2024 lässt sich durchaus als Meilenstein in der Entwicklung der Diabetes-Technologie bezeichnen. Die Innovationen der Herstellerfirmen haben das Management von Diabetes weiter verbessert und setzen mit ihren Produkten neue Maßstäbe. Die kontinuierliche Glucoseüberwachung hat sich nach zwei Jahrzehnten endgültig etabliert und löst mehr und mehr die Blutzuckermessung ab. Die CGM-Systeme sind präziser geworden, die Sensoren kleiner, sie lassen sich leichter implementieren und haben eine längere Tragedauer. Erste frei verkäufliche CGM-Systeme sind auf den (US-)Markt gekommen, von Dexcom das System Stelo und von Abbott das System Lingo. Beide sind preislich attraktiv genug, dass auch Diabetes-Patienten ohne Insulin die Anschaffung eines solchen Systems in Betracht ziehen können, um ihre Glucosewerte unter Kontrolle zu halten.
Leider sind parallel zu dieser positiven Entwicklung auch Armband-Uhren auf den Markt gekommen, die mit optischen Messverfahren äußerst zweifelhafte Ergebnisse liefern und keinesfalls in der Diabetes-Therapie eingesetzt werden dürfen – wir erinnern an die Banane!
Zentrales Highlight in diesem Jahr sind nach wie vor jedoch die Automated-Insulin-Delivery-Systeme, kurz AID, gewesen. Aktuelle Modelle aus 2024 kommen mit verbesserten Algorithmen, die noch präzisere Anpassungen ermöglichen. Eine ganze Reihe von Studien aus diesem Jahr haben nachgewiesen, dass AID-Systeme die Zeit im Zielbereich (Time in Range) signifikant erhöhen und damit zu einer besseren Glucosekontrolle führen.
Bei den Pumpen geht der Trend weiter in Richtung Patchpumps, auch wenn bereits angekündigte Systeme dann doch nicht kamen oder die Entwicklung gleich wieder eingestellt wurde, wie beispielsweise bei embecta. Die führenden Hersteller, darunter Omnipod und Ypsomed, haben jedoch 2024 neue Modelle auf den Markt gebracht, die sowohl technologisch als auch hinsichtlich der Kostenstruktur optimiert wurden. Sie sind klein, diskret und leicht zu bedienen und bieten Flexibilität und Komfort, weil sie keine Schläuche benötigen. Einige der neueren Modelle können bis zu sieben Tagen getragen werden und sind zunehmend in der Lage, mit CGM-Systemen und Algorithmen zu interagieren, bieten eine genauere Dosierung sowohl für Basalraten als auch für Bolusabgaben und lassen sich über Smartphone-Apps steuern, was die Handhabung deutlich erleichtert. Herausforderungen gibt es natürlich nach wie vor: Patchpumpen sind häufig teuer als klassische Insulinpumpen und verursachen mehr Abfall.
Bei den Insulinen gibt es bemerkenswerte Fortschritte. Neu entwickelte ultra-schnell wirkende Insuline verkürzen die Reaktionszeit erheblich, was insbesondere bei Mahlzeiten von Vorteil ist. Zudem wird an „smarten“ – also intelligentem Insulin geforscht, das seine Wirkung abhängig vom aktuellen Blutzuckerspiegel automatisch moduliert. Erste klinische Studien in diesem Bereich zeigen vielversprechende Ergebnisse.
Shootingstar waren 2024 aber die GLP-1 Receptor Agonisten. Der dänische Hersteller Novo Nordisk hat es mit seinem Produkt – neben den Insulinen – zum wertvollsten Unternehmen Europas geschafft und in diesem Jahr seine Marktkapitalisierung auf über 600 Milliarden US-Dollar gesteigert. Damit konnte sogar der Vorsprung auf den zweitplatzierten Luxusgüterhersteller LVMH ausgebaut werden. Auch die amerikanische GLP-1-Alternative Mounjaro von Ely Lilly verschafft seinem Hersteller mit 3,11 Mill. US-Dollar in nur einem Quartal sagenhafte Umsätze und könnte in den kommenden Jahren Novo Nordisk sogar überholen. Beide Medikamente zeigen einen deutlichen Paradigmenwechsel zu effektiveren Lösungen für Diabetes und Adipositas.
Auch das Thema KI (Künstliche Intelligenz) spielt eine immer größere Rolle, wenn es um die Interpretation von Daten geht. KI-basierte Apps und Plattformen analysieren Glucosemuster, Ernährung, Aktivität und Schlaf und liefern personalisierte Empfehlungen. Wearables wie Smartwatches und Fitness-Tracker, die teilweise bereits in Diabetes-Technologien integriert sind, ermöglichen eine umfassende Gesundheitsüberwachung, die weit über die Blutglucosewerte hinausgeht.
Eine gute Zusammenfassung für das ablaufende Jahr 2024 bietet der jährliche Report der „American Diabetes Association“, kurz ADA. Die Empfehlungen in diesem „Standards of Care“ sind auch für den therapeutischen Einsatz auch in Europa von Relevanz und damit eine gute Quelle für unseren Rückblick.
In diesem Jahr umfassen die Standards of Care insgesamt 359 Seiten. Zum Vergleich: Im Jahr 2027 waren es noch 135 Seiten! (https://diabetes.org/newsroom/press-releases/american-diabetes-association-releases-standards-care-diabetes-2025). Zu den Standards of Care zählt eine Zusammenfassung der Überarbeitungen, die einen kurzen Überblick über die wichtigsten Änderungen bei den diesjährigen Aktualisierungen geben. Sie betonen Schlüsselentwicklungen und klinischen Strategien für eine verbesserte Diabetesbehandlung. Hier ist eine kurze Zusammenfassung:
- Die ADA empfiehlt den frühzeitigen Einsatz von CGM- und AID-Systemen direkt bei der Diagnose von Typ-1-Diabetes, um die Blutzuckerwerte zu stabilisieren und die Lebensqualität zu erhöhen
- CGM-Systeme wie Dexcom G7 und FreeStyle Libre 3 werden nicht mehr nur für Patienten mit intensivem Insulinmanagement empfohlen, sondern auch für Erwachsene, die Basalinsulin verwenden. Dies erweitert den Zugang zu präziser Glucoseüberwachung
- AID-Systeme, die CGM und Insulinpumpen kombinieren, um die Insulinabgabe zu automatisieren, werden für alle Menschen mit Typ-1-Diabetes empfohlen, die mit der Technologie umgehen können. Studien haben gezeigt, dass diese Systeme bessere Glucosekontrolle und weniger Hypoglykämien ermöglichen
- Diabetesteams sollen auch Patienten unterstützen, die Open-Source- oder DIY-Closed-Loop-Systeme verwenden, auch wenn diese nicht von der FDA zugelassen sind. Es geht darum, eine sichere Behandlung zu gewährleisten
- Erstmals wird empfohlen, dass Patienten ihre persönlichen CGM-Geräte auch während eines Krankenhausaufenthalts verwenden dürfen, sofern entsprechende Protokolle eingehalten werden
- Ein großer Wert wird auf Schulung im Umgang mit Diabetes-Technologie gelegt, um Patienten besser zu unterstützen und Geräte an individuelle Bedürfnisse anzupassen
Fazit: Ein erfolgreiches Jahr für Diabetes-Technologie verspricht eine hoffnungsvolle Zukunft für die Diabetes-Therapie und die Entwicklungen bei Diabetes-Technologie zeigen viel Potenzial für eine bessere Lebensqualität und ein effektiveres Diabetes-Management.
Dennoch bleiben Herausforderungen bestehen, z.B. diese Technologien zu finanzieren und weltweit zugänglich zu machen. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie Innovationen nicht nur technologisch, sondern auch sozial und wirtschaftlich nachhaltig gestaltet werden können. Positiv ist, dass 2024 zahlreiche Initiativen zur Kostensenkung gestartet wurden, insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen.
Dieser Artikel erscheint als Teil des wöchentlichen Letters zu hochaktuellen Entwicklungen im Bereich Diabetes Technologie. Nutzen Sie das nebenstehende Formular um sich für den diatec weekly Newsletter anzumelden!
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