Nach wie vor sind Komplikationen im Zusammenhang mit Typ-1-Diabetes während der Schwangerschaft immer noch weit verbreitet. Dazu gehören Frühgeburten, Fehlbildungen bei Kind oder Makrosomie, eine zu große Körpergröße bei der Geburt, die das lebenslange Risiko von Übergewicht und Adipositas erhöht. Auch die Notwendigkeit intensiver Pflege nach der Geburt ist eine häufige Folge von zu niedrigen oder zu hohen Blutzuckerwerten und übermäßige Gewichtszunahme und Bluthochdruck während der Schwangerschaft treten ebenfalls bei vielen Frauen während der Schwangerschaft auf.
In einer Präsentation beim EASD (Orale Präsentation 230; mit gleichzeitiger Publikation im New England Journal of Medicine) wurden die Ergebnisse einer randomisierten Studie (AiDAPT) zum Einsatz eines AID-Systems bei schwangeren Frauen mit Typ-1-Diabetes gezeigt [1]. An der Studie nahmen 124 schwangere Frauen mit Typ-1-Diabetes im Alter von 18 bis 45 Jahren teil. Die Hälfte von ihnen wurde nach dem Zufallsprinzip der Nutzung eines AID-Systems zugewiesen, die andere Hälfte der traditionellen Insulintherapie (Insulinpumpen oder mehrfache tägliche Insulininjektionen). Sie nahmen über einen Zeitraum von etwa 24 Wochen (von Schwangerschaftswoche 10 bis 12) bis zum Ende der Schwangerschaft an der Studie teil. Die Studie wurde in 9 NHS-Krankenhäusern in England, Schottland und Nordirland durchgeführt und von der Norwich Clinical Trials Unit und dem Jaeb Center for Health Research unterstützt.
Bei der Studie wurde die CamAPS FX-Technologie als AID-System verwendet (https://camdiab.com/). Der Algorithmus ist hierbei auf einem Smartphone installiert und kommuniziert mit dem CGM-System und der Insulinpumpe. Das AID-System passt die Insulindosis alle 10 bis 12 Minuten an den aktuellen Glucosemesswert an und reagiert damit kontinuierlich auf die ständigen Veränderungen der Glykämie während der Schwangerschaft. In der Vergleichsgruppe verwendeten die Patientinnen ebenfalls CGM-Systeme, wobei die Frauen, die von auf Diabetes spezialisierten Mutterschaftsteams unterstützt wurden, die mehrfach täglichen Entscheidungen zu der Insulindosierung selber treffen mussten.
Im Durchschnitt nutzten die Schwangeren das AID-System zu mehr als 95% der Zeit. Die Glykämie war während der gesamten Schwangerschaft erheblich niedriger, im Vergleich zu herkömmlichen Insulintherapie verbrachten die Frauen, die das AID-System verwendeten, mehr Zeit im Zielbereich für die Glykämie während der Schwangerschaft (68% gegenüber 56% – das entspricht zusätzlichen 2,5 bis 3,0 Stunden pro Tag). Die Nutzung des AID-Systems konnte im ersten Schwangerschaftsdrittel sicher gestartet werden, einer für die Entwicklung des Babys äußerst wichtigen Zeit.
Die Glucosekontrolle verbesserten sich durchweg bei Müttern aller Altersgruppen und unabhängig von der Güte ihrer vorhergehenden Kontrolle oder einer früheren Insulintherapie. Diese Verbesserungen wurden ohne zusätzliche Hypoglykämien und ohne zusätzliches Insulin erreicht. Frauen, die das AID-System verwendeten, nahmen außerdem 3,5 kg weniger Gewicht zu und hatten seltener Blutdruckkomplikationen während der Schwangerschaft. Diese Frauen mussten auch weniger Termine in der Geburtsklinik wahrnehmen und riefen seltener außerhalb der Sprechstunden bei den Entbindungskliniken an.
Die Nutzung des AID-Systems brachte eine Zeitersparnis für die schwangeren Frauen und entlastete die Entbindungsstationen. Im Prinzip sind die berichteten Ergebnisse spezifisch für die verwendete AID-Technologie, es kann also nicht auf andere AID-Systeme mit höheren Glucosezielwerten extrapoliert werden.
In einem begleitenden Editorial New im England Journal of Medicine wurde darauf verwiesen, welchen langen Weg die Behandlung dieser Patientengruppe in den letzten 30 Jahren genommen hat [2]. Während Ende der 80-er Jahre Frauen mit Typ-1-Diabetes noch von einer Schwangerschaft abgeraten wurde (es wird explizit auf den Film „Magnolien aus Stahl“ mit Julia Roberts verwiesen), hat sich dies durch die erreichten Fortschritte bei der Therapie, aber auch im Bereich der Diabetes-Technologie grundlegend verändert. Allerdings gibt es nach wie vor eine Reihe offener Fragen in diesem Zusammenhang.
Fazit: In der Vergangenheit gab es immer wieder kontroverse Ansichten und Diskussionen zur Sinnhaftigkeit des Nutzens von CGM-Systemen (und später der von AID-Systemen) bei diesen Patientinnen. Diese Ergebnisse sind nun aber ein klarer Nachweis für die Nutzung von AID, ermöglicht sie doch den Frauen eine sicherere und angenehmere Schwangerschaft. Die Autoren fordern, dass nun AID-Systeme allen schwangeren Frauen mit Typ-1-Diabetes angeboten werden sollten, um eine bessere Glucosekontrolle während der Schwangerschaft zu gewährleisten.
Die Studie wurde vom britischen Gesundheitssystem finanziell unterstützt, aber auch die US-Patientenorganisation JDRF sowie der Diabetes Research & Wellness Foundation beteiligten sich an den Kosten. Sie war aber zu klein, um die gesundheitlichen Folgen für die Babys detailliert zu untersuchen.
- Lee TTM, Collett C, Bergford S, Hartnell S, Scott EM, Lindsay RS, et al. Automated Insulin Delivery in Women with Pregnancy Complicated by Type 1 Diabetes. N Engl J Med. 2023. Epub 20231005. doi: 10.1056/NEJMoa2303911. PubMed PMID: 37796241.
- Garg SK, Polsky S. Technology Use and Glycemic Outcomes during Pregnancy with Type 1 Diabetes. N Engl J Med. 2023. Epub 20231005. doi: 10.1056/NEJMe2310798. PubMed PMID: 37796238.
diatec weekly – Oktober 27, 23
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