Zur Entstehung der Luftblasen kommt es, wenn sich das Insulin erwärmt, denn aus der wässerigen Flüssigkeit treten darin gelöste Gase aus. Die Menge an gelöstem Gas hängt dabei – unter anderem – von den Bedingungen ab, mit denen das Insulin in die Reservoire eingefüllt wird. Dabei scheint es auch Unterschiede von Insulin zu Insulin zu geben, d.h. die aus verschiedenen Gründen der Insulinlösung zugefügten Substanzen und Puffer beeinflussen die Meng an gelösten Gasen und wie leicht diese austreten bei Temperaturänderungen. Auch die Details der Herstellungs- und Lagerungsprozesse haben darauf einen Einfluss.
Nun hat uns die Reaktion eines ehemaligen Mitarbeiters eines großen Insulinherstellers auf einen weekly-Beitrag zu Luftblasen und deren Bedeutung für die Insulintherapie erreicht. Er weist in seiner Stellungnahme daraufhin, dass Beimengungen zum Insulin einen Einfluss auf die Menge an sich bildenden Luftblasen haben können, wenn diese die Löslichkeit von Gasen in Wasser beeinflussen. Hier die Aussagen des Kollegen:
- Sauerstoff und vor allem Stickstoff lösen sich in Abhängigkeit von Druck und Temperatur relativ gut in wässrigen Lösungen, so dass ein Ausgasen wahrscheinlich ist, wenn der Druck sinkt und/oder die Temperatur (s.o.) steigt. Durch einen oberflächenaktiven Zusatzstoff (Genapol = Poloxamer 171) wird beim temperaturstabilisierten H-Tronin-Insulin die Löslichkeit zusätzlich beeinflusst.
- In einem älteren Patent von Hoechst gibt es dazu einen Hinweis: EP0166971 Auszug: [0034] Bei einigen Dosierprinzipien ist es nötig, oder zumindest vorteilhaft, entgaste Insulinlösung in das Reservoir einzufüllen. Luft, in Verbindung mit Werkstoffkontakt, stellt, wie vielfach gezeigt, die nachteiligste Umgebung für Insulin dar. Dies ist bei konventionellen Lösungen ein praktisches Problem, da vom Hersteller evtl. entgaste Lösungen durch Bewegung (z.B. Transport) und Diffusion letztlich wieder Luft lösen. Demgegenüber unterliegt ein erstarrtes Gel, das als Flüssigkeit entgast wurde, viel weniger diesem Einfluss; auf ein umständliches Entgasen (und der damit verbundenen Gefahr von Unsterilitäten) direkt vor der Anwendung in der Pumpe kann dann möglicherweise verzichtet werden.
- Zur Lösung des Problems kann man also den Druck senken, die Temperatur erhöhen oder die Flüssigkeit (Wasser) unter Argon durch Erhitzen entgasen und so Stickstoff und Sauerstoff entfernen.
- Die bis dato im Produktionsprozess des Insulins angewendete Überdruck-Sterilfiltration der fertigen Insulinlösung (durch den Druck kann sich noch mehr Gas in der Flüssigkeit lösen), musste geändert werden, da die Temperaturempfindlichkeit des Insulins keine Erwärmung der Lösung zu ließ, um dieses Gas wieder auszutreiben.
- Eine Option ist, durch Zugabe von technischem Rein-Stickstoff als Schutzgas (evtl. katalytisch absolut sauerstofffrei gemacht) den problematischen Sauerstoff „auszuwaschen“, was technisch als Stripping bezeichnet wird. Dies löst aber nicht das Problem des gelösten Stickstoffs, der nach wie vor Gasbläschen bilden kann.
- Dafür gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder mit Schutzgas Argon entgasen (dies ist aus Preisgründen keine Lösung) und die Druckfiltration unter Argon oder auf eine Unterdruckfiltration (Vakuumfiltration) evtl. in Verbindung mit schonender Ultraschallvibration zur Unterstützung der Gasblasenbildung umstellen. Bei dieser Art der Filtration – die bei niedrigen Temperaturen erfolgt – löst sich das Problem komplett, d.h. die gelösten Gase treten praktisch vollständig aus.
- Leider werden solche technischen Details der Produktion selten publiziert und sind meistens nur wichtige Ergebnisse der Qualitätskontrolle für die interne Produktion und die Zulassungsprozesse der Anlage.
- Wie der aktuelle Stand bei der Produktion ist, ist nicht bekannt. Auch diese unterliegt einer permanenten Optimierung. Aus naheliegenden Gründen sind die Firmen sehr zurückhaltend mit der Publikation von Details zu den Produktionsprozessen.
Fazit: Interessant ist dabei, dass die Insulin-Hersteller entsprechende Untersuchungen durchführen und Daten dazu haben, nur werden diese selten oder gar nicht veröffentlicht. Dies gilt nicht nur für das hier besprochene Thema, sondern für viele andere auch, u.a. bei Medizinprodukten. Ein Argument dafür ist, man will der Konkurrenz keine Informationen liefern, ein anderes ist aber auch, die „Wertigkeit“ einer Publikation wird im industriellen Umfeld anders gesehen als im akademischen Umfeld.
Trotzdem ist es bedauerlich, dass die Hersteller viele und auch praktisch relevante Erkenntnisse nicht öffentlich machen. Es wäre für die Nutzer interessant zu wissen, welche Insuline „besonders“ zum Ausgasen neigen und ob es dazwischen überhaupt relevante Unterschiede gibt? Welchen positiven Einfluss im Sinne einer Reduktion der Problematik könnten Änderungen im Herstellungsprozess haben?
Dieser Beitrag ist durchaus ein Appell an die Insulinhersteller, zu veröffentlichen, was sie an Informationen zu diesem Thema haben – getrieben von der Sicherheit der Patienten bei der Nutzung ihrer Insuline.
DiaTec weekly – März 17, 23
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