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Als Autor freut man sich immer über Rückmeldungen – in diesem Fall zu einem Artikel in Diabetes, Stoffwechsel und Herz im Februar dieses Jahres zum Alltag mit CGM. Der Kollege Joachim Kersken aus Rheine, klinisch tätig in Ahaus, hat ihn gelesen und uns seine Reflektionen dazu gemailt:
Der Anteil der jüngeren Patienten (unter 60 Jahre) in der Klinik mit Diabetes liegt geschätzt über die Jahre bei unter 25% aller Patienten in der klinischen Diabetologie. Das Durchschnittsalter unserer Patienten liegt bei 66 Jahren.
Fast alle Patienten, die stationär kommen, haben entweder eines oder beides/mehreres: Diabetisches Fuß-Syndrom, HbA1c >10%, Hypoglykämien und Ketoacidose (wenn auch insgesamt über die Jahre weniger geworden), Erst-Manifestation (Hausarzt überfordert, DSP nicht erreichbar oder Termin in Wochen bei dringlichem Handlungsbedarf) und auch nicht selten: Psychosoziale Probleme mit Auswirkungen auf den Diabetes.
- rtCGM Geräte benutzen primär sehr wenige Patienten. In der klinischen Zeit, die uns zur Verfügung steht, haben wir kaum Zeit, Patienten, auch wenn wir es wollen, primär auf ein solches Gerät einzustellen.
- Ich erlebe immer wieder Patienten mit Typ 1 oder Typ 2 Diabetes, die ein Gerät unzureichend geschult aus der DSP erhalten haben und kaum damit zurechtkommen. Manche hingegen kommen jedoch gut klar mit der Technik und haben weniger Hypoglykämien, jedoch oftmals keine HbA1c Verbesserung.
- Wir schulen alle Patienten soweit patientenseitig möglich auf eine selbstständige Blutzucker-Kontrolle: Initial auf die „konventionelle“ Blutzuckermessung (Cave: kein Sensor, Handy oder Lesegerät verloren…) und dann schon stationär, wenn der Patient dafür offen ist auf das iscCGM – das funktioniert gut!
- Der Kritik im Artikel zur Erwartungshaltung der Patienten und zur Wertschätzung von Hilfsmitteln kann ich nur zustimmen. Ähnliche Erfahrungen machen wir auch beim Hilfsmittel Schuhe (1.500-2.000€/Paar).
- Ähnlich sehe ich es für das CGM-hopping. Ich sehe aber auch, dass Patienten, die von uns auf iscCGM eingestellt wurden, anschließend in der DSP auf ein rtCGM-System umgestellt werden – und damit nicht besser klarkommen. In der Regel besteht ein Stoffwechselproblem nicht in oder aus der Art der Stoffwechselkontrolle – wohlgemerkt mit der Einschränkung: gilt vermutlich nur für 80% der Menschen mit Diabetes.
- Auch das Hotline-Statement sehe ich ähnlich: DSP, Berater, Kliniken haben sich das Heft der Primärzuständigkeit in weiten Bereichen von der Industrie abnehmen lassen.
- Ich erlebe über Jahre, dass gerade die beiden Hauptanbieter für rtCGM-Systeme sich wenig um die Kliniken kümmern (diese verkümmern dann in dieser Thematik), es ist fast unbezahlbar geworden, alle Auslesemodule aktuell und vorrätig zu halten.
- Datensicherheit? Hier habe ich oftmals den Eindruck: Eine kleine Szene entfernt sich in gepflegter Begleitung spezifischer Industrie von einer nicht unwesentlichen Alltagsrealität der Menschen.
- Ja, wir selber müssen uns hierzu intensiv weiter schulen und informieren und wir geben hierfür bei uns für die Patienten oft zahlreichen Stunden Raum – je nach Programm. Randbemerkung: leider haben die Schulungsaktivitäten, wo auch immer, in den letzten Jahren, trotz guter neuer differenzierter Programme, eine Reduktion erfahren.
- Ist eine herstellerunabhängige Hotline mit erfahrenen Diabetesberaterinnen oder Diabetologen (Telemedizin, finanziert von der GKV, überschaubare Kosten) eine Option? Angebunden an die GKV oder die DDG?
- CGM-Systeme mit Readern machen dann einen Sinn, wenn sie in einer Klinik oder einer Pflegeeinrichtung eingesetzt werden (oft nicht Focus der Diskussion).
- Die Diabetologie muss auch realisieren, dass sie sich in einem sehr kleinen und spannenden Segment (Pumpe, isc/rtCGM, AID) industriegesteuert von der Alltagsrealität der (noch) überwiegenden Zahl der Menschen mit Diabetes entfernt.
Danke für den kritischen Artikel und die vielen guten Fragestellungen. Ich bearbeite dies mit meinen Mitarbeitern, Ärzten wie Diabetesberaterinnen. Das Defizit in der Geräte-Schulung – oder besser der Schulung der Patienten – in der Diabetestechnik sehe ich ganz ähnlich.
Joachim Kersken
Unser Fazit:
Wir fühlen uns von den o.g. Argumenten durchaus angesprochen und fragen uns: Reden wir immer zu sehr mit den gleichen „Jüngern“ der Diabetes-Technologie? Was bekommen wir vom Alltag der DSPen wirklich mit – sehen wir die Probleme und Limitationen überhaupt? Sind wir zu abgehoben, zu weit weg? Der DiaTec weekly soll ja als Plattform für aktuelle Themen und Probleme dienen. Was also sind Ihre/Eure realen Bedürfnisse? Es wäre gut, mehr über die Alltagserfahrungen berichten zu können, um auch darüber eine Diskussion ins Rollen zu bringen! Schreibt uns einfach eine E-Mail.
DiaTec weekly – Mai 29, 20