David Klonoff und weitere bekannte US-Diabetologen haben aktuell in Diabetes Care einen Artikel zur Menge des Abfalls publiziert, der bei Verwendung von üblichen Medizinprodukten im Alltag anfällt [1]. In einer Studie wurden 49 erwachsene Diabetes-Patienten gebeten, akribisch zu notieren, welche Produkte sie an welchem Tag verwendet haben.
Diese (Semi-)Quantifizierung des anfallenden medizinischen Mülls bei der Diabetestherapie ergab bei dieser Gruppe, dass die 38 Nutzer von Insulinpumpen 2,7 US-Pfund (1,2 kg) und die 11 Nutzer einer mehrfachen täglichen Insulinapplikation (MDI) 3,1 US-Pfund (1,4 kg) pro Monat generieren. Dies schließt den Abfall ein, der im Zusammenhang mit der Nutzung von CGM-Systemen oder der Blutglucose-Selbstmessung anfällt, da der Fokus bei dieser Erfassung auf dem Gewicht der Produkte lag – es wurde nicht die insgesamt anfallende Menge an Müll erfasst, der durch Umverpackungen und beigelegten Bedienungsanleitungen etc. vermutlich deutlich höher liegen dürfte. Mit dem Siegeszug digitaler Diabetestechnologie, etwa durch kontinuierliche Glucosemesssysteme (CGM) oder Patchpumpen, wächst der Müllberg weiter. Sensoren müssen alle 7 bis 14 Tage gewechselt werden. Sie enthalten Elektronik und Klebereste und sind deshalb schwierig recycelbar.
Im selben Heft von Diabetes Care erschien deshalb ein Kommentar des Autors dieses Beitrags, mit dem er die Forderung aufstellt: „Let us make diabetes care greener!“, gepaart mit einer Reihe von konkreten Vorschlägen und Forderungen. Es ist keine Frage, dass medizinische Produkte sorgfältig und steril verpackt sein müssen, wenn sie die Hautbarriere überwinden, das gilt für Nadeln, Lanzetten, Sensoren und Katheter. Hinzu kommt aber eine beachtliche Menge an weiterem Zubehör-Abfall, der rechtlich oder organisatorisch notwendig ist, über den es sich trotzdem mal nachzudenken lohnt: Müssen sämtliche Bedienungsanleitungen von Medizin-Produkten tatsächlich in zwölf europäischen Sprachen sein? Ließe sich nicht das Design der Produkte recyclebar gestalten? Oder in dem einen oder anderen Fall auch wiederverwendbar? Wieviel Marketing und Bequemlichkeit steckt in den Produkten – und wieviel sinnlose EU-Verordnungen?
Wenn wir die Zahlen auf die Anzahl von Menschen mit Diabetes und entsprechender Therapie in den USA hochrechnen und in Bezug zur Gesamtbevölkerung setzt, ist die Nutzung von Diabetes-Technologie für ca. 2% des Mülls verantwortlich, der dort insgesamt in den Haushalten anfällt. Die Therapie einer einzelnen Erkrankung liefert also einen signifikanten Beitrag zur Müllproduktion. Hinzu kommt: Viele dieser Produkte gelten rechtlich als medizinischer oder sogar gefährlicher Abfall – trotzdem landen sie oft im normalen Hausmüll. In Deutschland fehlt es an einheitlichen Entsorgungsregelungen. Während Kliniken klare Vorgaben haben, ist die Verantwortung im häuslichen Bereich oft unklar oder wird auf die PatientInnen abgewälzt.
Durch die weiterhin stark ansteigende Nutzung von Medizinprodukten für die Diabetestherapie sowohl bei Patienten mit Typ-1-Diabetes als auch bei Patienten mit Typ-2-Diabetes wird die Menge an Müll in Zukunft vermutlich rasch weiter ansteigen. So ist in den drei Jahren seit der Durchführung der nun publizierten Patientenbefragung im Jahr 2022 die Nutzung von CGM-Systemen um 54% angestiegen, auf weltweit etwa 10,3 Millionen Nutzer. Bei den Nutzern von AID-Systemen wurde ein Anstieg um 65% auf nahezu 1,5 Millionen Nutzer im gleichen Zeitraum beobachtet.
Basierend auf diesen Ergebnissen haben die Autoren dieses Artikels den Bedarf für nachhaltigere Diabetes-Managementpraktiken hervorgehoben. Wichtig dabei ist: Das Design der Produkte möglichst rasch zu ändern in Richtung „Eco-Design“, damit die Menge an anfallendem Müll möglichst nicht weiter ansteigt und vor allem die Recyclebarkeit der Produkte wesentlich zu verbessern. Eine recht einfach zu realisierende Maßnahme wäre der vollständige Verzicht auf das Beilegen einer gedruckten Bedienungsanleitung in diversen Sprachen und diese zu ersetzen durch eine elektronisch verfügbare Bedienungsanleitung (QR-Code) [4, 5]. Genau wie die Umverpackung wird diese beachtlich Menge Papier wohl in vielen Fällen im normalen Haushaltsmüll landen und nicht in der passenden Recycling-Box. Ja, es gibt eine Vielzahl von rechtlichen Vorgaben für die Medizinprodukte (wie das Beilegen einer Gebrauchsanweisung), die die Hersteller in diesem Zusammenhang beachten müssen, allerdings gibt es in Europa eine offizielle Bewegung der EU-Kommission zu einem Umstieg auf elektronische Gebrauchsanweisungen (eIFUs).
Es ist für die Nutzer von Diabetes-Technologie nicht einfach, neben den vielen täglichen Anforderungen beim Diabetesmanagement auch daran zu denken, die Umweltbelastung dabei zu minimieren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sich die Priorität dieses Themas aber in Zukunft weiter erhöhen, vermutlich auch getrieben von jüngeren Nutzern. Die Frage bleibt, welche kurz- oder langfristigen Maßnahmen Nutzer und ihre Behandler ergreifen können, um die Menge des anfallenden Abfalls zu reduzieren? Wenn sie mehr Informationen darüber hätten, welche Produkte mit einem geringeren CO2-Fußabdruck assoziiert sind bzw. sich gut recyclen lassen und welcher Hersteller dies überhaupt anbietet, und diese dann gezielt kaufen würden, dann wäre dies ein guter Ansatz. Sie selbst könnten solche Abfälle in den richtigen Abfallbehältern entsorgen bzw. einem Recycling zuführen. Insbesondere die Behandler könnten sich bei den Herstellern dafür einsetzen, dass Produkte mit eIFUs anstelle von Gebrauchsanweisungen in Papierform ausgestattet werden.
Fazit: In Deutschland ist nun ein Sonderheft der Zeitschrift „Die Diabetologie“ erschienen, in dem sich eine ganze Reihe von Beiträgen mit verschiedenen Aspekten in diesem Zusammenhang beschäftigen, auch mit konkreten praktischen Dingen. Parallel dazu widmet sich der Schwerpunkt im aktuellen Heft der Zeitschrift „Diabetes-Forum“ ebenfalls dieser Themenkomplex; speziell auch zum Einfluss von Hitze auf Arzneimittel und Medizinprodukte. Aber auch darauf, was notwendig ist für den Aufbau eines Recyclingprozesses für Insulin-Pens in Deutschland.
Wer in diesem Zusammenhang konkrete Fragen hat und Handlungsempfehlungen sucht, wie z.B. Hinweise auf die geeignete Entsorgung von Medizinprodukten, der kann diese auf den Seiten der Arbeitsgemeinschaft Diabetes, Umwelt und Klima (AG DUK, auf der DDG-Homepage finden; https://www.ddg.info/die-ddg/gremien-der-ddg/netzwerk-nachhaltigkeit-der-ddg#e16375).
Es bleibt zu hoffen, dass solche Studien und Initiativen möglichst zeitnah zu relevanten Änderungen bei den anfallenden Müllmengen führen! Lassen Sie uns die Diabetestherapie gemeinsam „Grüner“ machen!
- Tian T, Ho CN, Ayers AT, Aaron RE, Klonoff DC, Ahn DT, et al. Quantifying Environmental Waste From Diabetes Devices in the U.S. Diabetes Care. 2025. doi: 10.2337/dc24-2522.
- Heinemann L. Let Us Make Diabetes Care Greener. Diabetes Care. 2025;48(7):1155–7. doi: 10.2337/dci25-0024.
- Ho CN, Ayers AT, Heinemann L, Klonoff DC. Diabetes devices: a growing environmental burden. Diabetes Research and Clinical Practice. 2025;226:112307. doi: https://doi.org/10.1016/j.diabres.2025.112307.
- Heinemann L. Printed Copies of “Instructions of Use”: What Nonsense! Journal of Diabetes Science and Technology. 2025:19322968241310891. doi: 10.1177/19322968241310891.
- Ho CN, Ayers AT, Heinemann L, Klonoff DC. The need to transition from paper to electronic instructions for use for diabetes devices. npj Digital Medicine. 2025;8(1):356. doi: 10.1038/s41746-025-01720-0.
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