Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Hermann von Lilienfeld-Toal,
Während jedermann bereits seine Koffer packte, um nun in die Sommerferien zu fahren und abgelenkt war, erschien im Internet eine Anzeige, die eine seit Jahren in der einschlägigen Presse der Investitionen und Firmenentwicklungen heiß erwartete Sensation als käuflich ankündigte: Die Smart Watch, die Blutzucker messen kann! Das ließ ich mir nicht entgehen und orderte sie: Eine Firma Libiyi (früher nie gehört) bietet sie an, etwa unter dem Motto: Nimm Deine Gesundheit in die Hand!
Die Sendung erschien zehn Tage nach Bestellung, allerdings war etwas irritierend, dass es keine Begleitpapiere und auch keine Rechnung gab. Eine Nachfrage beim Spediteur nach einer Adresse des Versenders wurde abschlägig beantwortet, das dürfe man nicht weitergeben. Die auf der Website der Anzeige angegebene E-Mail Adresse funktionierte nicht: “Your message was not delivered…“ Ich hätte zwar noch ein paar Fragen, die ich gern stellen würde, zum Beispiel die Frage nach der physikalischen Basis der Messung… Trotzdem, ich will es ausprobieren. Dazu veranstaltete ich eine Reihe von Zufallsmessungen mit dem Vergleich der von der Smart Watch angebotenen Blutzuckerwerte mit einem Free Style Libre 2. Gleichzeitig habe ich einige blutige Blutzucker-Messungen mit Contour Care vorgenommen.
Messung von Zeit, FreeStyle Libre 2 und Libiyi Werten
Messung von Contour und Libiyi Werten
Dann kam Contour dazu und ich darf zusammenfassen: Korrelationen zwischen den Messungen mit den Geräten Libiyi und FreeStyle Libre 2 für alle in einem Zeitraum 16. bis 21.7.23 gemessenen Paare: r = -0,0789; n=94 (siehe Abb. 1a) und zwischen dem Gerät Libiyi und Contour (r = -0,078; n = 40) (Abb. 1b), also keine positive Korrelation.
Die gewissermaßen zur Kontrolle des verwendeten Free Style Libre 2 durchgeführten blutigen Blutzuckermessungen ergaben für alle parallel gemessenen Contour-Werte eine Korrelation zum FreeStyle Libre 2 von r = 0,806; n = 40 (nicht gezeigt).
Abb. 1a: Messungen mit den Geräten Libiyi und Free Style Libre 2 (n=94) für alle in einem Zeitraum 16.7. bis 21.7.23 gemessenen Paare: r = -0,0789
Abb. 1b: Messungen mit den Geräten Libiyi und Contour (n = 40; r = -0,078)
Während einer oralen Glukose Belastung (Gluko 75 Pulver, der Blutzucker stieg bis 165 mg/dl an) ergab sich zwischen Libiyi und FreeStyle Libre 2 und bei einer Messung alle 5 Minuten ein r = – 0,308; n= 30. (Abb. 2)
Abb. 2: Während einer oralen Glukose Belastung ergab sich zwischen Libiyi und Free Style Libre 2 r = – 0,308
Es wurde auch eine Korrelation zwischen FreeStyle Libre 2 und den Contour Messungen berechnet – von der allerdings nur 9 Werte während des oGT erhoben wurden, zu Beginn und alle 15 Min. Hier ergab sich die Möglichkeit, eine Verzögerung (Delay) der Messung von FreeStyle Libre 2 und Libiyi zu erfassen. Bei FreeStyle Libre 2 ist sie bekannt.
Erfasst Libiyi auch einen Blutzuckerparameter, der auf eine Messung in der interstitiellen Flüssigkeit hinweist? Direkt berechnet fand sich für FreeStyle Libre 2 und Contour ein r = 0,7473 (nicht gezeigt) und für die Korrelation zwischen Libiyi und Contour (wieder nur 9 Punkte) r= – 0,5581 (nicht gezeigt). Durch die strenge Zeitfolge des Messprotokolls während des oGTs war eine Verschiebung der Zeitskala zur Testung der Frage nach einer Zeitverschiebung möglich und es zeigte sich, dass die Werte des verwendeten Sensors von FreeStyle Libre 2 ein zeitlichen „Delay“ von ca. 15 Min aufwiesen. Bei einer Berücksichtigung dieser Verzögerung betrug das r zwischen FreeStyle Libre 2 und Contour r= 0,920 (n=9, Abb. 3a). Das gleiche Manöver ergab keine positive Korrelation zwischen Libiyi und Contour (r= – 0,471) (Abb. 3b), oder gar zwischen Libiyi und FreeStyle Libre 2 (r= -0,231, nicht gezeigt).
Abb. 3a: FreeStyle Libre 2 weist ein zeitlichen „Delay“ von 15 Min auf im Vergleich zu der blutigen Messung durch Contour. Dies ist ein Hinweis darauf, dass interstitielle Flüssigkeit gemessen wird.
Abb. 3b: Die Berücksichtigung einer Verzögerung von 15 Min führt nicht zu einer
positiven Korrelation zwischen den Blutwerten und den Ergebnisse der Libiyi-Messung.
Unabhängig von den Einzelmessungen zeigt das Display der Watch Blutzuckerschwankungen im Verlauf von 24 Stunden, die z.T. unerwartet stattgefunden haben sollen. Ein Vergleich mit den parallel aufgezeichneten Verläufen des Blutzuckers im FreeStyle libre lassen Zweifel an der Existenz derartiger Schwankungen aufkommen. (Abb 4)
Abb. 4: Der Zeitverlauf der Blutzuckerkurve auf dem Display der Uhr suggeriert Schwankungen des Blutzuckers. Rechts eine zeitlich normierte Gegenüberstellung des gleichen Zeitraums zu von Free Style Libre 2 aufgezeichneter Glukosekurve. Ein derartiger Befund wurde sehr häufig reproduziert.
Zusammenfassend muss man sagen: Die von dem Gerät Libiy angebotenen Blutzuckerwerte haben mit den von etablierten Verfahren erfassten Blutzuckerwerten nichts zu tun. Im Begleitheft der Watch wird darauf hingewiesen: „Die Testergebnisse dienen nur als Referenz und können nicht als medizinische Daten verwendet werden“
Ich denke, sie können nicht einmal als Referenz herhalten. Nach meiner Meinung muss man davon abraten, zur Blutzuckermessung dieses Gerät zu verwenden.
(Conflict of interest: Der Autor ist selbst an der Firma Quantune Technologies GmbH beteiligt, die sich mit der Entwicklung eines nicht-invasiven Blutzuckermesssystems beschäftigt.)
Unser Fazit (nicht das von Herrn Lilienfeld-Toal): Ein weiteres Unternehmen mit dem Namen Rectangulau verspricht gerade zum Dumpingpreis eine Armbanduhr, die non-invasiv neben den Blutzuckerwerten auch noch den Puls und den Blutdruck misst, und alles zum Sonderpreis von 46 Euro und mit Fashion-Design in Pink und / oder Schwarz. Wer Hersteller oder Lieferant ist, gibt die Webseite nicht preis und ohne die Uhr gesehen zu haben können wir uns des Eindrucks nicht verwehren, dass hier nur ein schnelles Geschäft gemacht werden soll. Vorsicht also scheint geboten.
DiaTec weekly – September 1, 23
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Mit freundlichen Grüßen
Hallo lieber Herr Prof. Heinemann,
Danke für Ihr/Dein Diatec weekly
seit 37 Jahren Typ1 -Diabetes (und von 1992-2005 bei Hoechst und Sanofi) habe ich mir die SmartWatch bei Libyi auch bestellt. – es ist für mich und für Alle Typ 1er „chinesisches Gelumpp“….die Werte bei unterschiedlichen Messreihen zeigen immer zwischen 4-7,5 mmol/l….da ein Typ 1er meistens zwischen 60 -300 (benutze Dexcom G7) schwankt (mein aktueller HbA1c – 6,8%) ist diese Uhr für die Therapie Führung sehr irreführend (auch für alle Typ 2 Diabetiker-da ständig gute Werte vorgespiegelt werden) !!!
Dr. Christoph Michel, Main Apotheke, ehenmals Sonofi
Liebe Grüße an meinen Freund, Herrn Prof. Herrmann Lilienfeld -Toal, der schon immer in seiner Laufbahn für eine Erleichterung der Zuckermessungen aller Diabetiker geforscht hat !!! – Liebe Grüße
Ein Patient von uns (allerdings ohne Diabetes), hatte ebenfalls schlechte Erfahrungen mit der „Kardena Care Control Smart Watch“ gemacht, die ebenfalls vorgibt, den Glucosewert messen zu können. Er hat blutige Vergleichsmessungen durchgeführt und es gab keinerlei Korrelation. Dies nur als Ergänzung zum bereits Gesagten.
Dr. Daniel Kammerer, Diabetes Freiburg
Patientin hatte laut AccuChek mobile 200 mg/% , laut Libiyi Smartwatch 80 ! mg/% . Mehrfach nachgemessen , auch das Handgelenk gewechselt .
Interessant, Interessant! Bin selbst Typ 2-Diabetiker und das seit etwa 8 Jahren. In dieser Zeit habe ich schon eine Unmenge an Tabletten zu mir genommen, sowie eine Menge an Insulin gespritzt und eine Unzahl „invasiver“ Clukosetest an mir durchgeführt. Als etwas untypischer Diabetiker – sehr wenig Fett- und Muskelmasse – habe ich die „Stecherei“ schon einigermaßen satt und meine sämtlichen Fingerkuppen sind vom vielen Stechen schon ganz schön mitgenommen und empfindungsgeschädigt. Eigentlich war ich schon ganz von der Idee angetan, dass es nun eine „unblutige“ Art der Zuckermessung geben könnte. Wenn ich nun den Test von Prof. Heinemann lese, bin ich erst einmal entäuscht, dann aber heilfroh, dass mich dieser davor bewahrt hat, einem Phantom nachzulaufen. Danke Prof.Heinmann!
Ich bin auch froh das gelesen zu haben und wäre vielleicht auch darauf reingefallen. Sicher wieder ein Chinapfusch der mit unserer Gesundheit spielt.