Wer sich mit Diabetes-Technologie beschäftigt, kennt auch Patienten mit mehr oder weniger heftigen Hautreaktionen. Leider gibt es kaum Studien, die zuverlässige Angaben dazu liefern, welche Art von Reaktionen wie häufig bei welchen Systemen auftreten. Dies liegt unter anderem daran, dass es keine Trivialität ist zu bewerten bzw. zu entscheiden, welche Art von Reaktion mit welcher Ausprägungsstärke vorliegt.
Die AGDT bietet auf ihrer Homepage Informationen dazu. Hautreaktionen treten vielfach bei Kindern auf (ca. 30%), aber auch mehr als 20% der erwachsenen Patienten mit Typ-1-Diabetes entwickeln solche Reaktionen. Aktuelle Zahlen sind möglicherweise etwas niedriger, weil einer der Hersteller ein bestimmtes Acrylat sowohl aus dem Pflaster als auch dem Kunststoffgehäuse herausgenommen hat, nachdem es gehäuft zu Hautreaktionen kam. Trotzdem lohnt es sich, hier noch einmal etwas genauer hinzuschauen:
Kommt es zu einer Kontaktdermatitis, gilt es zwischen der allergischen Kontaktdermatitis und der irritativen Kontaktdermatitis zu unterscheiden, dies ist durch Verwendung eines Patch-Tests möglich. Allergische Reaktionen werden insbesondere durch Kolophonium und bestimmte Acrylate (Isobornyl-Acrylat) ausgelöst. Dies Substanzen sind bzw. waren in den Pflastern enthalten, mit denen die Geräte auf die Haut aufgeklebt werden, und sie finden sich auch in den Kunststoffgehäusen von Glucosesensoren. Auch der Kleber, mit dem das Pflaster mit dem Kunststoffgehäuse verbunden wird, sollte beachtet werden. Trickreich wird dies dadurch, dass Kreuzreaktionen auftreten können, d.h. wenn erst eine Allergie auf eine Substanz in dem Pflaster eines Gerätes auftritt, dann kann diese auch sehr rasch auftreten, wenn ein anderes Gerät verwendet wird, bei dem in dem Pflaster die gleiche oder eine vergleichbare Substanz verwendet wird. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass die Anzahl von Geräten, die ein Patient de facto noch nutzen kann (s.u.), erschreckend klein wird bzw. es gar keine Optionen mehr gibt.
Wenn ein Hersteller den Anteil von bestimmten Substanzen in seinem Pflaster erhöht, um eine bessere und länger anhaltende Haftung zu erreichen und dann darüber seine Kunden nicht oder nur unzureichend informiert, kann dies auch zu einem plötzlichen Anstieg von ausgeprägten Hautreaktionen führen. Solche Reaktionen treten bei vielen Patienten nicht mal unmittelbar, sondern erst nach Wochen und Monaten der Nutzung auf. Dies erschwert auch die Evaluierung von solchen Nebenwirkungen in klinischen Studien erheblich, denn sie haben meistens nur eine solch kurze Studiendauer, dass solche Nebenwirkungen nicht oder nicht mit Sicherheit erkannt werden.
Patienten mit Typ-1-Diabetes haben wohl häufiger Hautreaktionen als gesunde Menschen, was sowohl auf ihre Grunderkrankung als auch auf ihren Hauttyp zurückzuführen sein kann. Dabei zeigt keine der Studien Assoziationen solche Reaktionen mit dem Alter, Geschlecht, BMI, HbA1c oder der Diabetesdauer.
Während wir also darauf warten, dass Hersteller bessere Systeme (s.u.) entwickeln und auf den Markt bringen, müssen wir schauen, welche Optionen es bereits gibt, um Hautreaktionen zu vermeiden oder deren Ausprägungsgrad so weit zu reduzieren, damit die Anwender damit leben können. Einer der Vorträge, gehalten von Cari Berget vom Barbara Davis Center in Denver, Colorado, zeigte, wie die Integrität der Haut möglichst gut bewahrt werden kann. Dazu gibt es verschiedene Aspekte, die zu bedenken sind: Wo wird das jeweilige Produkt am besten positioniert? Wie wird die Haut vorbereit? Wie wird das Produkt wieder entfernt und wie kann die Heilung der Haut verbessert werden? Fast alle Systeme werden in den meisten Fällen dort am Körper positioniert, wo sie am wenigsten auffallen und gleichzeitig gut zu handhaben sind. Das führt in vielen Fällen dazu, dass dies über lange Zeiträume hinweg immer wieder die gleichen Hautstellen am Körper sind. Durch diese Dauerbeanspruchung weisen solche Stellen mit der Zeit Hautprobleme auf. Auf keinen Fall sollen solche Stellen weiterhin verwendet werden. Auch sollte die Hautoberfläche nicht durch Verwendung von Alkohol-Tupfern ausgetrocknet werden. Weiterhin gibt verschiedene Substanzen oder Pflaster, die vor der Aufbringung des Gerätes auf die Haut aufgetragen werden können, um Hautreaktionen zu vermeiden oder zumindest abzuschwächen. Auch für das Entfernen der Geräte kann durch verschiedene Substanzen erreicht werden, dass sich Pflaster und Geräte leichter von der Haut lösen lassen. Grundsätzlich gilt: Pflaster langsam und vorsichtig abzuziehen, so dass möglichst wenig oberflächlichen Hautschichte dabei abgerissen werden. Die Haut sollte anschließend immer gut gesäubert und mit einem Pflegemittel versehen werden und diese Stelle sollte anschließend möglichst lange nicht mehr genutzt werden. Weitere Infos und Details sind auf dieser Homepage zu finden.
Pflaster müssen heute eine ganze Reihe von verschiedenen Anforderungen erfüllen und sollen dabei noch kostengünstig sein. Damit begann ein Mitarbeiter von Abbott, Naunihal Virdi, seinen kurzen historischen Abriss zur Entwicklung von Pflastern und zeigte die Bandbreite, wo überall Pflaster eingesetzt werden und welche Probleme dabei auftreten können. Ein interessanter Aspekt, dem Hersteller von Diabetes-Technologie bisher wohl eher wenig Aufmerksamkeit gewidmet haben. Mit modernen Silikonpflastern gibt es wohl gute Alternativen zu den bisher üblichen Pflastern, jedoch weisen auch diese bestimmte Nachteile auf, wie z.B. höhere Kosten. Insgesamt hätte man sich bei diesem Vortrag konkretere Hinweise darauf erhofft wie Abbott mit diesem Thema in Zukunft umgehen will.
Fazit: Hautreaktionen sind ein Thema, das uns auch weiterhin beschäftigen wird. Mit zunehmender Nutzung von AID-Systemen werden immer mehr Menschen und vor allem auch Kinder immer mehr Geräte und diese immer länger am Körper tragen. Produkte, die das Ablösen von Pflastern einfacher und hautfreundlicher machen, sind teuer und werden von den Kostenträgern häufig nicht übernommen. Dies muss aber dringend geändert werden, vor allem wenn es um Kinder geht. Es sollte auch nicht an den Preisen bei den Pflastern gespart werden, die eingesparten Beträge stehen in keinem Verhältnis zu den Kosten, die anschließend für die Behandlung der geschädigten Haut aufgebracht werden müssen, mal ganz abgesehen von dem Leid der Patienten. Auch die Hersteller sind dringend gefragt, sich um alltagstaugliche und praktikable Lösungen zu kümmern, denn aktuell sind Hautreaktionen für viele Patienten der wesentliche Grund, warum sie bestimmte Produkte nicht mehr nutzen, auch wenn hierzu praktisch keine Daten vorliegen. Insgesamt brauchen wir dringend bessere bzw. überhaupt Daten dazu, denn je nach Nutzungsdauer, die bei der Diabetes-Therapie ja bis in den Bereich von Wochen gehen kann, ist die Evaluierung der Einsetzbarkeit unabdingbar für die weitere Entwicklung und Einsetzbarkeit von Technologie.
DiaTec weekly – Dezember 10, 21
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