Haben es unsere Nachbarn besser? In einer kürzlich in Acta Diabetologica veröffentlichten französischen Studie mit 301 Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes in Frankreich wurde festgestellt, dass Informations- und Bildungsplattformen am häufigsten genutzt wurden, gefolgt von Selbstmanagement-Tools und Lösungen zum Datenaustausch für die kollaborative Versorgung [1]:
- Information und Aufklärung: Hier gibt es Plattformen, die Bildungsressourcen, Videos und Foren bereitstellen, um Menschen mit Diabetes mit Wissen über Diabetesmanagement, Lebensstiländerungen und Bewältigungsstrategien zu versorgen.
- Selbstmanagement-Unterstützung: Gemeint sind Technologien, die Sensoren zur Überwachung und Aufzeichnung von Gesundheitsdaten wie Blutzuckerwerte, körperliche Aktivität, Nahrungsaufnahme und Medikamenteneinnahme nutzen, damit Nutzer die Kontrolle über ihren für das Diabetesmanagement wichtigen Lebensstil übernehmen.
- Datenaustausch und kooperative Versorgung: Sind Tools, die die digitale Kommunikation und den Datenaustausch zwischen Menschen mit Diabetes und Gesundheitsdienstleistern (HCP) erleichtern und so zeitnahe Interventionen und Anpassungen der Behandlungspläne ermöglichen, ohne dass häufige persönliche Besuche erforderlich sind.
Menschen mit Typ-1-Diabetes nutzen Plattformen zur Selbstmanagement-Unterstützung und Datenaustausch deutlich häufiger als Menschen mit Typ-2-Diabetes.
Dabei zeigt sich auch ein auffälliges „Gesundheitsparadoxon“: Teilnehmer mit schlechter selbst eingeschätzter Gesundheit – die also am meisten profitieren könnten, nutzten solche digitalen Gesundheitslösungen aber seltener. Daraus ergibt sich eine Erwartungslücke: Personen ohne Erfahrung mit digitalen Gesundheitslösungen erwarteten größere Gesundheitsverbesserungen als erfahrene Nutzer, was darauf hindeutet, dass die anfänglichen Erwartungen möglicherweise zu optimistisch waren.
Bedenken hinsichtlich der Informationsüberflutung, der Datensicherheit und der Beurteilung aufgrund geteilter Gesundheitsdaten verringerten die Nutzungswahrscheinlichkeit um bis zu 89 % und überwogen oft die wahrgenommenen Vorteile.
Fazit: Diese Ergebnisse stehen auch im Zusammenhang mit dem sogenannten „Digital Divide“: Gerade diejenigen, die am meisten von digitalen Gesundheitslösungen profitieren könnten – etwa Menschen mit schlechterem Gesundheitszustand oder höherer Krankheitslast – nutzen sie am seltensten. Dies verdeutlicht die Gefahr, dass digitale Innovationen bestehende gesundheitliche Ungleichheiten eher vergrößern als verringern, wenn Hürden wie Vertrauen, digitale Gesundheitskompetenz und Zugänglichkeit nicht gezielt adressiert werden.
Um das volle Potenzial von digitalen Gesundheitslösungen auszuschöpfen und einen gerechten Zugang zu fördern, muss das Vertrauen gestärkt, Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Benutzerfreundlichkeit ausgeräumt und die Erwartungen an die realen Ergebnisse angepasst werden. Bei zunehmender digitaler Entwicklung auch im Gesundheitswesen müssen wir von Anfang an versuchen zu verhindern, dass hier viele Patienten abgehängt werden und direkt eine digitale Zwei-Klassen-Gesellschaft entsteht.
- Hermanns N, Cerletti P, Laurent J, Scibilia R, Skovlund S. Perceptions of use and value for different types of digital health solutions among people with type 1 and 2 diabetes in France. Acta Diabetol. 2025. Epub 20250808. doi: 10.1007/s00592-025-02564-6. PubMed PMID: 40779203.
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