DiaTec weekly – Februar 3, 23
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