Seit 2021 hat Bigfoot bereits eine Zulassung in den USA für ihr „Dose Decision Support System“ (DDSS)-System, das unter dem Namen: Bigfoot Unity™ ein Diabetes Management System anbietet. Dieses DDSS-System unterscheidet sich von AID-Systemen unter anderem darin, dass es die Applikation einer ganzen Reihe von verschiedenen schnell- und lang-wirkenden Insulinen durch zwei verschiedene Smart-Pens ermöglicht. Bigfoot verwendet dabei mit Libre 2 bereits ein CGM-System von Abbott.
Beim diesjährigen ADA präsentierte Bigfoot positive Ergebnisse ihrer ersten prospektiven Real-World-Studie mit Bigfoot Unity. Dabei zeigten die 54 Anwender nach drei Monaten eine mittlere Verbesserung im HbA1c von 1,3%, von einem Ausgangswert von 9,2% auf 7,9%. Die entspricht einer Verbesserung der Zeit-im-Zielbereich (TiR) von 31% auf 59%, eine Zunahme von 6,7 Stunden pro Tag. 96% der Anwender bei dieser Studie blieben dem System bis zum Studienende nach 6 Monaten treu, was für eine hohe Zufriedenheit spricht. Die bis zum Studienende verbliebenden 50 Anwender erreichten eine mittlere HbA1c-Verbesserung von 1,0%, von einem Ausgangswert von 8,3% auf einen GMI von 7,3%, und einer TiR von 64%.
Es gab oder gibt noch Pläne bei Bigfoot, das DDSS-System mit Insulinpumpen der Firma Asante zu koppeln, was dann ein Schritt in Richtung AID-System wäre, wobei diese keine Patch-Pumpen sind, wie sie Medtronic mit EOFlow oder Tandem mit AMF Medical kürzlich eingekauft haben. Allerdings gibt es noch eine Reihe von anderen Firmen die Patch-Pumpen in der Entwicklung haben, wie Modular Medical oder Luna Diabetes.
Fazit: Wird Abbott nur eigenständig ein DDSS-System auf den Markt bringen, zumindest in den USA? Dexcom hat in der Vergangenheit Investitionen im Bereich von AID-Systemen getätigt (mit Fokus auf AID-Algorithmen), viel ist davon bisher aber bislang nicht zu sehen gewesen. Wird sich dies nun ändern, wenn der Hauptkonkurrent Abbott nun neue Wege geht und auch bei der Insulinapplikation aktiv wird? Bei den vermutlich gut gefüllten Kassen von Abbott könnte es ja noch weitere Zukäufe geben.
Was bedeutet diese Übernahme für die „etablierten“ Anbieter von AID-Systemen wie Medtronic oder Tandem, aber auch für kleine Firmen, die mit ihren innovativen Produkten auf den US-Markt kommen wollen, wie Beta Bionics? Für Medtronic mit seinen andauernden Schwächen bei ihrem CGM-System und Qualitätsmanagement könnte dies durchaus eine Bedrohung sein für ihr AID-System, das gilt aber auch bei dem InPen, den Medtronic als Smart-Pen im August 2020 gekauft hatte. Allerdings hat Medtronic bestimmt mehr internes Know-How bei Insulinapplikation als Abbott. Die andere Frage ist, ob andere Hersteller auch in Richtung von DDSS-Systemen gehen werden, es gibt ja weitere Smart-Pens, so z.B. Eli Lilly mit dem „Tempo Smart Button“ (hier gibt es in Form des Welldoc BlueStar auch ein DDSS), Medtronic mit dem InPen und Novo Nordisk mit dem Smart-Pen Mallaya von Biocorp. Beim ADA 2023 gab es eine Reihe von Abstracts zu diesem Thema.
Eine andere Frage: Wie sehen andere Firmen, die ein CGM-System von Abbott bei ihren AID-Systemen einsetzen, diesen Deal, z.B. Insulet bei dem Omnipod 5-System? Insulet hat ja auch im Februar dieses Jahrs für 25 Millionen Dollar „intellectual property“ bei Bigfoot gekauft, vermutlich Patente zu Algorithmen und deren Individualisierung. Dabei hat Bigfoot auch an Lösungen für die Applikation von GLP-1-Analoga und Basalinsulin gearbeitet, was mit diesem DDSS-System ja möglich ist.
Insgesamt betrachtet ist diese Story eine eher unerwartete Entwicklung, Abbott kann mit seiner erheblichen Marktmacht den Markt deutlich „aufmischen“, gerade auch auf der Kostenseite. Wenn ein „günstiges“ DDSS-System in Zukunft verfügbar sein wird, könnte dies von vielen Patienten mit Typ-2-Diabetes genutzt werden, vor allem wenn sie eine Insulintherapie durchführen oder eigentlich sollten (aktuell aber GLP-1-Analoga oder SGLT-2-Inhibitoren nutzen). Auch für Patienten, die bislang aus Angst vor Hypoglykämien davor zurückschrecken, könnte dies eine umsetzbare Lösung sein, denn bei Nutzung eines AID-Systems treten diese ja wesentlich seltener, wenn überhaupt noch auf.
Bisher war Bigfoot nicht in Europa vertreten, obwohl die beiden Firmen bereits seit 2017 zusammenarbeiten: Abbott hatte sich im Jahr 2020 an einer Finanzierungsrunde bei Bigfoot beteiligt. An einer Ausweitung auf diesen und andere Märkte wird Abbott bestimmt interessiert sein und dabei wird es vermutlich auf um die Integration von Libre 3 in das DDSS-System gehen. Eine Kaufsumme wurde übrigens nicht genannt, sie wird aber bestimmt im Bereich von einigen Hundert Millionen Dollar liegen.
DiaTec weekly – September 15, 23
Artikel teilen & drucken
Dieser Artikel erscheint als Teil des wöchentlichen Letters zu hochaktuellen Entwicklungen im Bereich Diabetes Technologie. Nutzen Sie das untenstehende Formular um sich für den DiaTec weekly Newsletter anzumelden!
Mit freundlichen Grüßen