Der Hersteller des Eversense-CGM-Systems, die US-Firma Senseonics, und sein europäischer Vertriebspartner Ascensia, haben kürzlich ein Webinar durchgeführt, bei dem das „Eversense® 365“-CGM-System vorgestellt wurde. Dafür wurde aktuell eine CE-Kennzeichnung beantragt und der Launch in der EU wird bereits vorbereitet. Über 45 Minuten hinweg stellten zunächst der „Präsident CGM“ B. Hansen von Ascensia sowie die medizinische Leiterin von Senseonics Francine Kaufman die technischen Eigenschaften des CGM-Systems vor und zeigten die Ergebnisse einer aktuellen Studie, die gerade publiziert wurde [1]. Die Zuhörerschaft bestand aus führenden europäischen Diabetologen, sieben der Teilnehmer kamen aus Deutschland und alle hatten bereits Interesse am Vorläufer dieses CGM-Systems.
Wie der Name andeutet, ist Eversense® 365 weltweit das einzige CGM-System mit einer Nutzungsdauer von einem Jahr. Dieses CGM-System wurde im September 2024 in den USA zugelassen und im Oktober desselben Jahres dort in den Markt eingeführt. Sobald eine CE-Kennzeichnung vorliegt, soll es auf die Märkte in Deutschland, Italien, Spanien, Polen, der Schweiz und Schweden gebracht werden. Senseonics verspricht sich davon eine Verbesserung der Lebensqualität und der Glucosekontrolle der Nutzer in Europa. Die Aussagen zu Kosten pro Tag waren nicht eindeutig, vermutlich gibt es hier auch Unterschiede zwischen den Ländern in der EU. Dabei soll sich der Preis im Vergleich zu den bisherigen Generationen nicht signifikant unterscheiden.
In den USA wird diese „Once-a-Year“-Lösung wohl gut angenommen. Es gibt wohl bisher 2.500 Nutzer dieses CGM-Systems in den USA, viele davon mit einem Typ-2-Diabetes. Immerhin haben 25% der Nutzer vorher noch kein CGM-System verwendet und sind deshalb Neu-User – was jedoch bei insgesamt 10 Millionen CGM-Nutzern aller verfügbaren Systeme (diese Zahl wurde während des Webinars genannt) vergleichsweise wenige sind. Eine Pädiatrie-Studie läuft aktuell und es gibt bisher keine Studien mit schwangeren Frauen. Erste Lernerfahrungen von US-Nutzern sollen nun den Patienten in den EU zugutekommen und es wird Verbesserungen bei der „Global Eversense DMS Pro web“-Seite geben.
Im Vergleich zu anderen CGM-Systemen sind die Vorteile dieses Systems:
- Lange Nutzungsdauer auch unter Alltagsbedingungen. Viele der Glucosesensoren von anderen CGM-System erreichen nicht die angestrebte Nutzungsdauer von maximal 15 Tagen, weil sie frühzeitig aus- oder sogar abfallen. Aber es gibt bisher nur wenige Daten zu der realen Nutzungsdauer von Sensoren, was aus Kostenaspekten heraus, aber auch aus Müllvermeidungsaspekten heraus, nicht optimal ist.
- Sowohl die Implantation als auch die Explantation des kleinen Glucosesensor am Oberarm erfordern eine kurze Operation, an dieser Prozedur hat sich nichts geändert. Der Smart-Transmitter auf der Haut oberhalb der Implatationsstelle kann wiederholt abgenommen und wieder angebracht werden. Die Pflaster mit silikonbasierten Klebstoffen werden täglich gewechselt und verursachen keine Hautreaktionen, zumindest wurden bei der erwähnten Studie keine beobachtet. Der Transmitter muss täglich 15 Minuten geladen werden und kann dann über 24 Stunden Daten empfangen.
- Das CGM-System bietet über ein Jahr hinweg eine gute Messgenauigkeit. Damit muss der Nutzer nicht in regelmäßigen Abständen Run-in-Phasen mit schlechter Messgenauigkeit managen, die normalerweise beim Wechsel des Glucosesensors auftreten oder auch gegen Ende der Nutzungsdauer. Dies ermöglicht weiterhin zuverlässige Warnmeldungen. Bedingt durch die Lage des Sensors im Unterhautfettgewebe treten kaum Fehlalarme durch Kompressionsartefakte im Schlaf, wie bei anderen Glucosesensoren, auf.
- Das CGM-System muss einmal pro Woche kalibriert werden.
Die Enhance-Studie wurde im Zeitraum von Juni 2022 bis Februar 2024 mit einem verblindeten Studiendesign in 4 Studienzentren mit viel Erfahrung in den USA durchgeführt, dabei wurde eine Labormethode (Yellow Springs Instrument) für die Referenzmessungen verwendet. An der Studie nahmen 110 erwachsene Patienten mit Diabetes teil, entweder mit Typ-1- (60%) oder Typ-2-Diabetes (40%), wobei diejenigen mit Typ-2-Diabetes verschiedene Therapien nutzten. Während der einjährigen Studie nahmen die Probanden an immerhin 14 Visiten teil, bei denen auch die Messgenauigkeit evaluiert wurde. Das Ergebnis der 40.000 Vergleichsmessungen ist ein MARD von 8,8%, wobei ein recht guter MARD-Wert in allen Messbereichen beobachtet wurde, dieser war im Bereich von 70 bis 180 mg/dl mit 9% am höchsten. In dem Bereich <70 mg/dl betrug der MARD-Wert 7,8% (<54 mg/dl 7,7%). Diese befriedigende Messgüte wurde über die ganze Lebensdauer des Sensors hinweg beobachtet. Auch in den Stunden unmittelbar nach einer Kalibration wurde keine Verschlechterung der Messgüte beobachtet. Die Glucosemessung wird nicht durch viele der sonst bei CGM-Systemen bekannten Interferenzen gestört, allerdings durch bestimmte Antibiotika (Tetrazykline). Es wurden keine unerwünschten Ereignisse beobachtet, die auf das CGM-System zurückzuführen waren. Auch die Nutzung des Systems bei bildgebenden Verfahren während eines Krankenhausaufenthaltes oder andere Prozeduren stellen kein Problem dar.
Fazit: Dieses CGM-System hat eine ziemliche Entwicklung in den letzten sieben Jahren gemacht. 2017 kam das erste System auf den Markt und seither wurden die Eigenschaften von Generation zu Generation deutlich verbessert. Die erste Generation hatte noch eine Nutzungsdauer von 90 Tagen und musste zweimal am Tag kalibriert werden, auch hierin liegt ein klarer Fortschritt. Zusätzliche Kalibrationen sind natürlich jederzeit möglich.
Der nun verwendete Sensor weist vier Messfenster und 18 LEDs für die Messung des Fluorenzsignals auf. Am Ende der Studiendauer nach 365 Tagen funktionierten noch 90% der implantierten Sensoren. Die Sensoren haben eine interne Qualitätskontrolle: Wenn der Sensor erkennt, dass die Messgüte nicht mehr befriedigend ist, stellt er die Funktion ein, was bei immerhin 10% der Sensoren während der Studie der Fall war. Die explantierten Sensoren wiesen keine Verkapselungen auf. Der bei diesem CGM-System verwendete Transmitter hat die gleiche Größe wie frühere Generationen. In naher Zukunft soll es wohl einen Sensor geben soll, der eine Nutzung ganz ohne Transmitter ermöglicht, weil der Sensor selbst eine kleine Batterie und einen Bluetooth-Sender hat, der direkt an ein Smart Phone sendet.
In den USA wurde Eversense® 365 als integriertes CGM-System (iCGM) zugelassen, was bedeutet, dass es mit kompatiblen medizinischen Geräten, einschließlich Insulinpumpen als Teil eines automatisierten Insulinabgabesystems (AID), integriert werden kann. Senseonics ist offenbar in Gesprächen mit den Herstellern von Insulinpumpen und Algorithmen. Bisher gibt es noch keine entsprechende AID-Kombination auf dem Markt, was .ein wenig verwundert, denn es gibt ja einige zugelassene Pumpen und Algorithmen. Es soll auch Kombinationen mit Smart Pens geben. Weiterhin soll es eine “Remote patient monitoring”-Option geben, eine gewisse “Fernüberwachung” des Nutzers also.
Insgesamt betrachtet ist diese Generation des Langzeit-CGM-System ein Fortschritt, denn der Nutzer muss seinem CGM-System wenig Aufmerksamkeit widmen. Es bleibt zu hoffen, dass dies dazu führt, dass dieses CGM-System auch in Deutschland/Europa eine bessere Akzeptanz als die bisherigen Generationen von Eversense zu erreichen, sonst sieht die Zukunft davon nicht rosig aus.
- Bailey TS, Liljenquist DR, Denham DS, Brazg RL, Ioacara S, Masciotti J, et al. Evaluation of Accuracy and Safety of the 365-Day Implantable Eversense Continuous Glucose Monitoring System: The ENHANCE Study. Diabetes Technology & Therapeutics. 2025. doi: 10.1089/dia.2024.0592.
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